NSA – Nationales Sicherheits-Amt, Andreas Eschbach, Lübbe Verlag
Wenn man die amerikanische NSA mal ins Deutsche übersetzt klingt es doch
ziemlich nach Nazi-Deutsch. Dies hat sich Autor Andreas Eschbach
nachvollziehbar gedacht und dann überlegt, was wäre denn gewesen, wenn schon
die Nazis damals die Überwachungsmöglichkeiten der heutigen Geheimdienste
gehabt hätten, wäre der Krieg anders ausgegangen?
Schon zu Zeiten des Kaiserreiches wurde in Weimar, ohne große
Bekanntmachung in der Öffentlichkeit, die unbekannteste Behörde überhaupt
gegründet. Das Nationale Sicherheits-Amt. Dort stehen in riesigen Hallen
Datensilos (-speicher) in denen die Daten die durch die Komputernetze
Deutschlands fließen gespeichert werden. Nichts wird vergessen, alles kann gefunden
werden, was jemals durch die Datenkabel floss. Man muß nur wissen wie man es
sucht! Suchprogramme zu schreiben ist ganz klare Frauenaufgabe, dabei muß man
immerhin genauso gründlich und gewissenhaft sein, wie bei der Hausarbeit,
während die Herren in der Behörde die Daten analysieren. Die unscheinbare
Programmiererin Helene Bodenkamp, Tochter des regimetreuen, renommierten
Chirurgen Dr. Bodenkamp, ist die begabteste Programmiererin des Amtes. Sie kann
sich unglaublich schnell und logisch in die Strukturen des Netzes hineindenken.
Eine Fähigkeit, die auch schon bald dem Behördenleiter auffällt, der sie daher
gerne für Spezialaufträge mit einem ebenso gewieften wie skrupellosen Analysten
Eugen Lettke, einsetzt. Eugen Lettke ist völlig skrupellos und verfolgt stets
eigene Ziele, die manchmal auch dem Staate aus Zufall dienen. Während Helene
langsam aber sicher Zweifel an ihrem Tun und den Folgen der totalen Überwachung
bekommt, denn diese droht ihr streng gehütetes Geheimnis zu offenbaren.
Der Anfang ist mir nicht ganz leicht gefallen. So viele Personen, die
irgendwie in Verbindung zu einander standen. Langsam haben sich dann doch 2
Hauptpersonen herauskristallisiert, aus deren Sicht jeweils die Geschichte, die
hauptsächlich in den Jahren 1941/42 spielt, als die Amerikaner in den II.
Weltkrieg eintraten, dargestellt wird. Dabei verhält es sich mit Helene und
Lettke ein wenig wie in Amerikanischen Krimiserien „good cop und bad cop“.
Helene ist ganz eindeutig die Sympathieträgerin in diesem packenden Werk, das
geeignet ist, beim Leser eine Paranoia heraufzubeschwören. Denn auch wenn die
Geschichte in der Vergangenheit spielt, ist sie doch durch ihre Aktualität,
hoch brisant. Auch heute kann jeder mitlesen, was wir im Netz tun, oder
mithören, was wir in unseren Privaträumen sprechen über Telefon oder Handy, von
den Webcams und ihren Möglichkeiten ganz zu schweigen! Ganz klar ist Lettke ein
absoluter Unsympath, der stets nur nach seinem eigenen Vorteil strebt, doch er
ist nicht dumm und sieht den Staat und seinen selbsternannten Führer durchaus
kritisch. Viele seiner Gedanken haben mich schmunzeln lassen, weil ich mich als
Kind auch immer wieder gefragt habe, wie die Menschen damals nur auf so einen
Typen reinfallen konnten, der seinen eigenen Anforderungen so gar nicht
entsprach, ebenso wie die um ihn versammelte Führungsriege. Das lässt sich wohl
wirklich nur durch Charisma erklären, einem Merkmal, daß so habe ich mal
gelesen, typisch für Soziopathen ist. Auch wenn viele seiner Gedanken
selbstsüchtig, uncharmant und abstoßend sind, so kann man ihnen oft den
Scharfsinn nicht absprechen. Dies macht für mich seinen Charakter so
interessant und führte dazu, daß Helene und Lettke während fast 800 Seiten der
Lektüre mir stets auch im Alltag präsent erschienen. Vieles aus dem Buch stimmt
nachdenklich und lässt einen auch Bangen, wenn man bedenkt, welche
Möglichkeiten den derzeitigen Regierungen zur Verfügung stehen, ohne daß die
Regierenden nun immer sonderlich demokratisch oder moralisch wären.
Ich hatte ja angesichts des Buchumfangs befürchtet, daß es sicherlich an
einigen Stellen ratsam wäre, das Buch zu kürzen. Aber Andreas Eschbach ist es
immer wieder gelungen unerwartete Wendungen einzubauen, die einem die üppige
Lektüre wirklich schmackhaft macht. So konnte ich mit der Lektüre, sobald ich
mal in die Handlung hineingefunden hatte, auch nicht mehr aufhören. Es ist
unglaublich packend und hätte daher trotz der Startschwierigkeiten von mir 5
von 5 Sternen erhalten, doch lässt mich leider das Ende etwas ratlos zurück. Es
ist kein offenes Ende, aber eben weit von dem entfernt, was ich mir gewünscht
hätte, ein Ende das eines Camus würdig wäre, aber der ist nunmal nicht mein
Lieblingsexistentialist. Schon die letzten rund 70 Seiten sind mir etwas aufs
Gemüt geschlagen. Denn da ja die Prämissen der damaligen Zeit geändert wurden,
weiß man während des Lesens nie genau, wie denn der 2. Weltkrieg in diesem Fall
ausgehen wird. Man ist sich während des Lesens nicht unbedingt sicher, daß es
gut ausgehen wird. So werden alle losen Enden schlüssig zusammengeführt und es
ist definitiv kein rosarotes Hollywoodende, aber leider auch keines, das mich
glücklich macht. Daher trotz brillanter 700 von 800 Seiten „nur“ 4 von 5
Sternen.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Lesejury für diese Möglichkeit an
der Vorableserunde mit Autor teilnehmen zu dürfen und bei Andreas Eschbach, der
bereitwillig die ihm gestellten Fragen beantwortete.
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