Montag, 23. September 2019

Der Fall der linkshändigen Lady – Ein Enola Holmes Krimi, Nancy Springer, Knesebeck



Der Fall der linkshändigen Lady – Ein Enola Holmes Krimi, Nancy Springer, Knesebeck

Nachdem die 14 jährige Enola Holmes, die kleine Schwester von Sherlock und Mycroft eine Betrügerin entlarvt hat, hat sie inkognito deren Büroräume übernommen und residiert dort nun als Dr. Ragostin, wissenschaftlicher Perditor. Denn solange ihre Brüder sie suchen und in ein Internat für höhrere Töchter schicken wollen, ist dies ihre einzige Möglichkeit in Freiheit zu leben. Ihr erster potenzieller Kunde ist ausgerechnet Dr. Watson, der Dr. Ragostin beauftragen möchte Sherlocks kleine Schwester zu finden. Dabei verrät er Enola unabsichtlich, daß der große Sherlock die Übernahme des Falles der verschwundenen 14-jährigen Lady Cecily abgelehnt hat. Solche Fälle seinem ihm zu langweilig, nicht jedoch seiner Schwester, die neugierig ist, was mit ihrer Altersgenossin geschehen ist. In einer weiteren Identität sucht sie die Mutter des verschwundenen Mädchens auf. Ein Blick in deren Zimmer ist wie ein Blick in ihre geheime Seele. Genau wie sie, sehnte sie sich nach Freiheit und sollte dennoch in die Zwänge ihres Geschlechts in der damaligen Zeit gepresst werden. Ganz klar ein Fall für sie!

Wie auch schon im ersten Fall, werden immer wieder die Rolle der Frau in der Gesellschaft im Jahre 1889 in den verschiedenen Schichten thematisiert. Egal welcher Schicht man als Mädchen oder Frau angegehörte, so war man doch immer in eine Rolle gepresst. Nun wird die Gesellschaftskritik jedoch erweitert, denn nicht nur Frauen und Mädchen waren ohne Rechte, eigentlich der Großteil der Gesellschaft. Ein Grund für Karl Marx sein monumentales „Das Kapital“ zu verfassen. Wie die junge Perditorin nun erleben muss, gibt es noch viel mehr Menschen, die sich über die Klassenunterschiede und Zwänge in London aufregen, als nur sie. Doch viele greifen zu anderen Mitteln, die nicht immer friedlich sind. So gerät sie in große Gefahr. Je mehr sie diese am eigenen Leib spürt, desto mehr bangt sie um die junge Cecily, die spurlos verschwunden zu sein scheint.

Der zweite Band ist deutlich spannender als der erste und konzentriert sich auch wirklich mehr auf den Fall, als auf seine Ermittlerin. Auch kommt das Verschwinden der jungen Adeligen viel früher zur Sprache. Zwar sind die familiären Hintergründe im Auftaktband interessant gewesen, haben für meinen Geschmack aber zu viel Raum eingenommen. Diesmal sind sie wie ein roter Faden, der sich durch die Geschichte zieht, ohne diese jedoch zu erdrücken. Dabei reagieren sowohl die Perditorin, als auch der Meisterdetektiv diesmal sehr emotional, wodurch ihnen Fehler unterlaufen. Doch wer wird wird durch diese Fehler mehr Schaden nehmen, Bruder oder Schwester? Sehr untypisch die Mitglieder der Familie Holmes von der Logik abweichen zu sehen, aber durchaus reizvoll, gerade für die Zielgruppe junger Damen. Für diese finde ich sehr gut, die sozialen Misstände dieser bisweilen verklärten Zeit und die sozialen Errungenschaften, die wir seitdem erfahren durften klar und deutlich vor Augen zu führen. Sprachlich ist es für die Zeit und die Zielgruppe angemessen und gut verständlich zu lesen. Einen erläuternden Anhang zu den angerissenen politischen Ereignissen und Anschlägen hätte ich aber noch ganz schön gefunden.

Ich bin etwas hin- und hergerissen, was ich von der Auflösung des Falles halten soll. Einerseits finde ich es etwas unglaubwürdig, andereseits passt es aber gedanklich und von der Weltsicht her zur damaligen Zeit und zu den klassischen Holmesfällen. Auch die Vielzahl an Tarnidentitäten und Verkleidungen passt zu dem klassischen Detektivroman. Ganz eindeutig ist dieser Band aber kurzweiliger als der erste  und auch spannender. Er hat mir wirklich gut gefallen!

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Knesebeck Verlag für diese spannende Fortsetzung.

Samstag, 21. September 2019

Henning, Ein Elch reist ins Glück, Antje Szillat, Jan Birck, dtv Verlag



Henning, Ein Elch reist ins Glück, Antje Szillat, Jan Birck, dtv Verlag

Henning ist ein stolzer, junger, edler Elch aus den tiefsten Wäldern Schwedens. Dummerweise ist er Tierfängern ins Netz gegangen und lebt seither in einem Filmtierpark in der Nähe von Berlin. Da er von seiner Familie, seinen Freunden und seiner großen Liebe Finja getrennt ist, wird er immer melancholischer. So kommt es, daß er als toter oder kranker Elchdarsteller für Filmaufnahmen sehr gefragt ist. Gegen seine Traurigkeit steckt man eines Tages, seinen ehemaligen Waldgefährten Ole in sein Gehege. Der erzählt ihm den neuesten Klatsch aus der alten Heimat, unter anderem, daß „seine“ Finja, sich nun mit dem Angeber Boris verloben will. Finja lebt und wurde nicht vom Grizzly gefressen?! Bei nächster Gelegenheit macht sich Henning aus dem Staub, um die anstehende Verlobung seiner Finja zu verhindern.


Es folgt ein abenteuerlich – nachdenklich – witziger Roadtrip! Henning hat es eilig, alleine käme er niemals rechtzeitig in seinen Heimatwald, um die Katastrophe zu verhindern, aber immer wieder nimmt ihn jemand im Auto mit. Dabei bekommt der Mitfahrer Henning, stets alle Sorgen und Nöte seines jeweiligen Fahrers erzählt. Henning stellt sich artig vor, wird aber stets falsch verstanden. Daher lauscht er und ist damit der beste Therapeut. Die Fahrer fühlen sich von ihm verstanden, er ist so ein guter Zuhörer! Beim Erzählen stellen sie fest, daß sie eigentlich schon selbst die Lösung all ihrer Probleme kennen, sie müssen sich nur trauen. So wie Henning sich traut und auf die Erfüllung seines Glücks hofft. Jeder der Reisegefährten ist anders, vom Alter, Geschlecht und von den Wünschen her, doch allen kann Henning in seiner stillen Freundlichkeit helfen. Jeder traut sich sein eigenes persönliches Glück in Angriff zu nehmen. Denn auch wenn jeder den Weg zum Glück finden kann, fällt es einem nicht in den Schoß. Man muss auch mal was wagen. Es gibt keine Garantie. Manchmal ist der Weg auch holpriger und nicht immer sonnig, doch die nächste Lichtung kommt bestimmt.

Man merkt, daß Autorin Antje Szillat selbst an das Glück und an die Liebe glaubt, die mal mehr Arbeit macht und manchmal nur genossen werden muss, aber immer ein Risiko wert ist. So kommt es, daß trotz Hennings Melancholie, diese Geschichte sehr aufmunternd ist. Sie schenkt Mut und macht Spaß. So gibt es neben allen Denkanstößen auch jede Menge Spaß und Abenteuer, sowie running-gags. Denn so unterschiedlich seine Weggefährten auch sind, so haben sie doch alle etwas gemeinsam. Sie verstehen ihn nie richtig! Sehr schön finde ich, daß selbst die schrägsten Typen hier noch liebevoll dargestellt werden und auch das Alter in Person von Phine nicht nur mit Respekt, sondern Wärme präsentiert wird. Man muss diese Helden einfach lieben.

Jan Birck ist auch der Illustrator von Antje Szillats erfolgreichen Flätscher-Comic-Romanen. Diese sind als gefährliche Verbrecherjagden aber viel düsterer illustriert. Trotz aller Sorgen und ungewissenem Bangen, sind die Bilder lichtdurchflutet und warm. Dabei sind die Elchblicke bisweilen unbezahlbar! Aber auch jenseits der Blicke lassen sich viele witzige Details finden, die das gemeinsame Lesen mit Kindern zu einem großen Spaß werden lässt.

Dieses Buch passt in keine Schublade. Da es das Geheimnis des Glücks offenbart, ist es eigentlich eine Geschichte, die in jedes Alter passt, zeitlos zauberhaft, offenbart es die verschiedenen Facetten von Glück und die geschwungenen Pfade, die man bisweilen gehen muss, um die Wegrichtung tief verborgen in seinem Innersten zu finden; denn Glück ist ein ganz persönliches Gefühl.  Zitat; „Und was ist mit der Liebe?“ „Liebe, oh ja, die kommt gelegentlich auch darin vor.“

Ein Buch, daß man zusammen lesen kann, aber auch wunderbar verschenken. Zum Aufmuntern, gemeinsamen Lachen, oder einfach glücklich sein. Eine Geschichte, die man gut mehrmals lesen kann und in der man immer wieder schöne neue Gedanken und Zitate entdecken kann, oder eben lustige illustrierte Details.

Dieses Buch ist Balsam für die Seele! Es macht einfach glücklich.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Antje Szillat, Jan Birck und dem dtv Verlag für diese vergnüglichen Stunden mit Henning, Phine & Co.