Samstag, 26. Februar 2022

Mrs Potts Mordclub (1) und der tote Nachbar, Robert Thorogood, gelesen von Christine Prayon, Argon Verlag, 2 MP3 ca. 9 h, gekürzt

 

Mrs Potts Mordclub (1) und der tote Nachbar, Robert Thorogood, gelesen von Christine Prayon, Argon Verlag, 2 MP3 ca. 9 h, gekürzt

 

Judith Potts (77) lebt schon seit einigen Jahren alleine in einem in die Jahre gekommenen Herrenhaus an der Themse mit eigenem Bootshaus. Sie ist Kreuworträtselautorin, überzeugte Nacktschwimmerin und trinkt aus nostalgischen Gründen Whiskey. Dass ihre exzentrische Person im ganzen Ort bekannt ist, ahnt sie nicht einmal, bis sie beim Schwimmen den Mord an ihrem Nachbarn beobachtet und der Polizei meldet. Diese nimmt sie nicht ernst und findet keine Leiche. Aber Judith weiß, was sie gesehen hat und geht auf dem verwilderten Nachbargrundstück nachsehen. Sie findet nicht nur die Leiche im hohen Schilf, sondern beobachtet auch noch eine verdächtige Person. Bei ihren Ermittlungen lernt sie die neurotische Pfarrersfrau Becks und Suzie, die eigenwillig, beherzte Hundesitterin des zweiten Mordopfers kennen. Suzie ist gleich Feuer und Flamme für weitere Ermittlungen, nur Becks findet es zunächst unschicklich, bis sie merkt dass diese Aufregung ihren eintönigem Alltag ungemein belebt!

 

Judith Potts lebt schon seit dem Tod ihrer Tante alleine. Wahrscheinlich war sie damals bereits eigen, nun ist sie schrullig oder noch besser sehr exzentrisch. Damit habe ich mich anfangs etwas schwer getan, da ich sie etwas überdreht fand. Ihre Tätigkeit lastet sie nicht aus, sondern lässt ihr noch viel Zeit für Eigenbrötlereien. Nachdem ihre Meldung des Mordes an ihrem Nachbarn nicht ernst genommen wird, ermittelt sie einfach selbst. Dabei stellt sie sich meines Erachtens allerdings nicht immer wirklich geschickt an, sondern fällt mit der Tür ins Haus und muss dann sehen, wie sie sich wieder aus der Bredouille befreit, in die sie sich selbst hineingeritten hat. Dabei wird aber schnell klar, dass sie sich den Mord nicht einbildet hat und sie einer heißen Geschichte auf der Spur ist. Ihr großer Vorteil: sie muss sich nicht an Dienstvorschriften halten und wenn ihre Aktionen nicht immer legal ist, so gilt doch das Motto: man darf sich nur nicht erwischen lassen. Allerdings ist es eine ganze Weile für sie recht unbefriedigend so ganz ohne Feedback. Zum Glück ist Hundesitterin Suzie, ausgehungert nach menschlichen Kontakten und von Judith unkonventioneller Art sehr angetan. Sie brennt geradezu darauf, mit Judith das wenige Wissen, das sie hat zu teilen. Mit Begeisterung stürzt sie sich in Judith Pläne. Die bis zur Selbstaufgabe konventionelle Pastorengattin Becks ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Eigentlich möchte sie nur, dass Judith sie in Ruhe lässt, doch Judith brennt für ihre neue Aufgabe und das steckt an. Lange hat Becks sich nicht mehr so lebendig und sie selbst gefühlt. Endlich darf sie wieder Becks sein und ist nicht nur die Frau des Pastors. Ein ziemlich irres Team findet sich da zusammen und auch wenn die neurotische Becks so gar nicht zu den zwei Freigeistern zu passen scheint, ist sie die perfekte Ergänzung zu ihnen.

 

Gemeinsam mit ihnen taucht man in die Tiefen den Who-is-who des Ortes ein. Als Pfarrersfrau kennt Becks fast jeden, weiß immer das richtige zu sagen und ist auch über die Grenzen ihrer Pfarrei hinaus bekannt. Ihr Vorteil ist natürlich auch, dass sie weniger auffällig ist und man ihr nichts Unkonventionelles Zutraut. In der Konstellation dieses eigenwilligen Kleeblatts, das immer wieder den Weg der überforderten Kommissarin Tamika kreuzt liegt ebenso der Reiz dieser Geschichte, wie darin, dass die Ermittlungen immer wieder ins Leere laufen, weil der Verdächtige ein wasserdichtes Alibi hat. Wie kann das nur sein? Das Ende wird hochdramatisch, aber inzwischen sind Judith, Suzie und Becks echte Freundinnen geworden, dass eine für die andere das Leben riskieren und über sich selbst hinauswächst. Erfahrene Krimifans haben eine Chance das Dilemma des Alibis zu lösen, da es ein klassisches Problem ist. Dennoch macht es Spaß den drei bisweilen etwas überspannten Hobbydetektivinnen beim Ermitteln zuzuhören. Alles ist in sich schlüssig und logisch, so wie bei Judith Kreuzworträtseln muss man nur bisweilen um die Ecke denken. Die Ausführungen zum Erstellen von Kreuzworträtseln finde ich übrigens sehr spannend.

 

Was mich neben dem sehr britischen Cover an diesem Hörbuch so reizte, dass ich es unbedingt hören wollte, war die Sprecherin. Christine Prayon sagte mir gar nichts, als Birte Schneider von der heute show war sie mir allerdings ein Begriff. Kann eine Comedian auch Krimi? Ja sie kann, zumindest wenn es um solch skurrile Persönlichkeiten geht. Mit schauspielerischer Leichtigkeit schlüpft sie in die verschiedenen Rollen. Dabei verändert sie weniger die Stimme, als ihre Sprechweise, so dass man die Personen gut unterscheiden kann, es aber nie übertrieben wirkt.

 

Ein interessanter Reihenauftakt, dessen zweiten Teil ich mir sicherlich auch noch anhören werde, sobald erscheint!

 

Vielen lieben Dank an den Argon Verlag für mein Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

 

https://www.argon-verlag.de/hoerbuch/thorogood-mrs-potts-mordclub-und-der-tote-nachbar-2007620/

 

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Freitag, 25. Februar 2022

Happy Bookbirthday!: „Ich glaub, mein Reh pfeift oder wie sich Glück anschleicht“, Mina Teichert, Planet Verlag

Happy Bookbirthday!: „Ich glaub, mein Reh pfeift oder wie sich Glück anschleicht“, Mina Teichert, Planet Verlag

 

Liv (13), von ihrem Vater Bambi genannt, wächst mit ihrem Vater im Forsthaus auf. Seit dem frühen Unfalltod ihrer Mutter vor 10 Jahren sind sie und Papabär ein Dreamteam. Neben der Liebe zum Wald und den Tieren, liebt sie ihre BFF Mona und das Ballett. Doch als sie eines Tages feststellen muss, dass Papabär heimlich eine Freundin hat und es ernst wird, bricht ihre Welt zusammen. Sara ist das genaue Gegenteil von ihrer natürlichen, scheuen Mutter. Sie ist Visagistin, stets topp gestylt und Influencerin – ständig schrill und mit Kamera unterwegs, statt den Moment zu genießen. Die bisher liebe, brave Liv geht auf die Barrikaden, um Sara loszuwerden. Als diese sich als hartnäckiger als erwartet erweist, schwänzt sie sogar das Training mit Mona. Zufällig lernt sie dabei den coolen Skater Rick kennen, dem es ganz ähnlich geht und sie an Punkten versteht, die Mona verschlossen bleiben. Hat Oma recht und Leben heißt Veränderung? Wird sie erwachsen und das Dreamteam muss sich ändern?

 

Ein idyllisches Forthaus, wie im Märchen! Kein Wunder, Liv liebt Märchen und hütet die alten Märchenbücher ihrer Mutter wie einen Schatz. Natürlich denkt sie sofort an all die schönen, aber eiskalten und bösen Stiefmütter in ihnen, die die junge, schöne, unschuldige Heldin von ihrem Vater entfernt und ihr nach dem Leben trachtet. Ganz klar, Sara ist die böse Königin und sie muss sie um jeden Preis loswerden, um endlich wieder glücklich leben zu können! Wie vertraut müsste dieser Gedanke Kindern von alleinerziehenden Elternteilen sein, die die neuen Partner oft als Bedrohung ihrer Existenz wahrnehmen? Anhand der Märchenparallelen, wird die Bedrohung für Liv immer unmittelbarer und greifbarer, auch wenn Mona meint, sie würde sich verrennen! Dennoch ist es sehr amüsant, wie Liv zu fast jedem katastrophalen Vorfall in ihrem Leben eine Entsprechung in einem Märchen findet. Wenn das kein Beweis ist, dass Sara sie los werden will und sie einfach nur schneller sein muss! Liv ist durchaus kreativ, aber Sara nicht blöd und durchschaut sie. Als echte böse Königin macht sie nach der Enttarnung das Leben für Bambi nur noch schlimmer! Ob da ein echter Prinz helfen kann? Mona sieht das ganze ja sehr kritisch und nimmt Livs Märchenallegorien gnadenlos emanzipiert auseinander. So hatte ich Märchen noch nie betrachtet, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nie davon träumte mit Dornröschen zu tauschen! Das Märchen, das einst Livs Leben war, wird für sie zur persönlichen Hölle, ich habe so mit ihr mitgelitten, besonders als ihr dann noch das Schlimmste passierte, was einem jungen Mädchen passieren kann... und das dann auch noch ganz ohne Mutter. Immerhin die Waldtiere und Dackel Kurt lassen sie nicht im Stich, denn natürlich leben sie nicht einsam und verlassen im Wald. Im Forsthaus werden auch verletzte Wildtiere gepflegt, um sie nachher wieder auszuwildern. Auch hier steht Liv der Trennungsschmerz bevor, aber Leben heißt auch Abschied nehmen. Die Szenen mit den Tieren haben mir ganz besonders gut gefallen, nicht nur weil sie ebenso flügge werden wie Liv und Mona, sondern auch, weil sehr behutsam auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird und somit hoffentlich bei einigen Leserinnen Interesse geweckt wird.

 

Liv war mir gleich sympathisch und bei ihrem Schock gleich zu Beginn des Buches, war ich ganz bei ihr. Allerdings finde ich ihre beste Freundin Mona bisweilen etwas anstrengend, aber ich bin ja auch nicht seit dem Kindergarten an ihre überschäumende, in Stresssituationen dauerquasselnde Art gewöhnt. Ganz anders ist da Rick, der ebenso coole, wie feinfühlige Skater, der ihr Leben durchkreuzt... Eine Veränderung an der auch Mona zu knabbern hat. Okay, Oma hat zwar einen Backzwang, aber vielleicht haben Omas, genau wie Mütter (auch wenn Liv das ja eigentlich gar nicht wissen kann) auch immer recht?

 

Eine ebenso einfühlsame Geschichte über das Erwachsenwerden, die ich geliebt habe, auch wenn ich ganz langweilig mit beiden Eltern aufgewachsen bin. Ohne selbst betroffen zu sein, ist das eine absolut aktuelle Geschichte für junge Mädchen ab 10 Jahren, da immer mehr Paare auseinander gehen. Dieses Buch würde also auch Mona helfen, die Nöte ihrer BFF besser zu verstehen, da diese bisweilen etwas verständnislos reagiert und die Situation aus Livs Sicht verharmlost. Daneben gibt es klassische Probleme der beginnenden Pubertät, die Mina Teichert ebenso originell wie sensibel in die Handlung einbindet. Durch die von ihr gewählte Ich-Perspektive können sich die jungen Leserinnen noch besser mit Liv identifizieren, die sicherlich auch einige ihrer Ängste und Nöte anspricht. Aber keine Sorge, es ist kein schwermütiges Buch sondern herrlich frisch, abwechslungsreich und chaotisch-witzig. Die Vignetten mit den Märchenanspielungen zu Beginn eines jeden neuen Kapitels stellen direkt einen augenzwinkernden Bezug zwischen Bambis Ängsten und dem Chaos ihres Lebens her. Wie im Märchen endet auch Bambis Geschichte nicht so schlimm wie es anfängt und wer dennoch weint, vergießt allenfalls Freudentränen. Es mag noch kurz angemerkt werden: bei aller Liebe zu Märchen, wird Liv am Ende nicht heiraten! Dennoch ist es ein hoffnungsvoller Ausgang, der einen selig lächeln lässt.

 

Ein absolut empfehlenswertes Buch mit Humor und Herz über die inneren Nöte, das Chaos und die Glücksmomente, die das Leben mit 13 Jahren so ausmacht!

 

Vielen lieben Dank an den Thienemann Esslinger Verlag für das Blogtour-Leseexemplar!

 

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