Der Tag an dem ich versehentlich die ganze Welt belog, Lisa Thompson, gelesen von Julian Greis, Hörcompany 1 MP3 5 h 42 mino
Cole (12) geht in die 7. Klasse und wird von den Klassenmobbern „Poor Kid Cole“ genannt. Seine Mutter wurde mit 18 mit ihm schwanger, als sie eigentlich Geschichte studieren wollte. Inzwischen ernährt sie die Familie mit einem Job im Museum und sein Vater hat seinen Rowdy-Job an den Nagel gehängt, um sich um die zwei Kinder zu kümmern. Dennoch reicht das Geld hinten und vorne nicht. Deswegen kann er nicht mit auf die Klassenfahrt in den Vergnügungspark und muss mit seinem Freund Mason den Kunstsaal aufräumen. Masons Eltern hatten keine Zeit die Anmeldung auszufüllen, sie sind immer nur am Arbeiten. Als einen Tag später die weltberühmte Künstlerin ihre alte Schule besucht, ist sie von Coles Bild ganz begeistert. Sie nimmt sein „Meisterwerk“ mit und veräußert es für 1.000,- Pfund. Da das Museum kurz vor der Schließung steht, ist es für die Familie ein Segen, dass Cole nun als der neue Stern am Kunsthimmel gilt. Doch Cole, der gerade erst mit Mason und der super schlauen Isla das Rätsel des Museums lösen wollte, um einen Schatz zu finden, ist ganz schön überfordert, von dem Druck. Die Geschichte lies mich immer wieder an „Des Kaisers neue Kleider“ denken. Der Kunstmarkt ist so überhitzt, dass er jedem Trend nachjagt, sofern sein Verkünder glaubhaft genug ist. Doch Cole fühlt sich von der Aufmerksamkeit völlig überfahren. Dabei kam sein Leben durch die gemeinsame Schatzsuche mit Mason und Isla gerade erst in Fahrt. Nun hat er keine Zeit mehr dafür, weil er ein neues Meisterwerk erschaffen soll. Seine Eltern hingegen sind mit der Jobsuche vollauf beschäftigt, um die drohende völlige Verarmung abzuwenden. Coles Situation ist in England nicht so ungewöhnlich, dennoch tat er mir unglaublich leid, weil er ein pfiffiger Typ ist und seine Eltern sehr liebevoll. Er gerät in einen Strudel der Ereignisse, der ihn völlig umhaut und bei dem auch niemand so recht bedenkt, wie jung er mit 12 Jahren erst ist und wie hoch der Druck ist, der nun auf ihm lastet. Das empfand ich auch als unglaublich ungerecht. Wie der Titel schon sagt, wird Cole vorgeworfen, die ganze Welt belogen zu haben, doch niemand fragt, warum ein 12-Jähriger so etwas tut. Vor lauter eigenen Sorgen um den Familienunterhalt und den Renovierungsstau im Haus, hört ihm keiner zu, als er von dem Erlebnis im Kunstunterricht spricht und auch später interessiert sich Eltern, Lehrer und Künstlerin nicht dafür, wie es Cole schafft, mit diesem unglaublich hohem Erwartungsdruck umzugehen. Cole ist ein ehrlicher und anständiger Junge, der so etwas eigentlich nicht tun würde, aber keinen anderen Ausweg sieht, um seine Familie vor dem Ruin zu retten. Naja, zuvor hatte er ja schon eine Idee, als er mit Mason und der unglaublich vielseitig begabten Isla auf Schatzsuche geht... Diese Schatzsuche war seine Idee, daher blüht er bei dieser absolut auf, aber nicht nur er, sondern auch Mason und Isla, die den Schatz gar nicht nötig haben. Aber es ist das Gemeinschaftserlebnis, dass für sie so besonders ist, dass es auf jeden von ihnen ankommt, dass sie wirklich wahrgenommen werden und nicht nur sie als Funktion, des Vorzeigekindes... Isla ist nämlich so begabt, auf sämtlichen Gebieten, dass ihre unglaublichen Leistungen selbstverständlich sind und von ihr erwartet werden. Kindsein ist ihr damit eigentlich nicht gestattet, genauso wenig wie Mason, da Kinder ja Schmutz und Lärm und potenzielle Gefahren für die teure Einrichtung bedeuten. Drei Kinder aus ganz unterschiedlichen Familien und keines von ihnen hat eine unbeschwerte Kindheit. Eigentlich ist es deswegen an vielen Stellen wirklich traurig, gerade weil ich es so ungerecht finde. Aber dennoch erleben sie letztendlich ihren Triumph und es gibt auch richtig schöne und witzige Momente! Für alle Kinder, die von Ruhm und Reichtum träumen, eine Geschichte, die diese Träume hinterfragt und einiges wieder in die richtige Perspektive rückt.
Lisa Thompson erzählt sehr einfühlsam von den Träumen und Nöten der Heranwachsenden, von der Bedeutung der Freundschaft, aber auch von der allgegenwärtigen Hackordnung an Schulen. Ihre Schilderung der alltäglichen Kinderarmut gerade auch, aufgrund der hohen Quote an Teenagerschwangerschaften in England, ist sehr eindrücklich, aber nicht einfach schwermütig. Dabei schafft sie es geschickt den Spannungsbogen neu zu spannen und mit einem erleichterten Kichern ausklingen zu lassen. Bisweilen wird für meinen Geschmack etwas von der Logik zu Gunsten der Dramaturgie abgewichen. Nach dieser Geschichte wird sich sicherlich kein Kind freiwillig für die Zeitung oder das Fernsehen interviewen lassen. Diese Emotionen greift Julian Greis geschickt auf und setzt die Pointen geschickt. Seine junge, sympathische Stimme macht Coles Verzweiflung und seine Existenzängste ebenso deutlich, wie seine Begeisterung oder Staunen oder eben seine Genervtheit, wenn er mal wieder das Lieblingsspiel seiner Schwester Mabel bis zum Umfallen mit ihr spielen muss. Diese junge Dame hat ihn völlig im Griff und auch ihr verleiht Julian Greis eine kindliche Stimme, die in ihrer Hartnäckigkeit unerbittlich sein kann. Kurzweilig und emotionsstark interpretiert er diese Geschichte eines riesen Skandals in der überhitzten Kunstwelt.
Eine sehr ungewöhnliche Geschichte, der ich gebannt gelauscht habe, um endlich zu erfahren, wie Cole denn aus diesem Schlamassel wieder rauskommt!
Vielen lieben Dank an die Hörcompany für mein Hörexemplar!
Hier findet Ihr eine Hörprobe:
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