Samstag, 9. Oktober 2021

Die Schwestern vom Ku'damm (4) Ein neuer Morgen, Brigitte Riebe, gelesen von Tanja Fornaro, 11 Std. Download ungekürzt

Die Schwestern vom Ku'damm (4) Ein neuer Morgen, Brigitte Riebe, gelesen von Tanja Fornaro, 11 Std. Download ungekürzt

 

Nach Rieke, Sylvie und Flori wird nun die Geschichte der 4. Thalheimtochter Miri, inzwischen Miriam Feldmann erzählt. Berlin 1966 ist eine komplett geteilte Stadt ringsum umgeben von der DDR. Willy Brandt ist mittlerweile Außenminister. Politisch beginnt es zu brodeln, alles ist im Umbruch, auch die Mode. Das Traditionskaufhaus muss sich verjüngen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Als Chef-Designerin muss Miri ihren Vater Patriarchen Friedrich davon überzeugen, dass Eleganz und Pastell passé sind, Knallfarben, psychodelische Muster, Miniröcke, Flatterblusen und Chiffon der letzte Schrei. Mit ihrem Mann Scharni und Adoptivtochter Jenny scheint sie nach der Zeit als Jüdin im Untergrund endlich angekommen zu sein, doch dann wird ihr Leben wieder aus der Bahn geworfen: sie ist jetzt, da sie alle Hoffnungen aufgegeben hatte schwanger und sie trifft Moritz wieder, der sie mit seiner Mutter im Krieg vor den Nazis versteckte. Alte Erinnerungen und Gefühle brechen über sie herein, während die Hormone ihren Körper überschwemmen und die Studentenaufstände die Stadt in Aufruhr versetzen. Während Friedrich Thalheim mit diesen Veränderungen überfordert zu sein scheint, kommen seine Töchter besser damit zurecht.

 

Patriarch Friedrich Thalheim war ein echter Hallodri und so haben seine vier Töchter 3 verschiedene Mütter, sein Sohn Oscar, Sylvies Zwillingsbruder ist inzwischen verstorben. Als Tochter von Friedrichs jüdischer Chefdesignerin kam erst spät ans Licht, dass Miri Sternberg eigentlich eine Thalheim ist. Aufgrund ihrer jüdischen Mutter musste auch sie während des Nazi-Terrors mit Verfolgung und Todesangst Leben. Erfahrungen, die sie bisher tief in sich verschlossen hatte und erst jetzt, Jahrzehnte später nach und nach mit ihren Liebsten teilt. So taucht man mit ihr nicht nur in die trubelige Welt der Studentenrevolten, der politischen Attentate und der Moderevolution ein, sondern teilt mit ihr auch die dunkelsten Stunden ihrer Vergangenheit, in immer wieder eingeschobenen Rückblicken. Das finde ich als Technik für Hörer sehr angenehm, da es so ganz klar ins Bewusstsein ruft, dass beide Welten Teile von Miris Persönlichkeit sind und man nie vergisst, dass die junge Designerin trotz aller Widrigkeiten nicht nur eine Kämpferin ist, sondern auch überlebt hat. Dabei wird Geschichte und Politik geschickt mit persönlichen Erlebnissen der Familie verknüpft. Miri fühlt sich teilweise hin- und hergerissen, zwischen Familie, Beruf, einer Teenagerin und einem Baby. Dabei ist diese Teenagerin adoptiert und dunkelhäutig und tut sich schwer damit, sich selbst und ihren Platz in Welt zu finden. Immer wieder wird Miri klar, dass die andere Hautfarbe Jennys auch bei aller Liebe, diese immer wieder Ausgrenzung und Rassismus erleben lässt. Kein Wunder, dass sie Jimmy Hendrix so verehrt! Selbst dass Ulrike Meinhof die damaligen Zustände in Kinderheimen und Kindergärten kritisch und begründet anprangerte, wird neben den Terroranschlägen miteingeflochten. Ja, Jenny hatte mit dem Kinderheim von Ben Green großes Glück, ebenso wie ihre Freundinnen. Da der Clan inzwischen sehr groß und vielfältig ist, begegnen ihnen die Großen ihrer Zeit und sei es, bei Ausstellungen von Nesthäkchen Flori oder vor der Kameralinse ihres Freundes Banker.

 

Die Stimme von Tanja Fornaro finde ich erstaunlich reif und erwachsen, allerdings ist Miri inzwischen auch eine gestandene Frau mit eigener Familie und nicht mehr die junge geflüchtete Näherin aus den ersten Bänden. Ihre Stimme klingt unglaublich warm und empathisch und trifft damit genau Miris herausragendsten Charakterzug, denn sie ist die Seele unter den Schwestern, die Ausgleichende, die Vermittelnde. Selbst ihre Kreativität und ihr treffsicherer Stil, ihr Gefühl für Schnitte, stehen hinter dieser Herzenswärme zurück. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man ihre ganze Geschichte kennt.

 

Autorin Brigitte Riebe hat Geschichte studiert und das hört man der Geschichte auch an. Gekonnt verknüpft sie die Geschicke der Familie Thalheim und dieses mal ganz besonders von Miriam als Jüdin, mit denen des Zeitgeschehens. Aber nicht nur dass, sie stellt auch Querverbindungen und Zusammenhänge her und beleuchtet sie von verschiedenen Perspektiven. So ist Rut Brandt nicht nur ihre Kundin und im Laufe der Geschichte auch die Frau des Bundeskanzlers, sie ist auch Mutter und eine Frau mit Sinn für Mode. Selbst interessante Nebenfiguren bekommen hier eine Seele, so dass die Geschichte einen auch wirklich berührt und nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz erreicht, ohne sentimental zu triefen. Sehr gut gefällt mir, dass die Fäden der drei Vorgängerbände aufgegriffen werden und wir somit auch erfahren, was mit den übrigens Thalheims und all jenen, die um sie herumschwirren geworden ist – egal ob sie uns sympathisch oder unsympathisch waren. Ja, denn auch den Thalheims sind auch Unsympathen mit Charisma begegnet, die immer wieder Unheil stiften, bis sie sich selbst zum Opfer fallen.

 

Geschichte, die unter die Haut geht. Eine Berliner Familiensaga, mit Herz, Schnauze und Weitblick.

 

Vielen lieben Dank für mein Wunschhörbuch an den Argon Verlag!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.argon-verlag.de/hoerbuch/riebe-die-schwestern-vom-kudamm-ein-neuer-morgen-2006620/

 

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