Mittwoch, 30. Dezember 2020

Als die Nacht begann, Alexander Hartung, Edition M

 

Als die Nacht begann, Alexander Hartung, Edition M

 

Der 7. Fall für Kriminalhauptkommissar Jan Tommen und sein eigenwilliges Ermittlerteam.

Während Jan gerade bei der Anprobe seines Hochzeitsanzugs gelangweilt herumzappelt, wird er zu einem Einsatz in der Nähe gerufen. Mitten auf der Friedrichstraße ist eine junge, schöne Studentin auf offener Straße aus dem Hinterhalt erschossen worden. Macht ein Heckenschütze nun Berlin unsicher? Auch das Handyvideo eines ausländischen Touristen lässt keine eindeutig anderen Schlüsse zu. Als sie in das Privatleben des Opfers eintauchen wird der Fall immer unwirklicher, da unerklärlicher. Es scheint jegliches Mordmotiv zu fehlen. Mitten in die Verwirrung der Ermittler platzt die Nachricht eines zweiten Opfers. Ein junger Computernerd wurde in seiner Mittagspause auf einer Bank am See sitzend aus der Entfernung erschossen. Bis auf die Tatsache, dass auch seine Wohnung Rätsel aufgibt, scheint es keinerlei Verbindung zwischen den Opfern zu geben und alles auf Zufallstaten hinzudeuten. Das macht die Aufklärung der Mordserie nahezu aussichtslos.

 

Jan Tommens Ermittlerteam ist schon sehr speziell und arbeitet meistens jenseits der Legalität. Deswegen hält Jan seinen jungen, stets tadellos gekleideten Kollegen Patrick auch oft absichtlich im Dunklen über ihren Erkenntnisgewinn. Gerichtsverwertbar sind ihre Methoden zumeist nicht, dafür aber ausgesprochen effektiv. Da wäre Gerichtsmedizinerin Zoe, kettenrauchende, schöne Tochter des inzwischen inhaftierten Oberhauptes eines Verbrechersyndikates, aber ohne die Neigungen ihres Vaters. Chandu, ein Türsteher/Personenschützer von beeindruckender Statur und Fitness mit besten Kontakten in die Unterwelt und die der organisierten Kriminalität, dessen Freundschaft mit Jan daher besser geheim bleiben sollte. Doch wer könnte seinen Kochkünsten widerstehen? Und Hacker Max, mit unstillbarem Durst auf Ovomaltine-Cola und inzwischen offizieller Berater der Kripo Berlin und daher mit eigenem winzigen Büro ausgestattet. Max ist daher auch derjenige, der sich am Besten in das zweite Opfer hineinversetzen kann und dem die Ungereimtheiten von dessen Wohnung keine Ruhe lässt.

 

Der Fall ist schnell, scheinbar völlig unmotiviert und eiskalt berechnet. Trotz der Gnadenlosigkeit der Vorgehensweise, ist dieser Thriller schnell und spannend, doch nicht blutrünstig. Auch Pathologin Zoe seziert nicht seitenweise Leichen oder erläutert die Besonderheiten des Verwesungsprozesses. Fesselnd ja, aber nicht abstoßend, dafür mit jeder Menge trockenem Humor, der es mir leicht macht, dieses schräge Ermittlerteam zu mögen. Es macht Spaß nach Hinweisen zu fahnden, oder über andere Ermittlungsansätze nachzudenken, wenn Jan und Co. sich mal wieder festgebissen haben. Dieser Fall zieht allerlei zwielichtiges Gesocks an, denn irgendwo muss der Täter sich die Waffe ja besorgt haben. Dabei gibt es auch wieder Bezüge zu nerdigen Typen und Algorithmen, die ich echt interessant finde. So hatte ich keine Ahnung, dass stetig an Computerprogrammen gearbeitet wird, die zukünftige Verbrechen anhand bekannter Daten vorhersagen sollen. Es wird einem auch manchmal ganz anders zumute, wenn man mitbekommt, was den Hackern so alles möglich ist. Bisweilen sind hier die Grenzen etwas fließend. Die Ermittler treffen sich immer wieder bei Chandu zum Essen, um die neuesten Ansätze und Erkenntnisse auszutauschen und später in Telefonkonferenzen, da die Zeit fürs Essen einfach nicht mehr reicht. Gut für Jan, der ja immerhin noch in seinen Hochzeitsanzug, eine Nummer kleiner, passen soll.

Am Ende spannt sich der Bogen zum Prolog, der anfangs den Leser ziemlich ratlos lässt, letztendlich aber absolut schlüssig ist.

 

Spannend, überraschend, solide und kurzweilig. 4,5 Sterne. Was will man von einem Thriller mehr?

 

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Lovely Books Leserunde mit Autor!

 

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