Teufelsfarbe – Ivonne Hübner, Dryas Verlag
Sommer 1498: Der Bauer Alois Rieger und der Schmied Bertram Wagner
entwickeln unter dem Schutz des örtlichen Junkers Christoph von Gerßdorff eine
eisenbeschlagene Egge, die den Landbau erleichtern soll. Doch nicht alle freuen
sich über diesen Fortschritt, viele halten die Egge, die ihnen die Arbeit
erleichtert für ein Teufelswerk. Die Dorfbevölkerung beäugt sie mißtrauisch,
der Pfarrer wettert lauthals und reißt die Gemeinde mit sich. Die Familien
Rieger und Wagner werden nun trotz des Erfolges sozial ausgegrenzt. Als die
Familie Wagner nun von einem Schicksalsschlag nach dem anderen heimgesucht
wird, bis nur noch die jüngste Tochter Margarete überlebt, fühlen sich Pastor
und Dorfgemeinschaft bestätigt.
Im Frühsommer 1508, an ihrem 18. Geburtstag
wird Margarete Wagner mit dem stoffeligen, aber gutaussehenden Bauern Christoph
Rieger vermählt. Er hat sie aus dem Armenhaus geholt, wo sie nach dem Tod ihrer
Mutter lebte, um an ihre Mitgift, das Grundstück rund um die abgebrannte
Schmiede zu gelangen. Denn wie sein Vater, hat auch Christoph große Pläne und
für die benötigt er Geld! Es ist es leid von der Hand in den Mund zu leben und
von den Launen der Natur abhängig zu sein. Statt des traditionellen Roggens,
will er den Färberstoff Waid anbauen. Das gab es in dieser Gegend noch nie! Die
Bauern sind empört, das gab‘s noch nie und kann daher nichts Gutes bedeuten.
Sie versuchen mit allen Mitteln Christoph von seinem Plan abzubringen, während
Margarete versucht sich mit dem von ihr seit ihrer Kindheit gefürchteten
Christoph zu arrangieren. Was sie nicht ahnt: der Junker hat Bedingungen an die
Erprobung des Waidanbaus gestellt und diese scheint sie nicht erfüllen zu
können.
Dieses Buch beginnt mit einem Prolog. Auch wenn ich das Gefühl habe,
daß Prologe gerade schwer in Mode sind, so ist dieser Prolog kein Kunsttrick,
um Spannung zu erzeugen oder den Leser zu verwirren, nein, er ist wirklich
nötig und trägt sehr zum Verständnis der Beziehung zwischen den Protagonisten
Christoph und Margarete und auch den Anfeindungen aus dem Dorf bei, da dieses
Misstrauen bereits aus der Generation ihrer Väter stammt und auf die Kinder
übertragen wird. Sie sehen in Christophs Plänen quasi die Bestätigung, das das
Böse (eigentlich nur der Fortschritt) der von ihren Vätern begonnen wurde, nun
von Christophs Visionen noch getoppt wird. Fortschritt, Aufklärung,
Forschergeist, nicht in Horka! Dort soll alles so bleiben, wie es immer war und
es dem Pfarrer gefällt!
Die Macht der Geistlichkeit über die Gemeinde wird sehr
eindrucksvoll dargestellt. Man beachte, daß Luther bereits seine Thesen
angeschlagen hat und Gutenberg den Buchdruck erfunden. Dennoch ist die
Landbevölkerung strikt gegen jeglichen Fortschritt, hängt aber jedem, aus
heutiger Sicht, irrsinnigen Aberglauben nach. Während sämtliche Heilige,
Bauernregeln und böse Omen bekannt scheinen, ist der Geist der Aufklärung noch
nicht in Horka eingezogen. Margarete, die als einzige dem scheinbaren
Familienfluch nicht zum Opfer fiel wird misstrauisch beäugt.
Wer glaubte, eine
Zeitreise wäre ein tolles Abenteuer, in diese Zeit sollte er besser nicht
reisen! Das Elend, die Armut und die Engstirnigkeit ist für heutige Verhältnisse
eigentlich unvorstellbar (klar, für Kenner der damaligen Zeit oder regelmäßige
Leser historischer Romane schon) und den Menschen heute eigentlich gar nicht
aktiv bewußt. So erwartet Margarete ein liebloses Schicksal der sozialen
Ächtung ohne große Hoffnung und doch schleichen sich Gefühle ein, die sie nie
erwartet hat, wenn auch nicht ganz unbelastet.
Auch wenn der Klappentext diesen
Roman als Christophs Geschichte darstellt, ist es doch eigentlich die von
Margarete oder vielmehr ihrer ineinander verwobenen Schicksale. Sehr
eindringlich wird die Situation der Erbbauern geschildert, dieses Leben, voller
Leid und Entbehrung und allenfalls Hoffnungen auf ein Fünkchen Glück. Hier wird
nichts geschönt, von Kitsch keine Spur, das hat mich ergriffen und ich habe mit
Margarete gelitten. Doch war mir durch die Art der Schilderung der Autorin
Ivonne Hübner klar, daß diese Geschichte eventuell kein gutes Ende nehmen mag.
Zu unvorhersehbar waren die Entwicklungen, wo sollte das Happy End herkommen,
wollte die Autorin nicht unglaubwürdig werden? Ich fragte mich stets: Was hält
das Schicksal als nächstes für Margarete bereit?
Allerdings hätten einige
Beschreibungen durchaus etwas knapper gehalten werden können.
Mobbing gab es
schon vor den heutigen sozialen Medien und die soziale Ächtung dieses jungen
Paares führt dies eindringlich vor Augen. Doch auch die Motivation wird sehr
schön offengelegt, durch das Anprangern des Nachbarn lenkt man von sich und
seinen Verfehlungen geschickt ab. Glauben die Täter zumindest. Natürlich wird
hier nicht offen von Mobbing gesprochen, sprachlich ist der Erzählstil an die
damalige Ausdrucksweise angepasst, allerdings moderat, so daß es stets gut
verständlich ist, man aber schon allein durch die Wortwahl, nie die Zeit
vergißt, in der die Geschichte spielt. Ivonne Hübner hat für dieses Buch
ausführlich und gründlich recherchiert. Auch wenn es in der Gegend rund um
Horka keinen Waidanbau gab, so gab es doch die Fortschrittsfurcht, die so
eindringlich beschrieben wird. Ivonne Hübner studierte Germanistik,
Kunstpädagogik und Erziehungswissenschaften in Leipzig. Seit 2008 lebt sie mit
ihrer Familie in Potsdam, wo sie als Studienrätin arbeitet.
Ein erschütterndes
Schicksal, das mich nicht so schnell losließ und mich dann doch dafür danken
ließ, in der heutigen Zeit zu leben. So sehr der Fortschrittsglaube heute
bisweilen übertrieben werden mag, so sehr wurde damals jeder Gedanke an
Fortschritt zu Unrecht verteufelt.
Ein wirklich gutes Buch, daß ich gerne weiterempfehle.
Daher gibt es nun die Möglichkeit im Rahmen der Blogtour dieses Buch zu
gewinnen!
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