Mittwoch, 2. Oktober 2019

Paul und die Klettenhexe, Claire Barker, Illustrationen Teemu Juhani, Schneiderbuch Egmont



Paul und die Klettenhexe, Claire Barker, Illustrationen Teemu Juhani, Schneiderbuch Egmont

Paul ist ein Spitzenschüler und hat 3 Jahre in Folge den Titel „vernünftigster Schüler der Schule“ gewonnen, worauf er sehr stolz ist. Leider hat er keine Freunde, aber nun ein Stipendium für die Maria-Maria-Makelos-Schule für Hochbegabte gewonnen. Dort wird er unter seinesgleichen sicherlich endlich den ersehnten Anschluss finden! Da seine Eltern Haus „Krähenhorst“ in der Nähe der Schule geerbt haben, zieht die Familie auch gleich dorthin um. Das Haus ist ganz schön alt und hat einen riesigen verwilderten Garten. Dort wohnt Klarinde die Klettenhexe, die sofort beschlossen hat, dass Paul künftig ihr neuer Freund sein wird und erschreckt ihn mit einem Blick durchs Fenster in der ersten Nacht ganz fürchterlich. Auf dem Weg in die Schule stiehlt sie ihm dann auch noch alle Muffins, die seine Mutter ihm für den Einstand mitgegeben hat und bringt ihn auch ansonsten ganz schön in Schwierigkeiten. Denn Klarinde ist sicherlich nicht die vernünftigste und ordentlichste Schülerin der Maria-Makelos-Schule, wegen ihrer ausgefallenen Ideen und magischen Effekte bei den Mitschülern aber sofort beliebt. Mit ihr wird es niemals langweilig. Doch Paul findet Langeweile nun gar nicht mehr so schlimm und eine solche Freundin nicht so erstrebenswert.
Während Paul wirklich unglaublich brav, strebsam und langweilig ist, ist Klarinde das totale Gegenteil. Sie passen wirklich nicht zusammen! Doch wenn Klarinde sich etwas in den Kopf gesetzt hat, so soll es so auch gesehen. Für sie läuft es ja auch prima und sie hat jede Menge Spaß – Paul aber weniger, er stolpert von einer Katastrophe in die nächste und tat mir dabei furchtbar leid, weil er den Ärger, den er bekam überhaupt nicht verdient hat. Das fand meine Tochter (10) sehr ungerecht. Ich konnte Paul verstehen, auf so eine Freundin hätte ich auch verzichtet, aber Paul auch nicht gewollt. Für mich ist das nicht wirklich Freundschaft, was die zwei aus- und vorleben. Eigentlich macht Klarinde nur was sie will und Paul hat offensichtlich kein Mitspracherecht. Doch auch wenn wir die Geschichte bisweilen als ungerecht empfinden, so ist sie doch nicht langweilig. Mit Klarinde ist immer was los. Rechtschreibung ist nicht ihre Stärke, aber sie kennt jede Menge Witze und Hexensprüche. Diese sind fröhlich gereimt und im Anhang sind diese ebenso veröffentlicht, wie ihre Lieblingswitze. Das fand meine Tochter super und hat mit großer Begeisterung die Witze und Scherzfragen studiert. Sie fand die Geschichte auch unterhaltsam, aber über die teilweise himmelschreienden Ungerechtigkeiten regte sie sich schon richtig auf. Das Ende der Geschichte ist dann auch ziemlich überraschend und ein echter Klarinde-Knaller, mit dem man so dann wirklich nicht mehr gerechnet hat. Die Geschichte ist witzig und gut verständlich geschrieben, auch wenn Klarinde gerne mit Sprache spielt und sich neue Wörter ausdenkt. Dabei ist die Schrift angenehm groß mit ebenso angenehmem Zeilenabstand.
Was ist nicht ganz so toll fand, ist dass sie in Klarindes Schrift mit ihren Fehlern abgedruckt sind. Für rechtsschreibstarke Kinder ist es ein großer Spaß und eine tolle Bestätigung ihrer Fähigkeiten, wenn sie die Fehler entdecken und darüber lachen können. Aber ich finde es zum einen nicht so toll über die Schwächen von Mitschülern zu lachen und bei Kindern mit visuellem Gedächtnis können sich falsche Schreibweisen einprägen.
Die Aufmachung mit den vielen Illustrationen ist sehr liebevoll gemacht, ebenso das „Wörderbuch“ im Glossar, dass für Kinder Klarindes bisweilen bizarre Ausdrucksweisen in übliche Ausdrücke übersetzt, die Hexensprüche und ihre Lieblingswitze.
Meiner Tochter hat es gut gefallen, ich fand es weder schlecht, noch richtig gut, sondern pädagogisch fragwürdig, aber unterhaltsam und sehr ansprechend aufgemacht.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Buchcontact und dem Schneiderbuch Egmont Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

Montag, 30. September 2019

Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, ungekürzte Lesung mit Camilla Renschke, Headroom Sound Production, 3 CDs 3 h 13 min



Herzensbruder – Bruderherz, Andrea Schomburg, ungekürzte Lesung mit Camilla Renschke, Headroom Sound Production, 3 CDs 3 h 13 min

Luise meint, sie wäre eine ganz normale Zwölfjährige, zwar Einzelkind, aber mit netten Freundinnen und liebevollen Eltern. Nun gut, sie sind etwas übervorsorglich, aber sie meinen es ja nur gut, auch wenn sie es manchmal übertreiben. Doch dann geschehen zwei Dinge die ihr Leben verändern: Ihre Mutter will, daß sie für den Besuch eines Freundes des Vaters das Haus aufräumen, wobei sie ein altes Fotoalbum findet. Dabei entdeckt sie, daß sie einen Zwillingsbruder namens Felix hatte, der wohl kurz nach der Geburt gestorben ist. Ist das der Grund für ihre Sorge um sie? Warum haben sie ihr nichts davon erzählt? Die Frage beschäftigt sie unentwegt. Auch noch als sie sich heimlich zum Jugendtheater-Workshop anmeldet, den ihre Eltern ihr aus Angst vor seltsamen Subjekten am Theater verboten haben. Als dort alle bei der Vorstellungsrunde nach Geschwistern gefragt werden, erzählt sie von ihrem coolen Zwillingsbruder Felix, dem Jugendtheaterstar und Hip-Hop-Champion. Alle wollen ihn kennen lernen und so gerät Luise in echte Erklärungsnot, aus der sie ausgerechnet Viktor, ihr verschlossener Klassenkamerad befreit.

Eine unglaublich einfühlsame und humorvolle Geschichte über den Mut zur Wahrheit und dem Mut seine Träume zu verwirklichen. Es ermuntert die Gedankenmauern einzureißen und als die Kreidestriche zu entlarven, die sie eigentlich nur sind. Ja, Luise lügt ganz schön viel, aber erst, nachdem sie merkt, daß ihre Eltern ihr etwas verheimlichen und sie fühlt sich dabei immer und immer unwohler, vor allem weil sie merkt, daß jede Lüge die nächste hinterher zieht. Meine Tochter (10) mag eigentlich keine Romanhelden, die lügen, betrügen oder stehlen, aber bei Luise geschieht dies mit so vielen Gewissensbissen und auch nur, weil sie etwas unbedingt machen möchte, daß ihr zwar verboten wurde, aber völlig zu unrecht. Sie ist eine gute Schülerin und erfüllt all ihre Pflichten, hat nette Freundinnen und eigentlich spricht nichts gegen eine Teilnahme. Das Schauspiel als solches ist weder verboten, noch hat es einen schlechten Einfluss, ihre Eltern machen sich nur Sorgen, weil die Gruppe nicht direkt in der Nachbarschaft probt. Doch wer in der Großstadt lebt, muss seinen Kindern auch mal etwas zutrauen, wenn sie älter werden. So erfüllt sich Luise ihren eigenen Traum, den vom Theater, den davon, mal etwas ganz alleine auf die Beine zu stellen, und den von einem großen Bruder, auch wenn Viktor nicht älter ist als sie. Aber Viktor hat Lebenserfahrung und sie kann nicht nur ihn kennenlernen, sondern auch viel von ihm. Für beide ist es ein Gewinn und beide gewinnen durch den Anderen an Mut und Selbstvertrauen hinzu. Allerdings müssen sie feststellen, daß ehrlich doch am längsten währt, da selbst in der Großstadt man solch eine Posse nicht unendlich durchziehen kann, ohne aufzufliegen und es ist auch ganz schön anstrengend! Das hat uns beiden sehr gut gefallen. Kinder und Eltern werden ermutigt: miteinander zu reden, ehrlich zu sein, einander mehr zu zutrauen und die Ängste im Kopf zu besiegen!

Dabei ist der Schreibstil von Andrea Schomburg wunderschön leicht und selbstverständlich, trotz des ernsten Themas. Durch die Ich-Erzählform fühlt man sich sofort angesprochen und die jungen Zuhörerinnen können sich leicht mit ihr identifizieren. Meine Tochter wollte immer wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Wie das Theaterstück sich entwickelt und ob Luise und Viktor auffliegen. Die Autorin hat jahrelang als Gymnasiallehrerin gearbeitet, was sich an der guten Verständlichkeit der Geschichte zeigt. Kein unbekanntes Wort, nichts, was ein Kind nicht auf Anhieb versteht, dafür aber Gefühle, die direkt ins Kinderherz gehen. Diese Geschichte ist in Prosa verfasst, was bei der Lyrik liebenden Autorin ungewöhnlich ist. Die Lyrik kommt daher bei den Liedern ins Spiel, die Luisa für das Musical singt.

Camilla Renschke als Interpretin war mir kein Begriff, aber ihr Foto auf dem Cover kam mir bekannt vor. Klar, sie spielte die Tochter von Kommissarin Inga Lürsen im Bremen Tatort mit Sabine Postel und Oliver Mommsen! Sie klingt jung, verletzlich und doch entschlossen, genau wie wir uns Luise vorgestellt haben. Dabei hat sie eine warme sympathische Stimme der man gerne stundenlang zuhört.


Da uns der Roman so gut gefallen hatten, haben wir uns unbedingt auch das Hörbuch gewünscht, um diese Herzensmomente immer wieder hören zu können.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Autorin für dieses wunderbare Rezensionsexemplar.