Ich überlebte – Ein Mädchen auf Schindlers Liste, Rena Finder, Joshua M. Greene, Jumbo Verlag, 2 CDs 137 Min.
Krakau war in den 1930er Jahren eine blühende Metropole mit einer lebendigen jüdischen Gemeinschaft von 60.000 Mitgliedern. Dennoch bekommt die kleine Rena bereits bei ihrer Einschulung in einer staatlichen Schule zu spüren, dass einige Menschen aus irrationalen Gründen Juden ablehnen oder gar hassen. Mit der Machtübernahme Hitlers haben sie keine Scheu mehr, dies auch offen zu zeigen. Jüdischen Kindern wird schon recht bald der Schulbesuch verboten. Heimlich werden sie im Verborgenen von Privatlehrern unterrichtet, solange ihre Eltern noch arbeiten dürfen und die Lehrkräfte bezahlen können. Doch schon bald wird es nicht nur schwierig als Juden zu arbeiten, sie müssen ihre Häuser verlassen, ins Ghetto umsiedeln. Dort leben Familien auf engstem Raum in einem Zimmer unter unwürdigen Verhältnissen, doch das ist nichts, im Vergleich zu dem was sie nach der Schließung der Ghettos erwartet: Das Konzentrationslager Auschwitz! Rena und ihre Mutter haben das Glück es dort auf die Liste des Industriellen Oscar Schindler zu schaffen. Er und seine Frau Emilie versuchen es ihren 1.200 jüdischen Zwangsarbeitern zu ermöglichen diesen Wahnsinn zu überleben.
Es gibt Ereignisse, die sind so grauenvoll und schrecklich, dass sie sich nie wiederholen dürfen. Zeitzeugen erzählen von dem erlebten Grauen, doch inzwischen ist der Holocaust so lange her, dass nur noch wenige Zeitzeugen leben. Eine der letzten ist Rena Finder, die noch ein kleines Mädchen in Krakau war, als Hitler in Deutschland die Macht übernahm und 15 Jahre alt, als sie durch das Ende des 2. Weltkrieges gewiss sein konnte, überlebt zu haben. Dank des persönlichen Einsatzes des Ehepaares Oscar und Emilie Schindler gehört sie zu den wenigen, die nicht rechtzeitig emigrieren konnten und dennoch überlebten. Anfang der 50er Jahre verließen auch sie, ihr Mann und ihre Freundin Europa und fingen in den USA ganz neu an. Durch eine engagierte Lehrerin begann sie Schulklassen zu erzählen, was sie erlebt hat. Es geht nicht um jedes grausige Detail, sondern darum, dass jeder Mensch ein Recht auf eine respektvolle, menschliche Behandlung hat. Jeder einzelne kann sich dafür einsetzen, auch heute noch. Gemeinsam ist es leichter und es hilft nicht nur gegen den Holocaust, sondern auch gegen Mobbing u.ä. Ihre Botschaft ist also nach wie vor hoch akutell. Es ist ein Dokument der Menschlichkeit und der Hoffnung und weniger des Schreckens. Ein Dokument das hoffentlich die letzten Holocaust-Überlebenden überdauern wird.
Damit die Zuhörenden sich ein besseres Bild von Rena machen können, die sie ja anders als die Schülerinnen und Schüler in den USA, nicht persönlich treffen, stellt sie Parallelen zu Anne Frank her. Diese war ungefähr so alt wie sie, lebte aber vor ihrer Deportation nach Auschwitz in den Niederlanden und sie hätten sich im Lager in Ausschwitz begegnet sein können. Beider Väter wurden verraten, was ihren Tod bedeutete. Doch Rena überlebte, dank eines Industriellen-Ehepaares, das sein gesamtes Vermögen, dass sie auch durch Zwangsarbeit erwirtschafteten, aufbrauchte, um Menschen zu helfen, die ihnen ursprünglich völlig fremd waren. Sie sind dadurch selbst in Not geraten und erfuhren dann wiederum Hilfe von der internationen jüdischen Gemeinschaft, die nicht vergaß, dass die Schindlers ihrem einstigen Leben den Rücken zukehrten, um ihnen zu helfen. Einfach so, weil sie spürten, wie dringend diese Zeiten Menschlichkeit brauchten.
Wir haben dieses Hörbuch als Familie auf der Fahrt in den Urlaub gehört. Die Jüngste ist 13 Jahre alt, ab 12 Jahren ist es zu empfehlen. Durch das Vorwort von Mirjam Zadoff, der Direktorin des NS-Dokumentationszentrums in München wird diese Lebensgeschichte verortet. Es hat uns sehr gut gefallen, dass es nicht um Schockeffekte, sondern ein persönliches Schicksal ging, wobei uns das von Jenny, Renas kleiner Cousine besonders nahe ging. Anders als bei Anne Frank geht es wirklich um den Überlebenskampf. Es kommen keine erotischen Sehnsüchte vor, was es wirklich familientauglich macht. Welcher Teenager möchte schon mit seinen Eltern zusammen Anne Franks romantisch-erotischen Träumen lauschen? Es ist kein Zeitdokument wie das Tagebuch der Anne Frank, sondern ein Zeitzeugenbericht. Wobei Rena Kinder sich bei ihrer Niederschrift der Hilfe des erfahrenen Autors und Journalisten Joshua M. Greene bediente, der das gleiche Anliegen hat wie sie: das Andenken an den Holocaust lebendig zu halten. Da ihre Kindheit nun schon eine Weile zurück liegt betont sie immer wieder, dass sich Erinnerungen im Laufe der Jahre verändern und es sich um eine subjektive Schilderung handelt. Es ist ihre persönliche Wahrheit.
Julia Nachtmann leiht Rena Finder nachdrücklich und eindrucksvoll ihre Stimme. Ohne Pathos aber mit viel Gefühl erzählt sie von der Rettung der Schindler Juden und erinnert immer wieder daran, dass auch Emilie, die Ehefrau von Oscar Schindler ihren ganz großen, bedeutenden Beitrag zu ihrem Überleben beitrug, durch Menschlichkeit und medizinische Versorgung. Abgerundet wird dieses eindrückliche Tondokument durch zwei jiddische Lieder, gesungen von Esther Bejarano (Jahrgang 1924), die das KZ-Ausschwitz-Birkenau überlebte, aber 2021 in Hamburg verstarb. Wir waren erstaunt, wie leicht es uns fiel, die jiddischen Texte zu verstehen. Die Texte sind im Original und auf Deutsch auf der Homepage des Verlags zu finden.
Dieses Hörbuch hat uns vier sehr nachhaltig beeindruckt und bewegt. Nun wollen wir „Schindlers Liste“ sehen. Absolut empfehlenswert!
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Jumbo Verlag für unser Hörexemplar!
Hier findet Ihr eine Hörprobe:
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