Fingerweg! Susanne Fülscher, Carlsen Verlag
Lisa ist 18 Jahre, jung, hübsch, intelligent, eine gute
Schülerin, aus liebevollen, geordneten Verhältnissen, selbstbewußt und steckt
in der Vorfreude auf ihren Abiball am Abend, als ein Anruf kommt, der ihr Leben
verändert: Maxime Léon, der erfolgreiche, gutaussehende Regisseur und
Filmemacher antwortet endlich auf ihre Bewerbung und lädt sie morgen am Sonntag
um 10.00h in sein Büro zu einem Vorstellungsgespräch! Das ist ihre Chance!
Dieses Praktikum kann ihre die Türen zur Filmbranche öffnen und sie ihrem
Traumberuf als Produzentin oder Regisseurin einen Schritt näher kommen.
Übermüdet und glücklich geht sie zum Vorstellunggespräch und
erhält eine Zusage. Ihre beste Freundin Marie ist nun etwas traurig, weil sie
nicht gemeinsam nach Kanada fliegen und sich die erträumte Auszeit zu nehmen,
doch für Lisa geht ein Traum in Erfüllung. Bereits kurz vor Marie’s Abflug
kommen Lisa einige Bemerkungen und Gesten von Maxime merkwürdig vor. Sie fängt
an zu zweifeln, ob sie zu empfindlich ist, sich etwas einbildet? Auf jeden
Fall, will sie ihre Freundin vor dem Abflug nicht belasten und so fliegt diese
ahnungslos um die halbe Welt, während sich das vermeintliche Traumpraktikum als
sehr lehrreich und gleichzeitig abstoßend erweist. Lisa steckt in der
Zwickmühle.
Sehr gut beschrieben wird bereits zu Beginn Lisa’s
Persönlichkeit, ihre exklusive Freundschaft mit Marie und ihr liebevolles
Elternhaus. Auf das was da auf sie zukommt, ist Lisa in keinster Weise
vorbereitet. Auch wenn sie selbstbewußt ist und zielstrebig, fühlt sie sich
ihrem großen Vorbild gegenüber völlig hilflos. Aus dieser Hilflosigkeit und
Machtlosigkeit entwickelt sich die Bewunderung zu Ekel. Wunderbar einfühlsam
wird beschrieben, welche Kleinigkeiten bei dem jungen Mädchen mit der Zeit
Übelkeit hervorrufen. Wie sich die Lage mit Eskalation und Deeskalation
zuspitzt. Wie Maxime mit geschicktem Taktieren Lisa zu manipulieren versucht
und seine Macht über ihre Berufsträume schamlos ausnutzt. Das Thema des
sexuellen Mißbrauchs von beruflich Abhängigen wird sehr bildlich und emotional
thematisiert. Wie das Opfer an sich selbst zweifelt, Fehler bei sich selbst
sucht, die vermeintliche Isolation von Freunden vor Ort die Verletzlichkeit
steigert, die Scham sich anzuvertrauen, all das wird wunderbar nachfühlbar
verbalisiert. Die Geschichte ist somit hochspannend, da man hofft, daß Lisa es
endlich schafft sich zu wehren und Maxime zu zeigen, daß er unverzeihlich
übergriffig ist, aber auch sehr emotional und Mut machend.
Ja, Lisa mag naiv gewesen sein zu Beginn. Dennoch ist sie
dadurch nicht an ihrer Misere schuld. Was Maxime macht ist unverzeihlich und
wiederholt sich sicherlich, während ich diese Rezension verfasse, mehrfach auf
dieser Welt. Das bekannteste Beispiel ist wohl Monica Lewinski, die Bill
Clinton sicher nicht so anziehend fand, wie er sich selbst. Gerade weil dieses
Buch keinen Einzelfall anspricht, sondern gelebte Erfahrungen der Autorin mit
verarbeitet, die sich auf die ein oder andere Art immer wieder überall
wiederholen, ist dieses Buch wichtig. Es ist wichtig, daß die Opfer aus ihrer
Ohnmacht erwachen und sich wehren!
Dieser Prozess ist wirklich mitreißend beschrieben, mit einem wirklich
überzeugenden Ende. Sehr passend für die
Zielgruppe, optimistisch aber nicht kitschig.
Anders als der Verlag, würde ich das Buch erst ab 14 Jahren
empfehlen. Aber dann ganz ernsthaft.
Lehrer sollten es ihren Schülern, Mütter ihren
Töchtern zu lesen geben. Wehrt Euch habt Mut! Ich hoffe, dieses rundum
gelungene Werk erhält die Aufmerksamkeit die es verdient, die das Thema
verdient. Bitte lest es! Dies ist mehr als eine Leseempfehlung mit 5 Sternen,
es ist die dringende Bitte dieses hervorragende Buch zu lesen. Hoffentlich wird
es im Schulunterricht verwendet, zur Vorbereitung auf das
Hallöchen :o)
AntwortenLöschenWir haben ja beide zusammen an der Leserunde teilgenommen.
Was mich auch sehr fasziniert hat war in diesem Buch der Charakter Maxime. Ich finde viele Entscheidungen, die Lisa getroffen hat, waren auch auf seine Ausstrahlung zurückzuführen.
Eine klasse Rezension. Ich gebe dir Recht: Dieses Buch sollte gelesen werden und eignet sich hervorragend als Schullektüre eben weil es Mut macht und weil es eine Lösung aufzeigt.
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)