Ghost – Jede Menge Leben, Jason Reynold, gelesen von Jörg Pohl,
Hörcompany 3 CDs 3 h 35 min
Castle Cranshaw ist nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren.
Sein Vater ist ein Säufer und wenn er wieder betrunken ist, wird es gefährlich.
Eines Tages so sehr, dass er auf seine Frau und seinen Sohn schießt. Sie können
nur weglaufen und da merkt Castle wie schnell er laufen kann. Verängstigt
verstecken sie sich beim Krämer um die Ecke in der Vorratskammer und versuchen
unbemerkt zu bleiben. Als sie ankamen, sahen sie aus wie Geister, meinte ihr
Beschützer. Fortan nennt sich Castle selbst Ghost. Als er eines Tages im Park
eine Laufmannschaft sieht, fühlt er sich in seinen viel zu großen Klamotten (in
die er hineinwachsen soll) und seinen Billigturnschuhen provoziert von einem
der Läufer in super chicen Outfit. Er läuft neben ihm her und kann mithalten.
Der Trainer ist begeistert und will ihn gegen alle Regeln aufnehmen, unter der
Voraussetzung, dass es in der Schule keinen Ärger gibt. Eine echt harte
Bedingung, denn in Castle brodelt es stets und es besteht immer die Gefahr,
dass er überkocht, denn etwas nagt an ihm... Schafft er es dennoch Teil einer
Mannschaft zu werden?
Dieser Jugendroman ist mit großen Vorschusslorbeeren in Deutschland
gestartet. Das hat mich gereizt, aber andererseits... Ja, ich kann wie Ghost
laufen, ich bin ein Naturtalent, aber ich tu es nicht. Wozu? Solange man nicht
auf der Flucht ist, ist es doch ziemlich unspannend und es interessiert mich ja
auch noch nicht mal bei Olympia auch wenn mir Usain Bolt und Florence Griffith
Joyner durchaus bekannt sind. Ich kann verstehen, dass Castle eigentlich auf
Basketball steht, das ist ja ein Mannschaftssport, ganz anders als Laufen, oder
doch nicht? Castle sieht diesen aufgestylten Sprinter und fühlt sich mal wieder
provoziert, er sieht die Konkurrenz, das ist doch kein Teamsport, der den
Charakter stärkt! Dennoch wird Castle durch den Sport ein Ziel, einen Fokus
bekommen, lernen über sich selbst nachzudenken und nicht immer gleich in die
Luft zu gehen. Er muss sich selbst kennenlernen, auf seine Mutter Rücksicht
nehmen, die sie alleine durchbringen muss. Es ist Emotion pur, dieser innere
Kampf, den er mit sich selbst ausficht. Er wächst in der übelsten Gegend der
Stadt auf, dennoch gehört er keiner Gang an, nimmt keine Drogen und geht zur
Schule. Es wäre gelogen, wenn man sagen würde, er tut alles um dort raus
zukommen, aber er versucht anständig zu bleiben. Auf die Idee zu jobben kommt
er nicht, wohl weil ja noch ein Kind ist, aber auch, weil es in dieser
Nachbarschaft wohl auch niemanden gibt, der ihm für seine Hilfe etwas bezahlen
könnte. Diese ganz brutale, unterschwellige Armut, keine passenden Klamotten
kaufen zu können, so dass alles zu groß sein muss, damit es länger hält, dass
Castle bis abends nichts zu Essen hat, wenn er das Schulessen ausfallen lässt,
diese Armut, die überhaupt keine gescheite Ernährung zulässt... dennoch gibt er
nicht auf. Es ändert sich aber erst, als der Trainer ihn aufnimmt, dann wird
aus dem nicht Aufgeben ein Kämpfen. Man will unbedingt wissen wie es
weitergeht. Auch wenn ich mich immer noch nicht fürs Laufen interessiere, für
dieses Team brenne ich.
Jörg Pohl hat es geschafft mich mitzureißen und mich in Tränen
aufgelöst. Ich habe mir nicht verstohlen ein paar Tränchen weggewischt, ich bin
auf gestanden und brauchte erst einmal Taschentücher, aber bitte schnell, ich
wollte ja weiter hören... Jörg Pohl klingt nun nicht wie 12, aber er schafft es
dennoch absolut authentisch zu klingen. So unmittelbar direkt, brodelnd, mit
Gefühlen direkt unter der Oberfläche, die jederzeit herausbrechen können,
unverstellt und dadurch berührend.
Ich finde dieses Hörbuch super, aber auch echt fies, denn es endet
an einer Stelle an der ich dachte: Gibt es vielleicht doch noch eine vierte CD?
Nein, ich muss nun schnell Band 2 „Patina“ hören.
Die Altersempfehlung 12 - 15 Jahre empfinde ich im Hinblick der
elementaren Probleme der Helden dieses Teams absolut angemessen. Auch wenn
Castle/Ghost erst 12 oder 13 Jahre alt ist, sollten die Leser oder Hörer nicht
jünger als 12 sein und werden es mit 15 auch sicherlich nicht kindisch finden.
Eine ganz klare Hörempfehlung. Vielen lieben herzlichen Dank an
die Hörcompany für diesen Gewinn!
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