Freitag, 7. April 2017

The Heart’s invisible furies – Who is Cyril Avery? John Boyne, Pinguin



The Heart’s invisible furies – Who is Cyril Avery? John Boyne, Pinguin
Dies ist angeblich John Boynes ambitioniertestes Werk. Und genau das war mein Problem, ich hatte das Gefühl, daß der Autor zu viel auf einmal wollte und in diese 600 Seiten lange Lebensgeschichte zu viel hineinpacken wollte. Die Strafbarkeit von Homosexualität in Irland und ihre Verfolgung, anonyme Adoption, AIDS, Entwicklungsroman, Anne Frank, Katholizismus,…. Der Entwicklungsroman war dem Klappentext nicht zu entnehmen, lediglich die Entwicklung Irlands verknüpft mit der Identitätssuche des anonym adoptierten Cyril Avery. Ich mag einfach nur wenige Entwicklungsromane und dieser Teil des Romans machte mir wieder überdeutlich warum. Ich wollte das Buch zeitweise abbrechen und habe es nicht getan, weil eine Rezensentin mir Mut machte, daß es ab der Mitte besser würde. Das stimmte absolut. Aber auch wenn es sowohl anfangs, als auch gegen Ende viel besser wurde, kann ein Buch, daß ich stellenweise abbrechen möchte nicht über mittelmäßige 3 Sterne hinauskommen, auch wenn es kein mittelmäßiges Buch ist, es schwankt einfach zwischen 1 und 5 Sternen. Worum geht es wirklich?
Die blutjunge Catherin Goggins wurde kurz vor Ende des 2. Weltkrieges im erzkatholischen Irland schwanger. Als die Schwangerschaft der 16-jährigen offensichtlich wird, wird von der Familie verstoßen. Sie flüchtet nach Dublin und trifft schon unterwegs auf Sean MacIntyre, der in Dublin mit seinem Freund Jack Smoot zusammenziehen will. Eine schicksalhafte Begegnung, auf die die Geschichte immer wieder zurückgreifen wird. Nach der Geburt wird Cyril sofort von einer buckligen Nonnen den reichen Averys gebracht, die keine Kinder bekommen können. Dort wächst er im Wohlstand, aber lieblos auf. Mit 7 lernt er den gleichaltrigen umwerfenden Julian Woodbead kennen und entdeckt, daß er homosexuell ist, im Gegensatz zu Julian. Fortan träumt er von Julian, es wird über die Jahre geradezu zu einer unerwiderten Obsession. 7 Jahre später werden sie Zimmergenossen im Internat. Bei der ständigen Selbstbefriedigung träumt Cyril nur von Julian, der aber nicht von ihm. Seine Adoptivmutter ist mittlerweile verstorben und posthum die erfolgreichste Autorin Irlands geworden. Weitere 7 Jahre später hat Adoptivvater Charles ihm eine Stelle als Beamter im Bildungsministerium besorgt und Cyril lebt seine Homosexualtiät ständig heimlich mit Zufallsbegegnungen aus, was damals und noch viele Jahre später in Irland sehr gefährlich war.
Die Geschichte von Cyril wird in 7 Jahresabschnitten erzählt, die noch vor seiner Geburt beginnt. Diesen Abschnitt fand ich so grandios, daß ich das Buch meinem Vater zum Geburtstag schenken wollte, da sie heute nach Irland flogen. Zum Glück habe ich es nicht getan. Denn die darauffolgenden 14 Jahre der ständigen sexuellen Selbstbefriedigung und des schnellen flüchtigen Sex, mit jedem den man gerade fand, fand ich weder literarisch, noch sexuell befriedigend, sondern eher zäh. Auch wenn es zwischendurch mal nette Momente mit der unglaublich unsympathischen Verlobten Mary-Margrethe gab, die stets: That’s not my standard!“ von sich gab. Ich konnte ihr nur zustimmen. Cyril kam mir vor wie ein völlig passives whiny wimpy kid. Was die anderen in ihm sahen, verstand ich nicht, er ging mir einfach auf den Geist. So sehr, daß ich abbrechen wollte und ich den Humor auch nicht wirklich genießen konnte. Highlight waren für mich die steten Zufallsbegegnungen mit seiner wahren Mutter, die er natürlich nicht als solche erkannte. Diese ist einfach eine unglaublich starke und positive Person, von der Cyril sich ruhig eine Scheibe hätte abschneiden sollen. So wie sie, gibt es einige Schlüsselfiguren, die immer wieder in Cyrils Leben, teils auch durch unglaubliche Zufälle auftauchen und sein Leben kreuzen und das obwohl Cyril nicht sein Leben lang in Dublin bleibt, sondern nach Amsterdam und von dort nach New York flieht. Mit fortschreitendem Alter, läßt sein überbordender Sexualdrang nach und er entwickelt eine Persönlichkeit, was ihm gut zu Gesicht steht (ja, the catcher in the rhye, mochte ich definitiv auch nicht). Auch wenn Cyril immer noch recht passiv ist, entwickelt er doch einen sehr trockenen bissigen Humor, der gerade im Austausch mit Julians jüngerer Schwester Alice sehr witzig ist, umso mehr in den Passagen, in denen „Durchschnittsiren“ beteiligt sind, an denen die Entwicklung der letzten 60 Jahre völlig vorbei gegangen zu sein scheint und die immer noch auf dem Stand von „There are no homosexuals in Ireland“ stehen geblieben sind.
Gerade die Jahre, die Cyril durchlebt, die ich auch erlebte sind sehr treffend beschrieben. Die Borniertheit einiger Menschen, in vielerlei Hinsicht, auch was Bildung und Kultur angelangt, ist wirklich sehr treffend und humorvoll geschrieben. Nicht nur Cyrils Adoptivmutter Maude Avery ist eine erfolgreiche Autorin, sondern auch ein weiteres „Familienmitglied“ von Cyril wird auf diesem Gebiet brillieren, ein Anlaß sich immer wieder mit dem Thema Literatur und Erfolg als Autor zu beschäftigen. 
Am Ende findet Cyril dann doch noch das Glück. Es ist zwar etwas kitschig, aber auch ein sehr bewegendes Ende dieser über 70 jährigen Reise mit Cyril Avery.
John Boyne hat wirklich einen hervorragenden Stil. Der Autor wurde 1971 in Dublin geboren und las in seiner Kindheit Enid Blyton und sämtliche Narnia Bände, die ihn selbst zum Schreiben animierten. Ehe er am Trinity College in Dublin Literatur und später in Norwich kreatives Schreiben studierte. Ich konnte mich beim Schreiben nicht des Eindrucks entledigen, daß der Autor mit dem Schreiben dieses Buches seine eigenen Erfahrungen mit der Borniertheit der Gesellschaft seines Heimatlandes gegenüber Homosexuellen verarbeitetet hat. Ob dem so ist, weiß ich nicht, da ich hierzu nichts habe finden können. Glücklicherweise ist dies hier und heute nicht mehr der Erwähnung wert, wie ein Autor sexuell orientiert ist.
Ein Buch voller Höhen und Tiefen. Das ist teils furchtbar, teils großartig fand, das polarisiert und Anlass zu Diskussionen gibt, einen aber definitiv nicht kalt läßt. Wegen der Passagen, an denen ich die Lektüre fast abgebrochen hätte: 3 von 5 Sternen.

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