Mit dem Orient-Express nach Paris, Die Geschichte von Sinan
und Pierre, Stephan Martin Meyer, Thorwald Spangenberg, Gerstenberg Verlag
Der Orient-Express, ein Zug, der schon eine Legende ist. Da
mußte ich gleich genauer hinschauen (ich bin ja bekennender Agatha Christie
Fan).
Dies ist offiziell ein Kindersachbuch, dabei erzählt es eine wirklich spannende
Geschichte:
Zur Weltausstellung 1889 fährt der türkische Kaufmannssohn
Sinan, mit seinem Vater zur Weltausstellung nach Paris! Er soll diese Reise
nutzen, um sein Französisch zu verbessern, einen Eindruck von all den Ländern
zu erhalten, mit denen sie Handel treiben und den Horizont erweitern. Daher
reisen sie gleich mit dem Orient-Express, dem Zug der Könige von ihrer
Heimatstadt Konstantinopel (heute Istanbul) nach Paris. Dieser Zug ist
eigentlich den oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten, aber natürlich gibt
es an Bord des Zuges Personal, sonst würde er ja nicht fahren. Dieses Personal
gehört natürlich keiner gehobenen Schicht an und sollte sich daher möglichst
von den Passagieren fernhalten. Dennoch lernt Sinan schon gleich zu Beginn der
Reise den französischen Küchenjungen Pierre kennen, als dieser in letzter
Minute auf den Zug aufspringt. Als dieser dann kurz danach des
Taschenuhr-Diebstahls von einer englischen Baronin bezichtigt wird, verbünden
sich die zwei ungleichen Jungen und wollen den Verbleib der Uhr klären, damit
Pierre seine Anstellung nicht verliert!
Dieses Buch behandelt gleich mehrere Themen, die mich schon
lange fasziniert haben und die ich daher auch gerne meinen Töchtern 8 und 10
Jahre alt, vermitteln wollte: der Orient-Express und seine Klassentrennung, die
Weltausstellung als Zeichen der Öffnung der Welt durch die Industrialisierung,
die Bedeutung von Sprache und das gegenseitige Kennenlernen zum Abbau von
Vorurteilen. Anfangs schauten meine
Kinder etwas kritisch, sie wollten lieber eine Geistergeschichte hören (naja,
eigentlich nur eine). Aber dann begann die Geschichte mit so vielen
interessanten Informationen, wie z.B. daß Istanbul früher Konstantinopel hieß,
wie groß das Osmanische Reich war, wie Atatürk die Türkei reformierte, warum
einige Länder sich untereinander nicht leiden können, daß Französisch die
Reisesprache war, daß der Eiffelturm eigentlich wieder abgebaut werden sollte.
Sie kamen eigentlich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dazu betrachteten wir
die großen politischen Karten, die die damaligen Machtverhältnisse und
Grenzverläufe widerspiegelten, die Darstellung des Zugpersonals. Es gibt
wirklich eine Menge zu entdecken. Als
dann noch erzählt wurde, daß ihre Uroma mit diesem Zug gefahren ist und
auf mehreren Weltausstellungen war (wenn auch nicht auf der von 1889), wurden Geschichte,
Politik und Technik richtig lebendig für sie. Denn dieses Sachbilderbuch legt
den Informationsschwerpunkt auf diese 3 Bereiche. Dabei wird den Kindern
mancherlei lustige Information vermittelt, z.B. daß der bulgarische König
Ferdinand I gerne Züge anhielt und diese dann selbst steuerte. Selbst Kaisierin
Sissi mit ihrem Salonreisewaggon kommt in der Geschichte vor, deren Waggon an
den Zug angekoppelt wurde. Durch solche Informationen wird Geschichte nicht nur
lebendig, sie wird auch für Jungen und Mädchen gleichermaßen interessant. Zahlreiche
Informationskästchen dienen der Wissensvermittlung sei es über die
Schlafwagengesellschaft oder die K.u.K. Monarchie. Diese Kästchentexte sind
sehr verständlich und dennoch selbst für Erwachsene wirklich interessant
verfasst. Gerade die Zusammenhänge die mit dieser europäischen Reise
hergestellt werden, fand ich wirklich herausragend. Durch die sehr vielen
großformatigen Illustrationen gibt es ständig was zu entdecken und es wird
wirklich alles erklärt, es bleiben eigentlich keine Fragen offen. Sogar wie die
Dampflok funktioniert oder die Waggons aufgebaut sind, wird abgebildet.
Dabei wird der eigentliche Fall der zwei Jungen, die von
Abenteuern und Spionage träumen, nicht aus den Augen verloren und am Ende
überraschend aufgelöst.
Damit aber noch nicht genug,
weitere Infos zu Weltausstellungen, dem Orient-Express und Europa gibt es dann
noch nach dem abschließenden Feuerwerk zu Ehren des 100. Jahrestages der
französischen Revolution, zur Abrundung. Insgesamt ist dieses großformatige
Sachbilderbuch ausgesprochen hochwertig.
Sehr gelungen, sehr kurzweilig und
super informativ, wobei ich besonders begeistert über die Verknüpfung der
Fakten zu Zusammenhängen begeistert war.
Als ich den Kindern verriet, daß der Gerstenberg Verlag 3
Jahr nach der Französischen Revolution gegründet wurde, wurden sie ganz
ehrfürchtig. Diese Info passte einfach zu gut zu diesem Buch, das konnte ich
mir dann nicht verkneifen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen