Merdyns magische Missgeschicke – Zaubern will gelernt sein, Simon Farnaby, gelesen von Jürgen von der Lippe, Argon Verlag, 1 MP3 ungekürzt
Im Jahre 511 n. Chr. steht Hexenmeister Merdyn vor einem Tribunal, angeklagt wegen unerlaubter Verwendung schwarzer Magie. Dass er dies mit guten Absichten tat, weiß keiner und interessiert keinen. Sein ärgster Rivale Jeremiah Jerabo ist nur zu froh das Urteil zu vollstrecken. Dabei unterläuft ihm jedoch ein Fehler und Merdyn wird vom Strom der Zeit in die Jetzt-Zeit transportiert und landet ausgerechnet bei der unglücklichen Rosie und ihrer trostlosen Familie. Rosie ist gerade mit ihren Gesangskünsten krachend in einem Talentwettbewerb gescheitert. Merdyn verspricht ihr, einen Sangeszauber, sofern sie ihm hilft a) sein magisches Zepter zurückzuerlangen und b) ins Jahre 511 zurückzukehren. Rosie weiß zwar noch nicht wie, ist aber fest entschlossen diese Aufgabe zu bewältigen.
Ehrlich, anfangs war mir gar nicht zum Lachen zumute, da mir Rosie viel zu leid tat. Ihr geliebter Vater gestorben, ihre Mutter verbringt die Tage depressiv vor dem Fernseher und futtert Pralinen, ohne sich um ihre Kinder zu kümmern und Bruder Chris interessiert sich nur für Mode und sein Aussehen. Rosie mit ihrem wirren roten Kraushaar, Brille und Sommersprossen hält ihre Optik nicht für ihre Stärke, doch ihr Vater war fest davon überzeugt, dass in ihr etwas ganz Besonderes steckt. Überzeugt davon, dass er sich nicht irrte, kam Rosie zum dem trügerischen Schluss, dass es wohl ihr Gesangstalent sei, immerhin beschwert sich Meerschweinchen Pupsie nicht, wenn sie ihm vorsingt... In der neuen Schule wird sie nur gehänselt, aber Rosie ist wirklich unerschütterlich und gibt nicht auf. Selbst als der komische Hexenmeister vor ihr steht, sieht sie noch eine Chance. Auch Merdyn ist kein Held für die große Liebe auf den ersten Blick. Dennoch steckt mehr in ihm, als er auf Anhieb preisgibt und davon ist nicht nur Rosie überzeugt. Gemeinsam werden sie die Welt auf den Kopf stellen, na ja, geplant war das ja eigentlich nicht.
Merdyn und seine Sprechweise erinnerte mich immer wieder an den britischen Klassiker Catweazle, allerdings durch den Strom der Zeit in eine noch schnelllebigere Zeit getragen. Die Verblüffung über die heutige Technik funktioniert immer wieder gut, ebenso wie das Erstaunen über die sprachliche Ausdrucksweise des möglicherweise, geisteskranken Hexenmeisters. Sehr schön finde ich daher immer wieder, wenn Jürgen von der Lippe beherzt den jungen Zuhörern erklärt, was denn Merdyn da so von sich gibt. Meistens erklärt er den Ursprung und die Bedeutung heute nicht mehr gebräuchlicher Begriffe, aber bisweilen geht es auch um Gepflogenheiten des finsteren Mittelalters, bzw. warum das finstere Mittelalter eigentlich finsteres Mittelalter heißt. Mit Licht und Sonne hat das wenig zu tun. Das erzählt er so vergnüglich, dass echt was hängenbleibt. Gut bei den altmodischen Beleidigungen hilft wiederholtes Anhören. Wer an diesem skurrilen Abenteuer so viel Vergnügen hat, wie Jürgen von der Lippe selbst, wird es sicherlich auch mehr als einmal hören. Zwischen einzelnen Kapiteln rappt der Comedian kurze Einsichten und Ansichten des Hexenmeisters im Merdyn-Style. Ich wage mal zu behaupten, dass er als Rapper ähnlich erfolgreich wäre, wie Rosie als Beyoncé-Nachfolgerin...
Dies ist das erste Kinderbuch des britschen Comedian und Drehbuchschreibers Simon Farnaby. Neben den kleinen Schlaumeiereien zum Mittelalter gelingt es ihm zwischen den Gags auch noch einige Weisheiten in Merdyns Raps einzubauen, die vom Mittelalter bis heute an ihre Gültigkeit nicht verloren haben. Um etwas Besonderes zu sein, braucht man kein berühmter Popstar zu werden, oder anderen hinterher zu eifern. Lieber sollte man ganz tief in sich hineinhorchen um auf eventuell verblüffende Talente zu stoßen. Oder auch mit Merdyns Worten „Wird man über Nacht zum Star, sieht man erstmal nicht mehr klar.“. Diese Kombination aus Ernsthaftigkeit und britischem Humor ist schon etwas ganz Besonderes.
Empfohlen wird es als Buch ab 8 Jahren, als Hörbuch ab 7 Jahren. Tatsächlich würde ich das Alter höher ansetzten. Mit 7 Jahren kannte meine Tochter derartige TV-Shows noch nicht und auch einiges andere, worauf hier humorvoll Bezug genommen wird, ist Kindern aus lesenden Haushalten oft erst später bekannt. Empfohlen wird dieses skurril magische Abenteuer für Fans von David Williams. Ich kenne lediglich Gangsta-Oma und fand die Grundsituation in der der Junge aufwuchs so freudlos und deprimierend, dass mir das Lachen im Halse stecken blieb. Anfangs ging es mir ähnlich, aber Rosie ist pfiffig, sie schafft es sich nicht unterkriegen zu lassen und gibt nicht auf. Es ist der unerschütterliche Glaube ihres verstorbenen Vaters an sie, der ihr Halt gibt. Sie erkennt in Merdyn das Unmögliche und so geht es nach und nach mit ihrem Leben bergauf, am Ende ist wirklich alles gut, na ja, fast. Es ist wirklich ein gutes Ende und kein kitschiges. Aber davor lassen es die zwei Hexenmeister gehörig krachen und das ist ganz schön dramatisch und aufregend.
Ich bedanke mich ausdrücklich beim Argon Verlag für mein magisches Hörexemplar
Hier findet Ihr eine Hörprobe:
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