Lange Schatten, der vierte Fall für Gamache, Louise Penny, gelesen
von Hans-Werner Meyer, 8 CDs, 11 h 1 min. gekürzt
Wie jedes Jahr zu ihrem Hochzeitstag am kanadischen
Nationalfeiertag 1. Juli fährt Armand Gamache, Leiter der Mordkommission der
Sûreté du Québec mit seiner geliebten Ehefrau Reine-Marie in das Manoir
Bellechasse. Das Luxushotel von zurückhaltender Eleganz und Solidität, das
einst eine riesige Jagdhütte inmitten der kanadischen Wildnis war, ist ein
Geheimtipp, und trotz seiner Vergangenheit das Töten streng verboten. Dieses
Jahr ist es leider nicht so idyllisch wie in den 25 Jahren zuvor. Bis auf ihr
Zimmer, sind alle anderen mit Mitgliedern der seit Jahren zerstrittenen Familie
Finney belegt. Zu Ehren des verstorbenen Patriarchen soll eine Statue mit
seinem Konterfei im Garten errichtet und eingeweiht werden. Die Einweihung
fällt leider aus, da die Gärtnerin unter ihr begraben, eine von der Statue
erschlagene Tochter der Familie findet. Doch es war kein Unfall, sondern Mord.
Die Stimmung kippt und wird nun alles andere als gemütlich. Auch Gamache wird
offen angefeindet, ihn wurmt vor allem, wie denn eine so schwere Statue
überhaupt hatte umkippen können. Ohne schwere Geräte, war dieser Koloss nicht
zu bewegen, oder? Gamache tappt im Dunkeln und fürchtet, das das Motiv für
diese Tat schon Jahrzehnte zurückliegt.
Ein schier unmöglicher Mord und das auch noch außerhalb von Three
Pines! Ich hatte ja zu Beginn befürchtet, dass dieser Fall ganz ohne die
liebgewonnen, sehr eigenwilligen Charaktere aus dem verborgenen Dörfen
auskommen muss, aber nein, dem ist nicht so. Wer gründlich gelesen hat,
bemerkt, dass sowohl das Hotel, als auch Three Pines tief in den Wäldern von
Québec liegen und somit gar nicht so weit von einander entfernt. Dennoch spielt
der Ort mit den meisten seiner Bewohner eine untergeordnete Rolle, allerdings
bringt der Briefträger schweren Herzens eine Einladung für die ungeliebte
Familienfeier im Manoir Bellechasse in eines der Häuser im Ort, ohne zu verraten,
an wen diese adressiert ist. Dies ist einer der schriftstellerischen Kniffe der
Autorin. Sie streut kleine Hinweise, die einen ins Grübeln bringen, wenn man
sie aufschnappt und auf deren Auflösung man gespannt ist. Andere vergisst man
im Laufe des Hörens wieder, nur um am Ende festzustellen, dass sie doch
relevant für die Lösung des Falles waren.
Die Stärke der Reihe liegt ganz eindeutig in den
Charakterbeobachtungen. So gibt es in der versammelten Familie lediglich 1
Kind. Bean, 10 Jahre alt, über das ein scharfer Beobachter bemerkt: „Bean kann
nicht hüpfen“. Gamache trifft diese Bemerkung, seine rechte Hand versteht sie
nicht. Ein Gedanke an meine zehnjährige Tochter und ich bin geschockt, denn
selten gehen Kinder in dem Alter, sie springen, hüpfen, tänzeln,
schleichen..... Solche Beobachtungen führen Gamache auch letztlich zur Lösung
einer scheinbar unmöglichen Tat. Wie um alles in der Welt sollte es ein Mensch
mit bloßen Händen schaffen, einen so schweren Stein zum Kippen zu bringen? Die
Familie ist viel zu zerstritten, um die Tat gemeinsam zu begehen und warum
ausgerechnet sie? Je mehr Gamache nachdenkt und in der Vergangenheit wühlt,
desto mehr Gründe für einen Mord entdeckt er, wenn auch nicht an diesem Opfer,
sondern an den noch Lebenden.
Doch das ist nicht alles was ihn beschäftigt. Sein Sohn Daniel
wird erneut Vater und teilt ihm den Namenswunsch mit, falls es ein Sohn würde.
Gamache ist entsetzt und muss sich seiner eigenen Vergangenheit und Ängste
stellen. Dabei tritt ein weiterer Gast als Katalysator auf, denn er ist seinem
Vater begegnet und erzählt von dieser Bekanntschaft. Das führt nicht unbedingt
dazu die Stimmung zwischen dem Ermittler und den Gästen zu entspannen und
vermag scheinbar den Leiter der Mordkommission zu sehr von der Aufgabe vor Ort
abzulenken.
Es ist ein ruhiger Krimi, fernab von Handynetzen, in einer Art
Zeittunnel zurück in der Vergangenheit. Denn auch wenn das Manoir Bellechasse
mit jeglichem analogen Komfort ausgestattet ist, so sind die Wälder doch ein
einziges Funkloch, der digitale Fortschritt ein Fremdwort. Das entschleunigt
und bringt Zeit zum Nachdenken, dabei drängt die Zeit, sollte der Täter sich in
die Enge gedrängt fühlen.
Denken ist das zentrale Motiv der Reihe, keine minutiöse
forensischen Analysen, keine ausführliche Leichenbeschau, keine unappetitlichen
Szenen, die man nicht unbedingt beim Kochen hören möchte.... Kultiviert und
gebildet, mag der aufmerksame Hörer eventuell noch einiges lernen. Ich mag die
Reihe mit jedem Fall mehr, je mehr ich von Familie Gamache erfahre und die
Arbeit der Mordkommission kennenlerne...
Hans-Werner Meyer höre ich sehr gerne. Er klingt gepflegt,
besonnen, kultiviert und unaufgeregt, genau wie Gamache. Interessanterweise
sind es nicht die weiblichen Interpretationen, die ich bei ihm nicht so mag,
sondern die einiger Männer. Beauvoir, die rechte Hand des Chefinspektors klingt
immer leicht näselnd und überheblich, dabei ist er kein übler Kerl. Pierre
Pattenod der Maître de mit seiner zurückhaltenden Eleganz eigentlich sympathisch,
aber auch er klingt bisweilen etwas ältlich trottelig, obwohl er doch stets
fast alles im Griff zu haben scheint. Wirklich stören tut mich aber Peter und
das wird mit uns beiden wohl nichts mehr werden. Bislang sollte er wohl ein
sympathischer Charakter sein, auch wenn er Gamache hin und wieder zu
fragwürdigen Äußerungen hinreißt, für mich klingt er aber stets trottelig! Mein
Liebling war bislang Ruth Sardo, die spitzzüngige Dichterin und auch wenn ihr
Auftritt diesmal nur kurz ist, ist er nicht weniger gelungen. Dafür brilliert
Hans-Werner Meyer als Eliane Finney, die herablassende, Familienobere mit der
giftigen Zunge. Jeder bekommt seine eigene erkennbare Stimme.... Als Hamburger
ist er vielleicht des Franzsösichen nicht so mächtig, da ich mir sicher bin,
dass einige Namen anders ausgesprochen werden, aber wer weiß das bei
Franco-Kanadiern schon so genau?
Ein kniffeliger Fall, wobei ich die Reihe mit jedem Fall lieber
mag, da für mich Armand Gamache immer mehr an Profil gewinnt. Auch wenn dieser
Band bereits 2008 erstmals in Kanada erschien, mindert dies nicht seinen Reiz,
da es nicht um technische Finesse, sondern um Esprit geht und der ist zeitlos!
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Der Audio Verlag für mein
Wunschhörbuch zum #zuhausehören
Hier findet Ihr die Hörprobe:
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