Deichgrab, Sandra Dünschede, Gmeiner Verlag
Dies ist eine Neuauflage mit neuem Cover. Die Geschichte
spielt ca. 1997.
Als Kind wuchs Tom Meissner bei seinem geliebten Großvater,
einem Arzt, auf, nachdem seine Eltern bei einem Autounfall starben. Als Tom 10
Jahre alt ist, stirbt auch sein Opa und er zieht nach Friesland zu seinem bis
dato unbekannten und eigenbrötlerischen Onkel Hannes. Dieser ist verschlossen
und lebt sehr zurück gezogen, ohne Kontakt zu anderen Menschen. Doch auch Tom
findet keinen Anschluß in der Dorfschule, so daß seine Kindheit fortan sehr
einsam ist. Daher zieht er direkt nach dem Abi zum Studium nach München und
kommt erst nach der Beerdigung seines Onkels zurück um dessen Nachlass zu
regeln. Erst im Gespräch mit dem Pastor erfährt Tom, daß Hannes des Mordes an
der 13 jährigen Britta Johannssen, einem Mädchen aus dem Dorf angeklagt und aus
Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Das Dorf hielt ihn weiterhin für
schuldig und mied daher nicht nur Hannes, sondern auch seinen Neffen Tom.
Dieser kann gar nicht glauben, daß sein einsiedlerischer Onkel ein Mörder
gewesen sein soll, er hatte als Kind nie Angst vor ihm. Er beginnt
Nachforschungen, doch das Dorf schweigt sich ihm gegenüber genauso aus, wie
damals. Nur Haie, der schon damals an Hannes Unschuld glaubte durchbricht die
Mauer des Schweigens und der Lügen.
Ein Krimi aus der Welt vor den Smartphone und den mobilen
Suchmaschinen fürs Handy. Dadurch friesisch entschleunigt aber keine Sekunde
langweilig. Die klaustrophobische Atmosphäre des Dorfes und ihre Ablehnung
gegenüber Tom sind zum Greifen nah, doch ziehen sie einen beim Lesen nicht
hinunter, sondern bauen eine beständige Grundspannung auf die nicht abflacht.
Was haben die Dorfbewohner zu verbergen? Welche Lügenkonstrukte kann Tom noch
aufdecken? Wie soll er mit seinen Nachforschungen vorankommen, wenn niemand mit
ihm spricht? Trotz einer gewissen Düsternis, ist dieser Krimi stets spannend
aber nicht negativ. Das fand ich wirklich toll. Ein weiteres Bonbon waren für
mich neben dem reinen atmosphärischen Lokalkolorit auch die Informationen zur
Geschichte und der Entstehung dieser rauen Landschaft, die die Bewohner und die
Literatur gleichermaßen prägt. Durch die Promotionsstudentin Marlene, die Tom
bei einem Wildunfall kennenlernt, bekommt man noch einmal Einblick in die Welt
Theodor Storms und des Schimmelreiters. Man kann sich den Deichgrafen plastisch
auf seinem Pferd hoch oben auf der Deichkrone vorstellen.
Die merkwürdigen Dorfbewohner waren interessant und ich
wollte stets wissen, was sie verbindet und was sie verbergen. Die Autorin
erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, manchmal aus der
Ich-Perspektive eines Täters und dennoch ist nicht klar, wer nun Schuld ist,
oder ob es mehrere sind.
Auch die persönliche Entwicklung des Protagonisten gefällt
mir. Tom, der einsam aufwuchs, findet nun einen echten Freund, auch wenn dieser
von ihm sehr verschieden ist, aber die Abneigung gegen das Lügengebilde des
Dorfes schweißt sie zusammen. Doch auch auf der romantischen Ebene tut sich was
ganz zart bei Tom. Diese Reise in die Vergangenheit, wird für ihn auch eine zu
sich selbst.
Dies ist der Debutkrimi der Autorin Sandra Dünschede, von
der man seither noch einiges mehr im Gmeiner Verlag entdecken kann. Es hat mich
wirklich erstaunt, daß ein Erstling sich so flüssig liest. Trotz 380 Seiten
hatte ich kein Bedürfnis den Rotstift anzusetzen und zu kürzen, was ich sonst
schon häufiger mal empfinde.
Ich bedanke mich ganz herzlich für dieses Rezensionsexemplar
vom Bloggertreffen des Gmeiner Verlags auf der Frankfurter Buchmesse 2017.
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