Samstag, 25. Januar 2020

Der Hof der Wunder, Kester Grant, gelesen von Marie Bierstedt, Random House Audio, 2 MP3 9 h 25 min.



Der Hof der Wunder, Kester Grant, gelesen von Marie Bierstedt, Random House Audio, 2 MP3 9 h 25 min.

1823 in einem alternativen Paris, in dem die Revolution gescheitert ist. Der Hof schlemmt, während das Volk weiterhin hungert. Es hat sich eine Parallelgesellschaft der vom Kömogshof Vergessenen gebildet: Der Hof der Wunder, nennt sich das Regiment der Verbrecher, es hat ein eigenes Gesetz, eigene Regeln und eigene Strukturen geglieder in 9 Verbrechensgilden und Grundsätze. Die zwölfjährige Nina ist ausgemergelt, zierlich und unterernährt, dafür flink und geschickt, wird sie von ihrem versoffenen Vater Tabernier, einem Herrn der Diebesgilde für Einbrüche missbraucht und um in seiner Schänke zu arbeiten. Ihre geliebte Schwester Azelma, die sie anstelle der durchgebrannten Mutter großzog, ist am Boden zerstört und weint seit Tagen. Sie vertraut Nina ihrem Geliebten an und empfiehlt ihr sich als Junge zu kleiden und auf den Schutz des Boten der Gilden, ihres Geliebten zu vertrauen. Der übergibt sie der Obhut von Thomasis, dem Meister der Gilde der Diebe. Schnell zeigt sich ihr besonderes Geschick zu klettern und in gesicherte Räum einzudringen. Sie wird eine Katze und wird unter dem Namen „Die schwarze Katze“ bewundert. Doch sie vergisst nie, dass ihr Vater ihre Schwester an den grausamen Tiger, den Meister der Gilde des Fleisches in die Prostitution verkauft hat. Sie überlegt fieberhaft, wie sie sie befreien kann. Wegen der scheinbaren Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens nimmt sie die schöne und wehrlose, junge Ettie unter ihre Fittiche. Sie würde alles dafür tun, um sie vor der Gier des Tigers zu schützen. Diese Mission riskiert nicht nur einen Krieg unter den Gilden, sondern einen Auffuhr in ganz Paris.


Es beginnt mit einem Zitat aus dem Dschungelbuch und es werden noch einige folgen, denn für Nina steht das Leben im alternativen Paris 1823 einem Überlebenskampf im Dschungel gleich. Sie als kleines, hilfloses Menschenmädchen muss lernen, in diesem Urwald zwischen Verbrechen und Maßlosigkeit zu überleben. Doch erinnert es mich eigentlich mehr an eine alternative Erzählung von Victor Hugo's „Les Misérables“. Es gibt eine Vielzahl von Personen und Gesellschaften. Sehr interessant finde ich den alternativen königlichen Hof kennenzulernen, an dem der Dauphin (Thronfolger) in völliger Ignoranz des Leids seines künftigen Volkes in Pomp und Überfluss aufwächst. Er ist unendlich einsam und ahnt nichts von den rücksichtslosen Intrigen seiner Eltern und deren Beratern. Neben dem Adel geht es dem Bürgertum auch recht passabel, so dass sich die Studenten den Luxus leisten können, einen erneuten Aufstand zu planen, der die herrschenden Strukturen beenden soll. Soviel Idealismus können sich die Elenden der Gilden nicht leisten. Wobei man durchaus einräumen muss, dass es den Meistern der Gilden nicht an Materiellem fehlt, doch die Nahrung wird knapp und das bekommen auch sie zu spüren. Es fällt ihnen schwer ihr Gefolge zu ernähren, Hunger und Verzweiflung zeichnet die Kinder der Gilden. Einzig Nina gelingt es scheinbar mühelos zwischen all diesen Kulturen und Strukturen zu wandeln und sich deren Wünsche zu nutze zu machen, in ihrem Bestreben nach Freiheit für ihre Schwestern. Eigentlich ist in dieser Welt Freundschaft nicht möglich, da zu gefährlich, doch ist es genau das, wonach sich viele heimlich sehnen und was sie in Nina sehen. So schart Nina Verbündete um sich, die sich eigentlich niemals unterstützen würden, doch Nina macht das Unmögliche möglich.

Zuerst hat mich Ninas allzu leichte Bereitschaft zu stehlen und ihr Stolz auf ihr Geschick, abgestoßen, ebenso wie ihre scheinbare Rücksichtslosigkeit. Wieso nur hat ihre Schwester sich für sie geopfert? Doch Nina ist klug, listig, mutig und loyal. Dadurch hat sie nicht nur Verbündete erobert, sondern auch mein Zuhörerherz. Aber selbst als ich Nina noch nicht mochte, war ich irgendwie vom Hörbuch gefesselt und wollte immer wissen wie es weitergeht. Kann Nina eigentlich schaffen, was sie sich vornimmt, wo es doch unmöglich ist? Ihre Pläne sind ja nur halbgar und nicht wirklich zu Ende gedacht, aber da kommt letztendlich immer ihre persönliche Überzeugungskraft und ihre Fähigkeit sich Verbündete zu machen ins Spiel. Die Unterwelt des Hofes der Wunder, fasziniert und stößt gleichzeitig ab. Es gibt jede Menge Regeln, die es zu lernen gibt und Nina lernt schnell, was ihr von viel größerem Nutzen ist, als es Schönheit wäre. Doch muss sie eine enorme Anziehungskraft dank ihrer Ausstrahlung und Persönlichkeit haben, so wie ihr das Undenkbare gelingt. Ich habe mich keine Minute gelangweilt, bisweilen fand ich diese Welt der Elenden aber sehr hart und grausam.


Die schlanke Pappklapphülle finde ich sehr ansprechend und geschmackvoll gestaltet. Allerdings hätte ich mich hier eine Übersicht über die Gilden und auch den königlichen Hof und die Sûreté gewünscht. Gerade bei Hörbüchern kann man schon mal durcheinander kommen, wobei das auch tatsächlich eine Frage des Geschicks des Autors ist. Ich hatte mal ein Hörbuch mit einer unendlich langen Personenliste aller im Hotel Vorkommenden und hatte daher Hemmungen zu beginnen, habe sie jedoch nie benötigt, es war mir immer klar, um wen es sich handelte. Hier musste ich während des Zuhörens bisweilen nachdenken und währenddessen ging die Handlung natürlich weiter.

Marie Bierstedt empfinde ich als hervorragende Wahl! Die Intrigen am Hof der Wunder werden ausschließlich aus der Sicht der jungen Nina und in der Ich-Form erzählt. Marie Bierstedt klingt jung, entschlossen, unwiderstehlich, freundlich, erzürnt und doch auch verletzlich. Ausdrucksstark unterstreicht sie die Spannung, so sehr, dass ich sie bisweilen kaum aushalten konnte und erst mal auf „Pause“ drückte. Sie spricht klar und verständlich und durch die zahlreichen Tracks, kommt man immer wieder gut an die letzte Stelle zurück. Der Sound ist kristallklar und gut ausbalanciert.

Ein wirklich guter und spannender Start in eine neue Fantasy-Triologie, bei der ich auf die Fortsetzung gespannt bin.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio und Lovelybooks für das Hörexemplar.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Interview mit Andrea Nagele



Liebe Andrea, vielen lieben Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, mir ein paar neugierige Fragen zu beantworten.
 1. Maddalena Degrassi ist Genießerin und liebt gutes Essen und Wein. Was ist Dein Lieblingsgericht?
Ich koche und esse gern. Daher habe ich einige Lieblingsgerichte. Ich orientiere mich an der italienischen Küche, bin aber auch inspiriert von der asiatischen. Wenn ich etwas Indisches bestelle, ist es immer Palak Paneer- extra scharf.

2. Du bist Paartherapeutin. Viele der Personen in Deinen Romanen leben in disfunktionalen Beziehungen. Lässt Dich Deine Arbeit nicht bisweilen an der Liebe zweifeln?

An der Liebe zweifeln lässt mich meine Arbeit nicht. Denn wenn ich in der Ordination bin, arbeite ich mit unterschiedlichen Menschen deren Probleme auf. Wenn ich die Praxis verlasse, bin ich aber einfach nur privat. Und in meinem Leben gibt es zum Glück Liebe.

3. Magst Du Liebesromane? Je mehr Ehen ich scheide, desto schwerer tue ich mich mit Liebesromanen, mit reiferen Protagonisten ;)

Es kommt darauf an. Auch in Thrillern oder in Krimis, oder in historischen Romanen werden Liebesgeschichten erzählt. Und ja, mich faszinieren Liebesgeschichten, egal ob ich sie lese oder sie mir ansehe.

4. In Grado im Sturm verwendest Du persönliche Eindrücke, die Du während eines Tornados 2008 in Grado gesammelt hat. Gibt es auch ein derartiges Schlüsselerlebnis in dem bald erscheinenden Folgeband „Grado im Mondschein“?

Außer dass ich die Wasserschlösser in Strassoldo bezaubernd finde, und Grado plus Umgebung als meine zweite Heimat erlebe, zum Glück nicht. 

5. Es gibt den Ausdruck „die Stille vor dem Sturm“, den Du in „Grado im Sturm“ geradezu greifbar machst. Bleiben Dir manchmal Begriffe oder Bilder im Kopf und reifen in Dir zu einem Roman heran? Wenn ja, geistert Dir gerade etwas im Kopf herum?

Ich habe gerade das Lektorat zu meinem im Herbst bei Emons erscheinenden Top-Titel aus dem Vierten Stock beendet und werde jetzt am nächsten Grado Roman arbeiten. Also zuerst mal am Plot und dann beginnt die Recherche. Erst danach sitze ich vor meinem PC. Ideen dazu habe ich schon seit dem Fertigschreiben von ‚Grado im Mondschein‘.

6. Auf der Frankfurter Buchmesse 2019 hast Du erzählt, dass Du Dich gerne von realen Personen und Erlebnissen inspirieren lässt, was war Dein nachhaltigster Moment der letzten Buchmesse?

In Frankfurt war es sicher die familiäre Stimmung im Verlag und das gemeinsame Auftreten mit Bernhard Hofer und Michi Kastel. Auf der Buch Wien war es die gelungene Überraschung von Ulrike und Hejo Emons mir eine Signierstunde vorzubereiten. Wir drei hatten sehr viel Spaß. 

7. Welches Genre liest Du persönlich sehr gerne? 

Psychothriller aus GB, USA, Australien und Deutschland, aber auch zeitgenössische Literatur.

8.  lebst mal in Klagenfurt, mal in Grado, gibt es für Dich noch einen Ort, an dem Du Dir vorstellen könntest zu leben?

Ja, in St. Ives Cornwall. Dahin fahren wir oft und wandern auf den Hügeln und Klippen über dem Meer, oder beobachten die Ebbe und Flut im Hafen. Manchmal liegen die Boote lange Zeit auf Sand und wir können weit hinaus ins Meer spazieren.

9. Deine Bücher erscheinen auf Deutsch und Italienisch, schreibst Du in beiden Sprachen, oder werden sie übersetzt?
Mein Verlag in Rom hat professionelle Übersetzer, und ich habe das Glück eine dieser renommierten Übersetzerinnen zugeordnet bekommen zu haben. Präsentieren, in Italien, dh. auf dem Podium bei Lesungen Interviewfragen beantworten, oder im Radio oder FS mache ich immer selbst. Im Mai bin ich in Turin auf der Buchmesse Saline die libri mit ‚Grado nella nebbia‘ zur Erstpräsentation. 
Vielen Dank für Deine Geduld Dani!