Drei Schritte zu Dir, von Rachael Lippincott mit Mikki Daughtry und Tobias
Iaconis, gesprochen von Maximiliane Hacke und Dirk Petrick, DAV, 1 MP3 6 h 57 min ungekürzt
Stella Grant ist sehr hübsch mit ihren langen braunen unbezähmbaren Locken
und ihrer zerbrechlichen Gestalt. Wäre da nicht dieser Sauerstoffschlauch in
ihre Nase, der ihr das Atmen erleichtern soll, denn ihre Lunge bremst sie aus.
Sie hat von Geburt an Mukoviszidose, ihre Lunge verschleimt, unaufhaltsam. Sie
hat keine Chance alt zu werden. Das ist ihrer Familie absolut klar und daher
tut Stella alles, um mehr Zeit zu bekommen. Sie hält sich penibel an alle
Therapiepläne, ist eine Musterpatientin, so wie sie auch in der Schule versucht
bei allem dabei zu sein, aber bitte mit Plan! Das Krankenhaus ist ihre zweite
Heimat und wenn sie dort wieder einziehen muss, hofft sie ihren besten Freund
Pau zu treffen, der dort wie sie Stammgast ist. Sie teilen dort fast alles
zusammen, aber nur über ihre Computerbildschirme, denn Mukopatienten müssen
immer auf Abstand bleiben, um Querinfektionen zu verhindern. Doch dann taucht Will (fast 18) auf der Station auf, er
pfeift auf die Regeln, wozu auch, er ist dem Tode geweiht. Er ist seit einer Infektion
mit einem resistenten Keim von jeder Transplantationsliste gestrichen worden.
Seine Rebellion bringt Stella auf die Palme, doch sein Charme und seine Augen
ziehen sie an. Dennoch könnte jede Berührung tödlich sein. Sie müssen 2 Meter
Abstand halten und dann noch Infektionsschutzkleidung tragen! Zwei wie Feuer
und Wasser, die nun da sie einander kennen ,ein ganz anderes Verständnis für
die Zeit, die ihnen bleibt entwickeln.
Stella liebt und bewundert ihre kreative große Schwester Abby über alles!
Sie selbst ist zwanghaft strukturiert und hat sogar eine App entwickelt, um
ihre Behandlung zu optimieren! Wills Einstellung passt da so gar nicht! Als ich
in der 12 war, traf ich einen Mukoviszidose-Kranken im Abitur. Er trank, er
rauchte, er kiffte, ich war erstaunt. Seine Schwestern hatten die gleiche
Krankheit, hielten sich an alle ärztlichen Ratschläge und die Älteste ist
trotzdem keine 30 Jahre alt geworden. Ich habe Stellas Empörung verstanden,
aber in Kenntnis eines realen Betroffenen, hielt ich auch Will für sehr real
und nachvollziehbar. Die Wut sein Leben nicht in Krankenhäusern zu
verschwenden, während Stella sie als zweite Heimat akzeptierte und sich dort
ein Leben neben dem Leben einrichtete, ist fesselnd. Eine Krankheit, zwei
Herangehensweisen – doch gibt es da richtig oder falsch? Keiner von beiden hat
jedoch mit dem Leben gerechnet und mit der Liebe. Aber es ist kein Kammerspiel
mit nur zwei Personen. Man lernt auch Stellas Familie und Freunde, Wills Mutter
und Freunde, Pau und das Krankenhauspersonal kennen. So werden beide real, zu
Menschen statt Patienten. Das Bedürfnis gehalten zu werden, wird gerade in
Krisen und in der Liebe übermächtig, doch es würde für sie den sicheren Tod
bedeuten. Es schmerzt schon diese Sehnsucht zu hören! Irgendwann überstürzen
sich die Ereignisse und Stella gelangt an einen Wendepunkt. Was will sie und
wofür? Macht all ihre akribische Planung Sinn? Sehr emotional beginnt man sich
mit Stella zu fragen, was es eigentlich ist, was wir am Leben lieben. Was
treibt uns an? Man beginnt mit den beiden zu bangen und zu hoffen, doch worauf
eigentlich, denn die Diagnose ist früher oder später immer ein Todesurteil.
Doch es ist ein Jugendbuch. Auch wenn ich während des Hörens zwischenzeitlich
pausieren musste, weil es mich zu sehr packte. Eine emotionale Geschichte mit
höchsten Höhen und tiefsten Tiefen, die wirklich unglaublich traurig sind, doch
endet diese wunderschöne Liebesgeschichte nicht mit Tränen der Trauer.
Sehr gut hat mir übrigens die angesprochene Problematik gefallen, wie junge
Patienten sich gegenüber ihren zukünftigen Hinterbliebenen fühlen. Welche
vorauseilenden Schuldgefühle sie plagen, weil sie wissen, daß ihr sicherer
früher Tod, ihre Familien in Verzweiflung stürzen wird. Vielschichtig regt
diese Liebesgeschichte auch zum Nachdenken an.
Die Geschichte von Stella und Will wird aus wechselnden Perspektiven
erzählt. Mal aus ihrer, mal aus seiner Sicht. Von daher gibt es mit Maximiliane
Häcke und Dirk Petrick auch zwei junge Sprecherstimmen. Maximiliane Häcke
klingt jung, entschlossen und dann auch wieder ganz zerbrechlich. Ihre Stimmung
schwingt in ihrer Stimme mit, mit allen Höhen und Tiefen. Sie gefällt mir
ausgezeichnet in ihrer Darstellung der bisweilen hin- und hergerissenen Stella.
Dirk Petricks Stimme ist den Zuhörern vielleicht schon als Cole aus der
Erfolgsserie Riverdale bekannt. Sie klingt unheimlich sympathisch und macht es
daher verständlich, daß sich Stella, trotz seines anfänglich unmöglichen
Verhaltens, in ihn verliebt. Man hört schon, daß mehr in Will steckt, als er
zunächst zeigt.
Das Cover wird übrigens von einer der Zeichnungen von Stellas älteren
Schwester Abby geziert, und stellt eine gesunde Lunge dar. Im Inneren der
Klapphülle sind Filmszenen zu sehen, die Stella und Will ein Gesicht geben.
Diese Zeichnung hängt Stella jedes Mal auf, wenn sie wieder „ihr“
Krankenhauszimmer bezieht.
Ich hoffe, daß nachdem Kinoerfolg die Bereitschaft zu Organspenden wieder
steigt, denn auch wenn die Spenderorgane den Empfänger nicht heilen, so
schenken sie ihm doch kurze aber kostbare weitere Jahre, für die er sehr
dankbar sein wird.
Eine berührende Geschichte, die ich aus vollem Herzen empfehle.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei dem DAV – der Audio Verlag für dieses
ersehnte Hörexemplar.
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