Freitag, 8. Juni 2018

Lost in Fuseta, Gil Ribeiro, gelesen von Andreas Pietschmann, Argon Hörbuch



Lost in Fuseta, Gil Ribeiro, gelesen von Andreas Pietschmann, Argon Hörbuch
 
Im Rahmen eines europäischen Austauschprogramms für die jeweils besten Beamten ihrer Abteilungen, wird Kriminalkommissar Leander Lost für 1 Jahr an die Algarve versetzt. Seit ihm bekannt war, daß er für den Austausch als bester in Betracht kommt, lernt er erfolgreich portugiesisch. Was ihm nicht klar ist: Dieses Programm wird von den Vorgesetzten gerne genutzt, um unliebsame Mitarbeiter für ein Jahr los zu werden. Während die Portugiesen ihren schönsten, aber einfälltigsten Kollegen nach Hamburg schicken, erhalten diese Leander Lost. Was den Portugiesen aber keiner verraten hat: Leander Lost ist Autist, Typ Asperger mit der Inselbegabung: Fotografisches Gedächtnis. Er ist streng logisch, rational, auf Fakten bezogen und kann nicht lügen und noch viel weniger kann er etwas vergessen, was er jemals mitbekommen hat. Das macht die Teambildung mit seinen neuen Kollegen den Sub-Inspektoren Graciana Rosado und Carlos Esteves sehr schwierig, denn Leander Lost reagiert nie so wie sie es erwarten. Als dann aber an der beschaulichen Algarve ein Mord geschieht, ist Leanders analytischer Verstand und sein unglaubliches Gedächtnis ein echter Gewinn.
Gut, daß der schlaksige Ermittler im schwarzen Anzug anders ist, das hatte ich schon in der Beschreibung gelesen, beim ersten Hören dachte ich dennoch: oha! In Flash-Back-artigen Rückblicken erfährt man einiges über Leanders traumatische Kindheit und auch dem Hörer wird bald klar, Leander ist anders und wer sich mit dem Asperger Syndrom mal beschäftigt hat, bemerkt es auch bei ihm. Andreas Pietschmann spricht ihn wirklich sehr einfühlsam und genauso, daß man seine Andersartigkeit in seinen Äußerungen auch im Kontrast zu den Kollegen sofort heraus hört. Dabei kann ich nur seine portugiesische Aussprache als wirklich gekonnt klingend loben (ich bin für diese Sprache nicht sehr talentiert). Andreas Pietschmann schafft es aber auch mit seiner Stimmgewandtheit Leander Lost sowohl etwas sehr liebenswertes und menschliches als auch seine Verletzlichkeit zu transportieren. Es fällt schwer, sie der Anziehungskraft von Leander Lost zu entziehen und so geht es auch seinen Kollegen, die mit ihm den Mord an einem deutschstämmigen Privatdetektiv aufklären sollen. Weil Leander Lost keine Mimik deuten kann, nimmt er die Welt ganz anders wahr und analysiert sie, nach erlernten Regeln und Gesetzen. Diese Einblicke in seine Gedankenwelt finde ich sehr faszinierend, so daß für mich der Kriminalfall fast in den Hintergrund trat, da ich alle Beteiligten so interessant, gerade auch in ihrer Gesamtkonstellation fand. Denn immerhin ist es Leander Lost, der es schafft Zugang zu einer schwer traumatisierten Jugendlichen zu bekommen, die in diesem Fall noch sehr wichtig wird. Seine portugiesische Kollegin Graciana ist wiederum sein komplettes Gegenteil, sie löst Fälle durch Empathie und Intuition. Somit ergänzen sie sich fabelhaft. Lange suchen die Ermittler vergeblich nach einem Motiv. Kaum scheinen sie eine Spur gefunden zu haben, geht diese in Flammen auf, um sämtliche Beweise zu vernichten. Aber Leander Lost kann nicht vergessen und ist somit von unschätzbarem Wert. So führt es Leander Lost und seine neuen Kollegen in Abgründe mit denen sie nie gerechnet haben. Denn hinter dem Mord an dem Detektiv steht eine riesengroße Schweinerei ungeahnten Ausmaßes. Es geht um Missbrauch von Macht und Geld und das Gut des Volkes. Aber ein Leander Lost ist nicht zu beirren! So fand ich neben den Persönlichkeiten des Ermittlungsteams auch das zu Grunde liegende Verbrechen in seiner Perfidität sehr spannend. Auch wenn die eigentliche Krimispannung hinter der Eigenwilligkeit des deutschen Austauschermittlers zwischenzeitlich in den Hintergrund zu rücken scheint, so ist das Verbrechen eines von unglaublicher Kälte. Es ist ein Krimi, kein Thriller, aber diese Feinheiten der Tat, die Skrupellosigkeit mit der Macht ausgenutzt wird, um Geld zu mehren, ist wirklich sehr gelungen.
Gil Ribeiro ist ein Pseudonym eines deutschen Krimiautors mit Liebe zur Algarve. Oft nervt es mich, wenn Deutsche als vermeintliche Kenner über eine Urlaubsregion schreiben, aber hier ist dies nicht so. Ich fühle mich wirklich an die Hand, mit an die Algarve genommen, wobei ich es auch sehr amüsant finde, wie er über die Vorurteile der portugiesischen Kommissare gegenüber dem neuen Kollegen, dem Hörer einen Spiegel vorhält, der durch Leander Losts Gedankenwelt sehr amüsant zurück gespiegelt wird.
Spannung, Humor und Herzlichkeit. Was will ich mehr für ein tolles Krimihörbuch? Nichts! Aber der Sprecher macht es wirklich hervorragend, ich würde die Reihe nun nicht mehr lesen wollen, weil ich den Sprecher vermissen würde. Chapeau!
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Argon Verlag, der mich mit diesem  Rezensionsexemplar wirklich bereichert hat.
 

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