Ich denke, daß ich mir sicher bin – Bertholt Brecht vor dem Ausschuß für unamerikanische Umtriebe, Hörspiel, audiolino Verlag
Im
kalten Krieg war die Panik der Amerikaner vor kommunistischen
Einflüssen ähnlich wie heute vor Terroranschlägen. Aus Angst vor
kommunistischer Beeinflussung durch die Film- und Kinoindustrie,
machte der „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ Jagd auf
vermeintlich kommunistische Gesinnungstäter. Vor diesen Ausschuss
für unamerikanische Umtriebe wurden glühende Anti-Kommunisten wie
Walt Disney geladen, aber auch am 30.10.1947 Berthold Brecht. Aus
diesem Protokoll, wurde bereits in den 80er Jahren ein Bühnenstück
inszeniert. Nun wurde es komplett neu übersetzt, um aus dem
dokumentarischen Hörstück ein beklemmendes Kammerspiel zu
entwickeln.
Auch
wenn dem deutschen Autoren keine Gelegenheit gegeben wurde, sein
verfasstes Statement öffentlich zu verlesen, so ist dieses Protokoll
seines Verhörs, denn es ist mehr ein Verhör, als eine Vernehmung,
auch heute noch ein packendes Zeitzeugnis und flammendes Plädoyer
für die künstlerische und Meinungsfreiheit, eingeschränkt im Land
der unbegrenzten Möglichkeiten.
Dieses
Hörspiel ist ein Zeitzeugnis in Form einer Gerichtsverhandlung. Es
empfiehlt sich also für Hörer, die Justizkrimis mögen, politisch
oder historisch interessiert sind. Es ist keine nette Unterhaltung,
die man an sich vorüber plätschern lässt. Dafür demonstriert es
in unter einer Stunde, die sprachliche Brillanz des deutschen
Dramatikers.
Berthold
Brecht war als Flüchtling Gast in den USA und wollte daher als Gast
möglichst mit den Behörden kooperieren. Die Form der Fragestellung,
mit Unterstellungen, verzerrten Darstellungen, unzutreffenden
Übersetzungen und aus dem Kontext gerissenen Texten, machten es
Berthold Brecht bisweilen sehr schwer, alle Fragen unbefangen zu
beantworten. Man spürt Stephan Schad deutlich an, wie sich Berthold
Brecht unter der Fragestellung und deren sprachlichen Fassung wand.
Er, der die Präzision und Schönheit der Sprache liebte, sollte mit
ihrer Hilfe gerichtet werden. Sein Ankläger Stripling war gnadenlos.
Auch wenn Brecht nicht die Möglichkeit gegeben wurde, sein
vorbereitetes Statement zu verlesen, so nutzte er die sprachlichen
Möglichkeiten, die er in einer fremden Sprache hatte, um für
politische Offenheit und künstlerische Freiheit zu plädieren, um
auf den zeitlichen Kontext seiner Werke zu Zeiten
nationalsozialistischer Unterdrückung des freien Geistes
hinzuweisen.
Mit
seiner emotionalen Ohnmacht und seiner vorübergehenden
Sprachlosigkeit, verdeutlicht Brecht aber auch den Wert einer guten
und wohlwollenden Übersetzung. Bei einigen Übersetzungen musste er
entsetzt feststellen, dass sie sinnverzerrt übersetzt wurden, im
Sinne einer politischen Propaganda, die er in dieser Form nicht im
Sinn hatte. Er schien aber auch bisweilen seine Ankläger
intellektuell zu überfordern, wenn er ihnen die Ideen erklärte, auf
denen einige seiner Stücke basieren. Während des Hörens erinnerte
ich mich an meine Schulzeit, in der wir „der gute Mensch von
Sezuan“ durchnahmen, welches auch Elemente des chinesischen
Theaters aufgreift. Damals fand ich es ziemlich nervig. Die
Erläuterungen Brechts vor dem Ausschuss für unamerikanische
Umtriebe, fand ich aber durchaus interessant.
Am
meisten hat mich allerdings seine Weitsicht beeindruckt, mit welcher
er immer stets zu wissen schien, wann es an der Zeit war ein Land zu
verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen.
Die
Sprecher sind allesamt hochqualifizierte Schauspieler die die
Emotionen, die in diesem Vernehmungssaal herrschten richtig hörbar
machen. Die Verzweiflung Brechts (Stephan Schad), sein sich Winden
geht einem richtig unter die Haut, während der Ankläger Stripling
(Lutz Herkenrath) unerbittlich eine Unterstellung nach der anderen
auf ihn abfeuert. Man fühlt sich beim Hören, als säße man selbst
in einem Gerichtssaal und würde gerade befragt (ich weiß wovon ich
schreibe, ich habe dieses Hörspiel auf den Weg in und aus dem
Zeugenstand im Strafverfahren gehört ;) Allerdings habe ich mich
nicht politisch verfolgt fühlen müssen.).
Im
Booklet ist ein Teil der Protokolls in der Übersetzung abgedruckt.
Dazu sind gibt es Infos zur historischen Situation, biografische
Infos zu Bertholt Brecht und Chef-Ermittler Stripling, der ein faires
Verfahren versprach aber nicht bot. Stripling war unglaublich gut
vorbereitet und konnte offensichtlich auf Erkenntnisse des FBI zurück
greifen, doch Brecht stand ihm in nichts nach und zeichnete die
Befragung heimlich auf (wie cool ist das denn, denn 1947 konnte man
nicht mal eben ein Handy mitlaufen lassen.)
Ein
historisch, sprachlich und politisch unglaublich faszinierendes
Hörbuch, daß auch intellektuell begeistert. Auch wenn es nicht sehr
lang ist (nur 57 Minuten), hinterlässt es einen bleibenden Eindruck
und ist absolut hörenswert.
Ich
bedanke mich ganz herzlich beim audiolino Verlag für diese
intellektuelle und emotionale Anregung!
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