Alles Easy – Patchwork für Anfänger, Anja Fröhlich, Ars Edition
Die zwölfjährige Isabell wird von allen nur Easy genannt. Als ihre Mutter
sich von ihrem Vater getrennt hat, ist sie mit ihr von Köln nach Berlin
gezogen, um neu anzufangen. Daher sieht Easy ihren Vater immer nur in den 6
Wochen Sommerferien. Diese Zeit mit ihm alleine genießt sie ganz bewußt, sie
holen zusammen alles nach, was sie in einem Jahr verpasst haben. Dieses Jahr
fliegt ihre Mutter mit ihrem neuen in die Karibik und hätte sie sogar
mitgenommen, doch Easy würde für nichts auf der Welt auf ihre Easy-Papa-Zeit
verzichten. Erstmals muss sie alleine mit dem Zug nach Köln fahren und ihre
Mutter sucht ihr noch auf dem Bahnsteig eine merkwürdige alte Frau als
Reisebegleitung aus. Zum Glück schläft die Matrone fast die ganze Fahrt über
und Easy kann sich mit Jamie, einem Gleichaltrigen auf dem Weg zu seiner Mutter
und deren Neuem, unterhalten. Jamie hat keinen Bock auf „eine neue Familie“ er
will seine alte wieder. Easy ist froh, daß ihr so etwas nicht blüht, bis sie
ihren Vater mit Jamies Mutter und dessen kleinen Bruder auf dem Bahnsteig
sieht. Spontan verschwören sich die zwei Bahnreisenden, mit ungeahnten Folgen!
Ich habe dieses Buch mit meiner bald elfjährigen Tochter begonnen, kurz
nachdem wir vom Berlinurlaub ins Rheinland zurückkehrten. Sie war so entsetzt
von Easys Mutter, die ihr einfach eine so schreckliche Zugbegleiterin mit so
merkwürdigen Auswahlkriterien zur Seite stellte, daß sie sofort ausstieg. Sie
hat sich anscheinend sofort mit Easy gegen alle peinlichen Mütter der Welt
verbündet. Die Zugfahrt fand ich dann noch ziemlich kurzweilig, mit den
Erzählungen von Jamie und Easy über ihre Erlebnisse als Scheidungskindern.
Dabei ist Jamie für einen Jungen erstaunlich offenherzig, auch zu Easys
Erstaunen.
Gut, daß Jamie und Easy plötzlich Teil einer großen heilen Patchworkfamilie
sein sollen, kann man ja schon dem Klappentext entnehmen. Nicht aber die
psychologischen Kriegslisten, zu denen sie greifen, die sind schon ziemlich abgefahren,
für dieses Alter. Auch mit der Knallererbsenprinzessin und Jamies
geheimnisvollen Anrufer „Schwachkopf“ auf dessen geheimen Zweithandy bringen
ungeahnte Wendungen und Situationskomik in den weiteren Verlauf hinein. Bei
recht zwiespältigem Einstieg war ich dann aber doch ziemlich schnell gefesselt,
weil ich es echt erstaunlich fand, was den zwei Verschwörern so eingefallen
ist. Dabei zeigten sie auch, wie viel Macht eigentlich auch Kinder über Eltern
haben und nicht nur umgekehrt. Doch sind Jamie und Easy nicht einfach fies. Sie
machen sich unglaublich viele Gedanken und reifen selber durch ihre Aktionen
sehr viel schneller, als sie es selbst mitbekommen. Dabei sind sie sowohl
Gegner, als auch Team, denn jeder von ihnen beiden, ist seinem Gewissen verpflichtet.
Erzählt wird die Geschichte aus Easys Sicht in Ich-Form, man kann mit ihr
empfinden, wenn sie die Knutscherei zwischen ihrem Vater und Jamies Mutter
eklig findet, genauso wie den Dessous-Einkauf zum Geburtstag (vielleicht
sollten auch gerade mal Eltern vor dem Kennenlernen, der Kinder des neuen
Partners dieses Buch mal lesen). Außerdem richtig klasse finde ich, daß Easy
sich selbst und ihre und Jamies Aktionen und Intentionen hinterfragt. Auch wenn
alles aus ihrer Sicht erzählt wird, so zweifelt sie doch rechtfertigt sich
nicht nur. Das lässt sie wirklich innerlich wachsen und gibt der Geschichte die
nötige Tiefe zur Situationskomik.
Autorin Anja Fröhlich ist selbst als Einzelkind von Lehrereltern
aufgewachsen und lebt nun in Köln. Irgendwie habe ich mir auch Easys Vater als
Lehrer vorgestellt, denn wer sonst hat 6 Wochen am Stück im Sommer frei und die
Schulgespräche, die er mit ihr führt, das klingt schon nach Erfahrung. Easys
Sommerabenteuer spielt in Köln und man kann einige Orte dort wunderbar wieder
erkennen. Ortskundige mögen schmunzeln, gerade über den einen Karnevalstag im
Sommer, denn immerhin ist es zum echten Straßenkarneval oft bitterkalt, aber
auch für Nichtrheinländer ist die Geschichte toll.
Sehr gut gefällt mir das Ende des Buches, es ist ehrlich, authentisch und
gar nicht kitschig! So empfehle ich dieses Buch, trotz der Kritik meiner
Tochter sehr gerne wieder, denn es ist sowohl witzig, als auch überraschend und
sehr einfühlsam – wirklich toll! 5 von 5 Sternen, da überstimme ich mein Kind,
denn ich kenne das ganze Buch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen