Das Mädchen, das im Buchladen gefunden wurde, Sylvia Bishop, Ilka
Teichmüller, Argon Verlag
Mit 5 Jahren betrat eine Familie den Buchladen von Netty Miller und
verlässt ihn, ohne ihre Tochter. Nettys Sohn Michael, der nur wenige Jahre älter
ist, findet sie und stellt sie in das Regal für Fundsachen bzw. „Lost Property“
denn die Geschichte spielt in England. Als Netty sie dort entdeckt, nimmt sie
sie herzlich bei sie auf und weil ihnen kein besserer Name einfällt, heißt das
Mädchen fortan Property. Property schließt Netty und Michael sofort in ihr Herz
und traut sich daher nicht, zuzugeben, daß sie mit 5 Jahren noch nicht Lesen
und Schreiben kann (in England beginnt die Schule ja viel früher als bei uns).
Sie liebt ihr Leben, doch als gute Beobachterin, merkt auch sie, daß es mit dem
Buchladen bergab geht und ihr Leben immer ärmlicher wird. Da entdeckt Netty in
der Zeitung, daß Mr. Montagomery seinen legendären Buchladen „Montgomerys
Bücherparadies“ in London verlost. Warum sollte man so einen traumhaften
Buchladen einfach verschenken, Property wundert sich. Als sie bei dieser
Lotterie auch noch gewinnen und in den neuen Laden einziehen, wird es immer
mysteriöser und das liegt nicht nur an der eigenwilligen Katze, die es als
Beigabe obenauf gibt.
Diese Geschichte hat meine 9-jährige Tochter auf Anhieb fasziniert. Sowohl
der Name Property, als auch sein Kind in einem Buchladen und vergessen und es
dann ins Regal zu den Fundsachen zu räumen! Na sowas! Ich finde das als
Gedanken ja furchtbar traurig und auch andere Erlebnisse, die nun folgen, finde
ich eher schwermütig, z.B. daß Familie Miller sich die Beheizung des Buchladens
nicht mehr leisten kann und daher ohne Ende Tee kocht und auch an die Kunden
verteilt. Aber sie hat Recht. Auch wenn sie immer ärmer werden und die
Verhältnisse immer schwieriger, so haben sie doch einander und das Reich der
Wörter, der Geschichten, der Bilder und der Fantasie! Da Property nie gelernt
hat zu lesen (was mich persönlich schon gewundert hat, daß Michael und Property
anscheinend nie in die Schule gehen) ist sie eine ausgezeichnete Beobachterin.
Mit ihrem wachen Geist reimt sie sich einiges zusammen und stellt Fragen, die
sonst anscheinend niemandem in den Sinn kommen. Natürlich lässt Property die
Zuhörer an ihren Fragen und Verwunderungen teilhaben, so daß man sich mit ihr
wundert und auf alles gefasst ist. Na ja, nicht ganz auf alles, denn was da
letztendlich auf sie zu kommt, kann man nicht erwarten und vorher sehen, denn
das legendäre „Montgomery Bücherparadies“ ist beispiellos, ebenso wie die
dunklen Machenschaften, die sich um dieses ranken. Das ist sehr aufregend und
geheimnisvoll! Doch Property ist in ihrer Grundeinstellung so positiv und Ilka
Teichmüllers Stimme so warm, daß meine sehr empfindsame jüngste Tochter, die
sich bisweilen bei CD's für 4 oder 6 – Jährige gruselt, jederzeit vollstes
Vertrauen in den guten Ausgang der Geschichte hatte, daß sie sie gleich zum
Einschlafen gehört hat.
Es ist eine sehr ungewöhnliche Geschichte. Sehr atmosphärisch, etwas
märchenhaft, etwas magisch und auf jeden Fall sehr fantastisch, ohne gleich
Fantasy zu sein, aber eben sehr fantasievoll. Das Gefühl, diese Geschichte
irgendwo schon mal gehört zu haben, so ungefähr, überkommt einen nie. Dabei
kann man bisweilen herrliche Zitate genießen und eine malerische Sprache.
Ebenso sympathisch wie Property sind auch Netty Miller und ihr Sohn
Michael, die das Findelkind ganz selbstverständlich bei sich aufnehmen und das
wenige teilen, was sie haben. Bei aller Traurigkeit über den Verlust ihrer
Familie, aber auch wieder sehr beruhigend, denn Property fühlt sich sehr
geborgen. Nicht jedoch, wenn die Schurken auftauchen, aber da wollen wir ja
nicht vorgreifen.... Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die nicht nur für
Bücherfans und Leseratten gedacht ist, sondern auch für Fans geheimnisvoller
Spannung.
Ilka Teichmüller ist Theaterschauspielerin und Sprecherin für Funk,
Fernsehen und Hörbücher. Den Gedanken ein Kind in einem Buchladen zu vergessen
fand ich ja sehr traurig, als meine Tochter sich das Hörbuch wünschte, aber als
ich las, daß Ilka Teichmüller es einliest, war ich dann einverstanden. In „Das
Wolkenschloss“ gefiel sie mir persönlich noch besser, als in dieser Geschichte,
doch laufen im Grand Hotel aber natürlich noch viel mehr Menschen herum, als
selbst in Mr. Montgomerys Bücherparadies und somit mehr Möglichkeiten seine
Wandlungsfähigkeit zu präsentieren. Warm und voll ist ihre Stimme aber auch
hier, weswegen meine Tochter stets ein wohlig warmes Gefühl beim Zuhören hatte,
auch wenn es gerade sehr spannend war.
Sylvia Bishop studierte an der Universität von Oxford und ist nun als
Kabarettistin Teil des Duos „The Peablossom Cabaret“. Ihre Ideen für
Geschichten schreibt sie am liebsten bei einer Tasse Tee und schummrigen Licht
nieder. Wir wünschen ihr sehr, daß sie sich eine funktionierende Heizung
leisten kann, anders als Familie Miller.
Dieses atmosphärisch dichte Hörbuch hat den Nerv meiner Tochter getroffen,
die sich nicht mit so lästigen Fragen abgibt wie: warum ist das Jugendamt nicht
eingeschaltet worden? Warum kann sie immer noch nicht lesen? Für die Magie
dieser Geschichte sind solch pragmatische Fragen wenig förderlich, denn sie
lebt von der Fantasie. Wer „Penelop und der funkenrote Zauber“ und ähnliche
Hörbücher mag ist hier goldrichtig und wird sicherlich verzaubert werden.
Märchenhafte Spannung ab 8 Jahren, der meine Tochter gerne 5 von 5 Sternen
gibt.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Argon Verlag, für dies 2 Stunden und 40
Minuten ungekürzter Hörfreude.
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