Queenie, Candice Carty-Williams, Patricia Coridun, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP3 744 min,
ungekürzt
Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.
Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist sie in Brixton/London. Ihre üppigen weiblichen Formen sind für viele Männer ein Hingucker, doch für sie zählt nur ihr weißer Boyfriend Tom. Statt ihre Beziehung zu genießen, redet sie sie schlecht, auch aufgrund ihrer eigenen, traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit, ohne Tom an diesen teilhaben zu lassen. Tom ist eigentlich ein netter Kerl, versteht sie und ihre Probleme jedoch nicht. So versteht er nicht, wie sehr die rassistischen Sprüche seines Bruders oder Onkels Queenie verletzten und wiegelt ab, statt für Queenie in die Presche zu springen. Als Tom dann eine Beziehungspause vorschlägt, bricht für Queenie eine Welt zusammen. Schon vorher hat sie sich in der Zeitungsredaktion kein Bein ausgerissen, doch jetzt vertrödelt sie die Arbeitstage fast ausschließlich, oder schwänzt, um sich nach ihren ungeschützten sexuellen Abenteuern in der Frauenklinik durchchecken zu lassen. Statt sich um die Themen zu kümmern die ihr wichtig sind und etwas zu bewegen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche nach sexueller Bestätigung.
Bei diesem Hörbuch hatte ich Zweifel, ob es mir nicht zu lang sein könnte. Tatsächlich hätte ich es mir gekürzt gewünscht, denn mehr als 1 MP3 lang ist Queenie die absolute Katastrophe! Nicht nur ihre besten Freundinnen, haben über ihre triebgesteuerten wahllosen Sexabenteuer zur vergeblichen Füllung ihrer inneren Leere den Kopf geschüttelt. Ich war bisweilen fassungslos, warum sie sich selbst so etwas antut. Sie ist nicht so seelenlos, dass ihr belangloser, bisweilen brutaler aber stets liebloser Sex nicht schadet. Mit jedem Versuch den Verlust ihres Freundes durch ein sexuelles Abenteuer zu vergessen, befriedigt sie irgendeinen Kerl, aber nicht sich selbst. Diesen Typen ist sie völlig gleichgültig, was sich auch daran zeigt, dass es völlig ungeschützt erfolgt und Queenie somit langsam zum Dauergast in der Frauenklinik macht. Dort versucht man ihr Hilfe anzubieten, aber sie lehnt, relativ fassungslos ab!
Ich habe selten so gut und nachvollziehbar die verletzten Gefühle und allgegenwärtigen Demütigungen schwarzer Frauen gehört. Es geht unter die Haut, mach unfassbar wütend und man schämt sich schon beim Zuhören. Es gibt wohl kaum einen rassistisch verletzende Plattitüde, die im Zweifel ja gar nicht so gemeint war, die hier ausgelassen wird. Dennoch verkneifen sich viele Menschen noch immer nicht diese verletzenden Sprüche und fühlen sich auch noch im Recht. Aber leider lässt Queenie ihre Qualitäten verkümmern und benutzt ihren Körper. Wofür eigentlich? Denn sie verletzt sich selbst ja nur noch mehr.
Für mich ist sie nicht, wie beschrieben eine Chaosqueen, sondern eine echte Katastrophe, die es nicht schafft, über ihre wirklichen Gefühle zu sprechen, und das was sie innerlich auffrisst, weiterfressen lässt, statt es frei zu lassen. Queenie hat so viele Probleme, dass es eigentlich für eine Geschichte zu viel ist. Einige ihrer Probleme sieht/hört man geradezu kommen, wie ihr Konflikt mit ihrer Freundin Cassandra. Diese tut ihr in dem Moment eigentlich unrecht, aber ich hätte schon früher die Geduld mit jemandem verloren, der sich überhaupt nicht helfen lässt und sich selbst so wenig achtet und stattdessen einfach treiben lässt. Queenies Freundinnen finde ich sehr sympathisch und ich bewundere ihre Geduld, Langmut und Großzügigkeit, denn über Monate gibt sie nichts zurück, sondern nimmt nur. Irgendwann, nach mehr als der Hälfte der Geschichte, bricht sie zusammen und sie nimmt Hilfe an. Nach und nach erfährt man, was zu diesem selbstzerstörerischen Verhalten geführt hat. Das ist echt harter Tobak. Aber dass sie sich dann doch aufrafft und erfolgreich Hilfe sucht, obwohl dass jeglicher Überzeugung in ihrer Comunity widerspricht, hat mich dann doch wieder etwas mit ihr versöhnt. Mir gefällt, dass die Autorin auch Rückfälle trotz Therapie beschreibt. Diese ist auch ein schmerzhafter Prozess und kein einfaches Allheilmittel. Aber es macht Mut, da es zeigt, dass man Selbstrespekt auch wieder lernen kann, nachdem er brutal zerstört wurde.
Patricia Coridun ist eine tolle Wahl für die Stimme der Queenie. Auch wenn ich ihr Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen kann, so kann ich ihren Schmerz hören und spüren, ganz tief unter der Haut. Sie klingt bisweilen auch einfach nur müde, rau und desillusioniert, eigentlich sehr stark und durchsetzungsfähig, doch ohne den aktuellen Biss. Sie ist unglaublich ausdrucksstark und facettenreich, facettenreicher eigentlich als Queenie selbst, die vor allem leidet und sich selbst bemitleidet, statt sich aufzuraffen und was zu ändern.
Die Tracks sind leider nicht alle 5 Minuten gesetzt, um den Wiedereinstieg zu erleichtern, sondern anscheinend den Kapitellängen angepasst. Mit einem normalen MP3-Abspielgerät dürfte das entsetzlich sein, es sollte also unbedingt eine Memory/Hörbuchfunktion vorhanden sein, die automatisch an der richtigen Stelle des Tracks wieder einsetzt. Ein Track kann locker länger als eine halbe Stunde dauern. Dafür kommt jede MP3 aber mit relativ wenigen Tracks aus, so dass mein MP3 Player mit Memoryfunktion die Tonträger auch akzeptiert... Ja, ich mag CDs einfach lieber...
Queenie ist sexuell sehr experimentierfreudig, man sollte dieses Hörbuch auf keinen Fall bei Gelegenheiten hören, bei denen Kinder hereinplatzen könnten. Dabei finde ich ihre Eskapaden allerdings überhaupt nicht erotisch, sondern einfach nur selbstzerstörerisch. Ich schätze aber auch, dass es durchaus so gemeint ist.
Ein Hörbuch, das mich sehr zwiespältig hinterlässt, da es ganz klare Stärken hat, ich ihre Hauptperson Queenie aber bisweilen unerträglich anstrengend finde.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Steinbach Sprechende Bücher für dieses ausdrucksstarke, aber auch nervenaufreibende Hörbuch.
Hier findet Ihr eine Hörprobe:
https://www.sprechendebuecher.de/ssb_audio/1296.mp3
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