Donnerstag, 3. Dezember 2020

Queenie, Candice Carty-Williams, Patricia Coridun, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP3 744 min, ungekürzt

 

Queenie, Candice Carty-Williams, Patricia Coridun, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP3 744 min,

ungekürzt

 

Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.

Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist sie in Brixton/London. Ihre üppigen weiblichen Formen sind für viele Männer ein Hingucker, doch für sie zählt nur ihr weißer Boyfriend Tom. Statt ihre Beziehung zu genießen, redet sie sie schlecht, auch aufgrund ihrer eigenen, traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit, ohne Tom an diesen teilhaben zu lassen. Tom ist eigentlich ein netter Kerl, versteht sie und ihre Probleme jedoch nicht. So versteht er nicht, wie sehr die rassistischen Sprüche seines Bruders oder Onkels Queenie verletzten und wiegelt ab, statt für Queenie in die Presche zu springen. Als Tom dann eine Beziehungspause vorschlägt, bricht für Queenie eine Welt zusammen. Schon vorher hat sie sich in der Zeitungsredaktion kein Bein ausgerissen, doch jetzt vertrödelt sie die Arbeitstage fast ausschließlich, oder schwänzt, um sich nach ihren ungeschützten sexuellen Abenteuern in der Frauenklinik durchchecken zu lassen. Statt sich um die Themen zu kümmern die ihr wichtig sind und etwas zu bewegen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche nach sexueller Bestätigung.

 

Bei diesem Hörbuch hatte ich Zweifel, ob es mir nicht zu lang sein könnte. Tatsächlich hätte ich es mir gekürzt gewünscht, denn mehr als 1 MP3 lang ist Queenie die absolute Katastrophe! Nicht nur ihre besten Freundinnen, haben über ihre triebgesteuerten wahllosen Sexabenteuer zur vergeblichen Füllung ihrer inneren Leere den Kopf geschüttelt. Ich war bisweilen fassungslos, warum sie sich selbst so etwas antut. Sie ist nicht so seelenlos, dass ihr belangloser, bisweilen brutaler aber stets liebloser Sex nicht schadet. Mit jedem Versuch den Verlust ihres Freundes durch ein sexuelles Abenteuer zu vergessen, befriedigt sie irgendeinen Kerl, aber nicht sich selbst. Diesen Typen ist sie völlig gleichgültig, was sich auch daran zeigt, dass es völlig ungeschützt erfolgt und Queenie somit langsam zum Dauergast in der Frauenklinik macht. Dort versucht man ihr Hilfe anzubieten, aber sie lehnt, relativ fassungslos ab!

 

Ich habe selten so gut und nachvollziehbar die verletzten Gefühle und allgegenwärtigen Demütigungen schwarzer Frauen gehört. Es geht unter die Haut, mach unfassbar wütend und man schämt sich schon beim Zuhören. Es gibt wohl kaum einen rassistisch verletzende Plattitüde, die im Zweifel ja gar nicht so gemeint war, die hier ausgelassen wird. Dennoch verkneifen sich viele Menschen noch immer nicht diese verletzenden Sprüche und fühlen sich auch noch im Recht. Aber leider lässt Queenie ihre Qualitäten verkümmern und benutzt ihren Körper. Wofür eigentlich? Denn sie verletzt sich selbst ja nur noch mehr.

 

Für mich ist sie nicht, wie beschrieben eine Chaosqueen, sondern eine echte Katastrophe, die es nicht schafft, über ihre wirklichen Gefühle zu sprechen, und das was sie innerlich auffrisst, weiterfressen lässt, statt es frei zu lassen. Queenie hat so viele Probleme, dass es eigentlich für eine Geschichte zu viel ist. Einige ihrer Probleme sieht/hört man geradezu kommen, wie ihr Konflikt mit ihrer Freundin Cassandra. Diese tut ihr in dem Moment eigentlich unrecht, aber ich hätte schon früher die Geduld mit jemandem verloren, der sich überhaupt nicht helfen lässt und sich selbst so wenig achtet und stattdessen einfach treiben lässt. Queenies Freundinnen finde ich sehr sympathisch und ich bewundere ihre Geduld, Langmut und Großzügigkeit, denn über Monate gibt sie nichts zurück, sondern nimmt nur. Irgendwann, nach mehr als der Hälfte der Geschichte, bricht sie zusammen und sie nimmt Hilfe an. Nach und nach erfährt man, was zu diesem selbstzerstörerischen Verhalten geführt hat. Das ist echt harter Tobak. Aber dass sie sich dann doch aufrafft und erfolgreich Hilfe sucht, obwohl dass jeglicher Überzeugung in ihrer Comunity widerspricht, hat mich dann doch wieder etwas mit ihr versöhnt. Mir gefällt, dass die Autorin auch Rückfälle trotz Therapie beschreibt. Diese ist auch ein schmerzhafter Prozess und kein einfaches Allheilmittel. Aber es macht Mut, da es zeigt, dass man Selbstrespekt auch wieder lernen kann, nachdem er brutal zerstört wurde.

 

Patricia Coridun ist eine tolle Wahl für die Stimme der Queenie. Auch wenn ich ihr Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen kann, so kann ich ihren Schmerz hören und spüren, ganz tief unter der Haut. Sie klingt bisweilen auch einfach nur müde, rau und desillusioniert, eigentlich sehr stark und durchsetzungsfähig, doch ohne den aktuellen Biss. Sie ist unglaublich ausdrucksstark und facettenreich, facettenreicher eigentlich als Queenie selbst, die vor allem leidet und sich selbst bemitleidet, statt sich aufzuraffen und was zu ändern.

 

Die Tracks sind leider nicht alle 5 Minuten gesetzt, um den Wiedereinstieg zu erleichtern, sondern anscheinend den Kapitellängen angepasst. Mit einem normalen MP3-Abspielgerät dürfte das entsetzlich sein, es sollte also unbedingt eine Memory/Hörbuchfunktion vorhanden sein, die automatisch an der richtigen Stelle des Tracks wieder einsetzt. Ein Track kann locker länger als eine halbe Stunde dauern. Dafür kommt jede MP3 aber mit relativ wenigen Tracks aus, so dass mein MP3 Player mit Memoryfunktion die Tonträger auch akzeptiert... Ja, ich mag CDs einfach lieber...

 

Queenie ist sexuell sehr experimentierfreudig, man sollte dieses Hörbuch auf keinen Fall bei Gelegenheiten hören, bei denen Kinder hereinplatzen könnten. Dabei finde ich ihre Eskapaden allerdings überhaupt nicht erotisch, sondern einfach nur selbstzerstörerisch. Ich schätze aber auch, dass es durchaus so gemeint ist.

 

Ein Hörbuch, das mich sehr zwiespältig hinterlässt, da es ganz klare Stärken hat, ich ihre Hauptperson Queenie aber bisweilen unerträglich anstrengend finde.

 

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Steinbach Sprechende Bücher für dieses ausdrucksstarke, aber auch nervenaufreibende Hörbuch.

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.sprechendebuecher.de/ssb_audio/1296.mp3

 

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Dienstag, 1. Dezember 2020

Hurra, wir spielen ein Konzert, Marie-Luise Dingler, Jessica Marquardt

Hurra, wir spielen ein Konzert, Marie-Luise Dingler, Jessica Marquardt

 

Das Eichhörnchen und der Igel sind beste Freunde und wohnen auch zusammen. Sie verbindet die Liebe zur Musik. Das Eichhörnchen spielt Mandoline und der Igel die Geige. Das mag zwar eine ungewöhnliche Kombination sein, aber sie entlocken ihren Instrumenten gemeinsam die schönsten Klänge und Melodien. Weil sie so viel Freude an der Musik haben, möchten sie diese Freunde gerne mit anderen teilen und beschließen, dass sie gerne mal vor Publikum auftreten würden. So ein richtiges Konzert wäre doch aufregend, doch wie macht man das? In der Zeitung finden sie die Ankündigung eines Konzertes in der örtlichen Halle. Begeistert rufen sie dort an, doch der Bär, der dafür zuständig ist, wimmelt sie grob ab, da er sie nicht kenne und von einem Konzert mit Violine und Mandoline habe er ja noch nie gehört! Das macht die zwei Freunde sehr traurig. Ihre Freude an der Musik, kann es ihnen aber nicht nehmen. Also beschließen sie zusammen im Wald zu spielen und ein paar anderen Tieren Ort, Datum und Zeit zu nennen, damit sie zuhören können.

 

Musik ist nicht nur wunderschön, sie verbindet auch, besonders wenn man sie sich gemeinsam anhört oder musiziert. Dann ist es ein Fest für Ohren und Seele. Dabei müssen es nicht unbedingt die berühmtesten Musiker der Welt sein. Die Freude an der Musik überträgt sich auch so von leidenschaftlichen Musikern, seien es Profis oder nur Liebhaber, auf ihr Publikum. Es ist für die Musiker ebenso schön, die Freude an der Musik an den Gesichtern ihrer Zuhörer abzulesen, wie es für diese ist, ihnen zu lauschen. Dabei kann man überall musizieren. Es muss kein Konzerthaus sein, auch in der Natur macht es Freude, besonders, wenn man sehen kann, wie sehr die Zuhörer dem Ereignis entgegen fiebern.

 

Tatsächlich, das Konzert der Freunde wird ein voller Erfolg! Es wird ein Fest für die Musik und ein Ort der Begegnung, bei dem Tiere miteinander sprechen, die bislang noch nie miteinander zu tun hatten! Es braucht also gar nicht unbedingt einer Halle, die Begeisterung für die Musik reicht für ein unvergessliches Erlebnis. Die Tiere des Waldes zeigen ihre Begeisterung ganz offen und ehrlich und überraschen das Eichhörnchen und den Igel mit... Das wollen wir ja nun nicht verraten. Der Umgang der zwei Freunde miteinander ist sehr herzlich, auch wenn man den Igel mit seinen Stacheln wohl kaum knuddeln kann, aber das ist ja rein äußerlich, von innen kommt ganz viel Anschmiegsamkeit! So gibt es zu den positiven Botschaften auch immer etwas zum Schmunzeln, bzw. für die Zielgruppe ab 4 Jahren, sogar zum Lachen. Ganz klar und schon für die Kleinen verständlich ist: man braucht keine Angst zu haben, auch wenn mal was schief läuft, man ist unter Freunden und wird nicht ausgelacht. Wenn mal was nicht so klappt, einfach noch mal von vorne versuchen, ist nicht schlimm – jeder macht mal Fehler. Die Freude zählt! Welche wunderschöne Botschaft, die Mut macht und Lampenfieber nehmen kann!

 

Die Illustrationen von Jessica Marquardt sind sehr liebevoll und freundlich. Durchweg farbig unterstützen sie die Geschichte an den richtigen Stellen und so manches Kind wird nun neugierig auf eine Mandoline sein. Das ist ja immerhin ein Instrument, dass nicht ganz alltäglich ist!

 

Marie-Luise Dingler ist Vollblutmusikerin und tritt mit ihrem Bruder Christoph als Violinduo „The Twiolins“ auf. Durch den Corona-Lockdown, der die Kulturbranche besonders hart trifft, fand sie die Zeit diese liebevolle Geschichte niederzuschreiben, die ihr schon lange im Kopf herumspukte...

 

Ein wunderschönes Bilderbuch für kommende Vollblutmusiker, egal ob als Laien oder Profis, die Liebe zur Musik zählt und verbindet.

 

Wir bedanken uns ganz herzlich für unser Rezensionsexemplar bei seinen Schöpferinnen und der Agentur Buchcontact.

 

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