Freitag, 27. April 2018

Teufelsfarbe – Ivonne Hübner, Dryas Verlag



Teufelsfarbe – Ivonne Hübner, Dryas Verlag

Sommer 1498: Der Bauer Alois Rieger und der Schmied Bertram Wagner entwickeln unter dem Schutz des örtlichen Junkers Christoph von Gerßdorff eine eisenbeschlagene Egge, die den Landbau erleichtern soll. Doch nicht alle freuen sich über diesen Fortschritt, viele halten die Egge, die ihnen die Arbeit erleichtert für ein Teufelswerk. Die Dorfbevölkerung beäugt sie mißtrauisch, der Pfarrer wettert lauthals und reißt die Gemeinde mit sich. Die Familien Rieger und Wagner werden nun trotz des Erfolges sozial ausgegrenzt. Als die Familie Wagner nun von einem Schicksalsschlag nach dem anderen heimgesucht wird, bis nur noch die jüngste Tochter Margarete überlebt, fühlen sich Pastor und Dorfgemeinschaft bestätigt.
Im Frühsommer 1508, an ihrem 18. Geburtstag wird Margarete Wagner mit dem stoffeligen, aber gutaussehenden Bauern Christoph Rieger vermählt. Er hat sie aus dem Armenhaus geholt, wo sie nach dem Tod ihrer Mutter lebte, um an ihre Mitgift, das Grundstück rund um die abgebrannte Schmiede zu gelangen. Denn wie sein Vater, hat auch Christoph große Pläne und für die benötigt er Geld! Es ist es leid von der Hand in den Mund zu leben und von den Launen der Natur abhängig zu sein. Statt des traditionellen Roggens, will er den Färberstoff Waid anbauen. Das gab es in dieser Gegend noch nie! Die Bauern sind empört, das gab‘s noch nie und kann daher nichts Gutes bedeuten. Sie versuchen mit allen Mitteln Christoph von seinem Plan abzubringen, während Margarete versucht sich mit dem von ihr seit ihrer Kindheit gefürchteten Christoph zu arrangieren. Was sie nicht ahnt: der Junker hat Bedingungen an die Erprobung des Waidanbaus gestellt und diese scheint sie nicht erfüllen zu können.
Dieses Buch beginnt mit einem Prolog. Auch wenn ich das Gefühl habe, daß Prologe gerade schwer in Mode sind, so ist dieser Prolog kein Kunsttrick, um Spannung zu erzeugen oder den Leser zu verwirren, nein, er ist wirklich nötig und trägt sehr zum Verständnis der Beziehung zwischen den Protagonisten Christoph und Margarete und auch den Anfeindungen aus dem Dorf bei, da dieses Misstrauen bereits aus der Generation ihrer Väter stammt und auf die Kinder übertragen wird. Sie sehen in Christophs Plänen quasi die Bestätigung, das das Böse (eigentlich nur der Fortschritt) der von ihren Vätern begonnen wurde, nun von Christophs Visionen noch getoppt wird. Fortschritt, Aufklärung, Forschergeist, nicht in Horka! Dort soll alles so bleiben, wie es immer war und es dem Pfarrer gefällt!
Die Macht der Geistlichkeit über die Gemeinde wird sehr eindrucksvoll dargestellt. Man beachte, daß Luther bereits seine Thesen angeschlagen hat und Gutenberg den Buchdruck erfunden. Dennoch ist die Landbevölkerung strikt gegen jeglichen Fortschritt, hängt aber jedem, aus heutiger Sicht, irrsinnigen Aberglauben nach. Während sämtliche Heilige, Bauernregeln und böse Omen bekannt scheinen, ist der Geist der Aufklärung noch nicht in Horka eingezogen. Margarete, die als einzige dem scheinbaren Familienfluch nicht zum Opfer fiel wird misstrauisch beäugt.
Wer glaubte, eine Zeitreise wäre ein tolles Abenteuer, in diese Zeit sollte er besser nicht reisen! Das Elend, die Armut und die Engstirnigkeit ist für heutige Verhältnisse eigentlich unvorstellbar (klar, für Kenner der damaligen Zeit oder regelmäßige Leser historischer Romane schon) und den Menschen heute eigentlich gar nicht aktiv bewußt. So erwartet Margarete ein liebloses Schicksal der sozialen Ächtung ohne große Hoffnung und doch schleichen sich Gefühle ein, die sie nie erwartet hat, wenn auch nicht ganz unbelastet.
Auch wenn der Klappentext diesen Roman als Christophs Geschichte darstellt, ist es doch eigentlich die von Margarete oder vielmehr ihrer ineinander verwobenen Schicksale. Sehr eindringlich wird die Situation der Erbbauern geschildert, dieses Leben, voller Leid und Entbehrung und allenfalls Hoffnungen auf ein Fünkchen Glück. Hier wird nichts geschönt, von Kitsch keine Spur, das hat mich ergriffen und ich habe mit Margarete gelitten. Doch war mir durch die Art der Schilderung der Autorin Ivonne Hübner klar, daß diese Geschichte eventuell kein gutes Ende nehmen mag. Zu unvorhersehbar waren die Entwicklungen, wo sollte das Happy End herkommen, wollte die Autorin nicht unglaubwürdig werden? Ich fragte mich stets: Was hält das Schicksal als nächstes für Margarete bereit?
Allerdings hätten einige Beschreibungen durchaus etwas knapper gehalten werden können.
Mobbing gab es schon vor den heutigen sozialen Medien und die soziale Ächtung dieses jungen Paares führt dies eindringlich vor Augen. Doch auch die Motivation wird sehr schön offengelegt, durch das Anprangern des Nachbarn lenkt man von sich und seinen Verfehlungen geschickt ab. Glauben die Täter zumindest. Natürlich wird hier nicht offen von Mobbing gesprochen, sprachlich ist der Erzählstil an die damalige Ausdrucksweise angepasst, allerdings moderat, so daß es stets gut verständlich ist, man aber schon allein durch die Wortwahl, nie die Zeit vergißt, in der die Geschichte spielt. Ivonne Hübner hat für dieses Buch ausführlich und gründlich recherchiert. Auch wenn es in der Gegend rund um Horka keinen Waidanbau gab, so gab es doch die Fortschrittsfurcht, die so eindringlich beschrieben wird. Ivonne Hübner studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Erziehungswissenschaften in Leipzig. Seit 2008 lebt sie mit ihrer Familie in Potsdam, wo sie als Studienrätin arbeitet.
Ein erschütterndes Schicksal, das mich nicht so schnell losließ und mich dann doch dafür danken ließ, in der heutigen Zeit zu leben. So sehr der Fortschrittsglaube heute bisweilen übertrieben werden mag, so sehr wurde damals jeder Gedanke an Fortschritt zu Unrecht verteufelt.

Ein wirklich gutes Buch, daß ich gerne weiterempfehle.

Daher gibt es nun die Möglichkeit im Rahmen der Blogtour dieses Buch zu gewinnen!

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