Freitag, 3. November 2017

Die unglaublichen Abenteuer des Migranten Nemec, Jaromir Konecny, Eco Win Verlag



Die unglaublichen Abenteuer des Migranten Nemec, Jaromir Konecny, Eco Win Verlag

Lolek Nemec ist vor Jahren aus der Tschechien nach Deutschland geflohen und hat ein Jahr in einem Flüchtlingsheim gelebt, ehe er als Asylberechtigter anerkannt wurde. Dann studierte er Informatik nachdem er zuvor erfolgreich sein Abiturzeugnis fälschte und promovierte und all das nur, um seiner großen Liebe Anna durch einen Doktortitel und eine deutsche Staatsbürgerschaft zu imponieren. Der Lohn: sie überfährt ihn wütend mit ihrem schicken BMW und er fällt für 13 Jahre ins Koma. Als er aufwacht ist alles anders und er wird der Urkundenfälschung angeklagt: weil er so unterhaltsam ist, wird er zu Sozialstunden im Flüchtlingsheim Schamberg verurteilt. Denn Nemec liebt Geschichten, die das Leben schreibt! Auch in den traurigsten Geschichten kann er meist noch eine lustige Seite entdecken, über die er lachen kann. Das kleine überschaubare Heim, in das er für 3 Monate einzieht, bietet ihm jede Menge neuer Geschichten, an denen er immer eine heitere Seite finden kann, über die er schmunzelt, denn Nemec nimmt das Leben mit einem Lächeln. So wird er auch direkt herzlich von der blumigen Bruni, der inoffiziellen Leiterin der Einrichtung und Hausmeister Frank, sowie den diversen Flüchtlingen vor alle aus Syrien und Eritrea aufgenommen. Sein größtes Glück jedoch, daß er sogleich wieder eine neue Anna erspäht, die ihn zwar nicht ins Koma befördert, sondern erst einmal schlägt.
Anfangs wurde ich nicht so ganz warm, mit dem ewig lächelnden sanften Riesen, der den Grausamkeiten des Lebens mit unnachahmlicher Gelassenheit begegnet. Er labert teilweise ohne Ende. Der Roman beginnt mit der Gerichtsverhandlung wegen Urkundenfälschen (nein, dies ist nicht gespoilert, der wahre Knaller hinter dieser Fälschung wird nicht verraten), bei der Nemec ohne Punkt und Komma redet, so daß am Ende sogar der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine Ordnungsstrafe riskierte. Was habe ich mit denen gelitten, denn ich kenne solche Verhandlungen zur Genüge! Doch auch wenn ich anfangs von Nemec genervt war, vor allem aus persönlicher Betroffenheit der Strafverteidigerin, so hat er sich doch langsam still und leise mit seinem Lächeln und seiner Entschlossenheit das Leben zu genießen und Ruhe zu bewahren, in mein Herz geschlichen. Die Absurditäten seiner Erlebnisse, des Behördendschungels, die Typen auf die er trifft, lassen einen schmunzeln und unterhalten. Doch ist dieses Buch viel mehr. Der Autor greift auf seine eigenen Erfahrungen zurück und ich verdächtige Nemec ja schon Jaromir Konecnys Alter Ego zu sein, nein es steckt auch voller Wahrheit, Weisheit und Schönheit. Als Poetry Slammer schafft es Konecny wunderschöne Sätze durch Lolek Nemec und seine Freunde sprechen zu lassen. Es sind nicht nur solch altbekannte Erkenntnisse, daß jeder ein Ausländer ist, fast überall. Es geht um den Genuss des Lebens, mit allen Sinnen, mit Humor und Gelassenheit, um die Liebe zu Sprache, zu Büchern und Beharrlichkeit. Anders als einige Bestseller, die Weisheiten versprühen, empfand ich diese Überlegungen niemals banal. „Wenn man verfolgt wird, lernt man, schnell zu laufen und weit zu springen.“
Dieser Roman ist völlig anders, als seine Jugendromane, bei denen ich Tränen gelacht habe. Dennoch ist dieser Kampf der Flüchtlinge und ihrer Helfer wirklich amüsant, teilweise aber auch tragisch und zum Kopf schütteln.
Je länger ich in diesem Buch gelesen habe, desto besser gefiel es mir und desto mehr setzte es sich heimlich still und leise in meinem Bewußtsein und in meinem Gedächtnis fest. Lolek Nemec und seine Anekdoten werden mich nun wohl ein Leben lang begleiten. Ein Gedanke, der mich lächeln lässt.
Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, war es letztendlich so wunderbar, daß es 5 von 5 Sternen verdient hat.

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