Montag, 25. Januar 2021

Der Zwillings Code, Margit Ruile, Loewe Verlag

 

Der Zwillings Code, Margit Ruile, Loewe Verlag

 

Vincent ist siebzehn und hat einen Sozialpunktestatus von Doppel C. Dies ist so seit er denken kann und damit ist klar, dass er für immer ein sozialer Außenseiter sein wird und ein Studium trotz seiner Intelligenz nicht in Frage kommt. Dabei weiß er gar nicht warum sein Punktestand so schlecht ist, der war schon immer so. Er lebt mit seinem Vater, einem erfolglosen Maler, in einem kleinen, heruntergekommenen Einfamilienhaus und betreibt dort eine kleine, illegale Reparaturwerkstatt für Copypet Androidhaustiere. Bei einem seiner Aufträge lernt er eine alte Dame, kennen, deren Wohlstand zu verblassen scheint, aber deren Tier ihm erstaunliche Wege zeigen möchte. Bei diesem Auftrag bittet er Zarah, die Tochter einer anderen Reparaturwerkstatt um Hilfe.  Außerdem arbeitet er in einem Forschungslabor, seit seiner Kindheit. Der Megarechner Deep Thought soll seine Gedanken rekonstruieren. Aus einer Eingebung heraus bittet er den Labornerd Quirin, auszuprobieren, ob Deep Thought auch Erinnerungen aufrufen kann, statt nur aktueller Gedanken. Das Ergebnis ist ebenso verblüffend, wie streng verboten und gefährlich und führt ihn, Quirin, Empfangsassistentin Delia und Zarah tief in die Abgründe einer geheimen Simulation. Langsam begreift Vincent, dass seine Mutter damals nicht zufällig bei einem Unfall ums Leben kam. Will er ihren Kampf fortführen?

 

Zuerst war mir diese Welt sehr fremd. 2055 ist einiges noch wie heute, so gibt es noch Fahrräder und Autos, aber auch vieles ist anders und nicht unbedingt besser. Wie man lebt, bestimmt der Stand der eigenen Sozialpunkte. Diese zu verbessern ist schier unmöglich, sie zu verschlechtern aber durchaus. Vincent durchblickt dieses System auch nicht so ganz und scheint daran zu resignieren. Ebenso wie daran, dass sein Vater seine Mutter nie mehr erwähnt und aufgegeben zu haben scheint. Doch dann entdeckt Vincent einen Brief, der ihn aufbegehren lässt und dieses undurchdringliche System hinterfragen lässt. Es beginnt eine komplexe Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, bei der Vincent zu seiner eigenen Überraschung sehr loyale Freunde findet. Freunde, die eigentlich schon die ganze Zeit da waren, ohne dass es ihm bewusst war und die er auch ganz deutlich unterschätzt hat. Gerade dieser Punkt hat mir ausgesprochen gut gefallen. Einige der Personen sind viel besser als ihr Punktestand und ihre Fassade täuscht. Nicht Oberflächlichkeit hat sie ihr Studium abbrechen lassen müssen, sondern ihre Suche nach Wahrheit. Dabei mag ich sehr gerne die Verquickung zwischen modernen technischen Errungenschaften und alten Erinnungsstücken von Vincents Mutter bzw. in geheimen Lagerräumen verstaubende analoge Überbleibsel. Wobei ich mir nicht so sicher bin, ob die Zielgruppe so genau weiß was ein Plattenspieler oder ähnliches ist. Während sich die Gegensätze zwischen der hochtechnisierten, überwachten Gegenwart und der analogeren, freieren Vergangenheit immer stärker herauskristallisiert, nimmt die Geschichte unglaublich an Fahrt auf. Wobei ich zugeben muss, dass ich während ich versuche die Simulation zu begreifen und Vincent und Co. durch diese zu folgen, ich mich immer wieder frage, ob Vincent wirklich allen drei Freunden trauen kann, oder ob unter Quirin, Delia und Zarah sich ein Verräter befindet.

 

Die Simulation soll eine Abbildung der Wirklichkeit sein, angeblich, um Neuerungen zu testen, doch je mehr Vincent von dieser erlebt, desto kritischer sieht er sie. Ja, auch als Leser wird einem ganz anders, wenn man an diese Simulation und das System der Sozialpunkte denkt. Immerhin gibt es so etwas in China und da sollen ja auch Milliardäre urplötzlich von der Bildfläche verschwinden. Ist diese Dystopie dann wirklich so unwahrscheinlich? Hat man gegen diese Simulation als KI überhaupt eine Chance? Atemlos folgt man Vincent in die Tiefen dieser hinein, sucht ihre Schwäche, einen Ausweg. Das Finale hat es dann in sich, denn es ist nicht nur super spannend, sondern auch wirklich überraschend und ein klitzekleines bisschen romantisch. Ein Gefühl, das die Simulation wohl nie verstehen wird.... natürlich kann sie sich und den Fortschrittsglauben auch nicht kritisch hinterfragen, wie dies die Leser sicher tun werden.

 

Das neue Jugendbuch von Margit Ruile, Autorin von „Dark Noise“ und „God's Kitchen“: spannend, faszinierend weiter zu denken und erschreckend. Mögen wir unseren Mut behalten, um für unsere Überzeugungen eintreten wie Vincent! Ab 14 Jahren.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Loewe Verlag für mein Renzensionsexemplar!

 

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1 Kommentar:

  1. Hey =)

    Das Buch klingt mal wieder richtig spannend. Ich mag es einfach, mit welchen Themen sich die Autorin auseinandersetzt. Ich ahtte zwar an God's Kitchen ein bisschen was zu meckern, aber ihr neues Buch würde ich trotzdem gern lesen.

    LG
    Anja

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