Doktor Proktor und das beinahe letzte Weihnachtsfest, Jo
Nesbo, gelesen von Philipp Schepmann, der Hörverlag
Dieses Hörbuch war ein Wunsch meiner Jüngsten. Ich habe es
ja nicht so mit skandinavischen Autoren und vor dem Film zum ersten Band bin
ich geflohen. Meine Töchter fanden das Pupspulver aber sehr witzig und so
wollte Franziska gerne die Doktor Proktor Weihnachtsgeschichte. Das heißt aber
auch: ich muß sie auch hören, sonst kann ich sie nicht rezensieren! Was macht
man nicht alles aus Liebe zum Kind, dachte ich und wurde angenehm überrascht:
In der Kanonenstraße bereiten sich alle auf Weihnachten vor.
Lise und Bulle sitzen bei Doktor Proktor dem genialen, aber verkannten
Erfinder, in der Küche während Juliette herrlichen Milchreis kocht. Da wird im
Radio folgende Durchsage gesendet: Der König von Norwegen hat Weihnachten an
den ehemaligen Nachbarn Herrn Thrane verkauft! Nur wer für mindestens 100.000
Kronen in Herrn Thranes Kaufhaus zu Weihnachten einkauft ist Mitglied im
Weihnachtsclub und hat die Erlaubnis Weihnachten zu feiern, Weihnachtslieder zu
singen oder selbst „Frohe Weihnachten!“ zu wünschen! Oh je, Doktor Proktor,
Juliette und Bulle können sich das nicht leisten! Wie kann der König von
Norwegen überhaupt Weihnachten verkaufen, gehört es ihm denn überhaupt? Warum
hat er das getan und wie können sie dieses herrliche Fest retten? Bulle besorgt
schnell eine Audienz beim König, um das ganze Ausmaß der Katastrophe
festzustellen und Doktor Proktor kennt zum Glück den Weihnachtsmann persönlich!
(Wie gut, das Norwegen so weit im Norden liegt!) Doch auch der Besuch beim
Weihnachtsmann rettet das Fest nicht, da müssen die Freunde die Rettung halt
selbst in die Hand nehmen!
Meine Tochter fand die Geschichte von Anfang an urkomisch
und erzählte mir immer ganz aufgeregt die witzigsten Szenen! Ich fürchtete es
wäre klamaukig, aber dem war zum Glück nicht so. Stattdessen bekam ich ein
wirklich spannendes, aber auch gesellschaftskritisches Abenteuer zu hören. O.k.
einiges ist echt absurd, wie z.B. Australier die auf alles was fliegt ballern,
oder Vampirgiraffen, die New York unsicher machen, doch es geht letztendlich um
Weihnachten, daß vom Fest der netten Aufmerksamkeiten für die Lieben zu einer
hoffnungslosen Konsumschlacht verkommen ist. Alles Schöne, was bislang noch
umsonst ist, als allgemeines Kulturgut, wie das Singen von Weihnachtsliedern,
muß nun erkauft werden! Ein schrecklicher Gedanke, so schrecklich, daß man echt
mitfiebert, wie die ungleichen Freunde das wohl verhindern mögen.
Mich brauchte zudem sehr zum Schmunzeln, wie denn der König
zum Verkauf des Festes gebracht wurde. Dieses Schurkenstück erinnerte mich
schon sehr an Andersens „Des Kaisers neue Kleider“. Es bedarf halt oft des
vorbehaltlosen Blickes eines Kindes, um die Wahrheit zu sehen.
Natürlich wird auch wieder auf altbewährtes zurückgegriffen
und so benötigen die Freunde zur Rettung des Weihnachtsfestes die letzten Reste
Zeitseife und das spezielle Pupspulver, um die Geschenke noch rechtzeitig
auszuliefern. Teilweise geht es so übertrieben hart zur Sache, daß auch Kinder
die Übertreibung merken. Selbst der fiese Bösewicht kommt nicht zu Schaden, auch
wenn er leider nicht bekehrt wird, aber so können wir auf weitere Doktor
Proktor Abenteuer gespannt sein.
Sehr unangenehm ist mir im Film die Figur von Bulles Mutter
aufgestoßen, die selbstsüchtig und faul ist. Bei ihr hat Bulle echt nichts zu
lachen, weswegen er sich zu Hause auch äußerst rar macht. Auch zu Beginn dieser
Weihnachtsgeschichte ist dies so, doch dank der Rettung des Weihnachtsfest
ändert sich so einiges. Das hat mir als weihnachtliche Botschaft sehr gut
gefallen. Bei allem Spaß und aller Action, schaffen es die Freunde nicht nur
Weihnachten zu retten, sondern auch ihren Geist der Weihnacht und der Liebe
weiterzugeben. Das ist aber nicht der einzige Grund sich über ein rundum
fröhliches Ende zu freuen.
Dies ist die erste Doktor Proktor Geschichte, die Philipp
Schepmann liest, da der bisherige Sprecher Andreas Schmidt dieses Jahr leider
viel zu früh verstorben ist. Es ist natürlich immer schwierig, eine bewährte
Stimme abzulösen, aber das Problem haben wir nicht, da es unser erstes Doktor Proktor
Hörbuch ist. Auch meine Sorge, daß ich ständig den kleinen Drachen Kokosnuss
vor meinem inneren Auge sehen würde, war unbegründet. Philipp Schepmann
verleiht Bulle, Lise, Doktor Proktor und Juliette eigene Stimmen, die nicht
weniger lebendig und lebensfroh sind.
Jo Nesbo, Jahrgang 1960, arbeitete lange Jahre als Broker,
wurde als Sänger von Norwegens populärer Band „Di Derre“ (kenne ich die? )
berühmt, aber Weltruhm erreichte er als Krimiautor und ist inzwischen Norwegens
erfolgreichster Autor, dessen Krimi „Der Schneemann“ von Martin Scorsese
verfilmt wird und auch von Doktor Proktor, seiner Kinderbuchserie, gibt es
bereits zwei Kinoabenteuer, allerdings von einem anderen Regisseur. Wer nach
dieser CD noch nicht genug hat, der findet im CD-Booklet nicht nur die
vollständige Tracklist und alle Infos zu Buch und CD sondern auch noch eine
Abbildung sämtlicher Doktor Proktor Hörbücher aus dem Programm des Hörverlags.
Anders als meine Tochter hatte ich sehr niedrige Erwartungen
und bin total positiv überrascht worden! Diese Geschichte ist witzig, spannend
und tatsächlich weihnachtlich, im eigentlichen Sinne. Bei Weihnachten geht es
um kleine Freuden und nicht den großen Kommerz!
Wirklich begeisterte 5 von 5 Sternen!
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Hörverlag für diese
wirklich wunderbare vorweihnachtliche Überraschung!
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