Happy Bookbirthday!: „Ich glaub, mein Reh pfeift oder wie sich Glück anschleicht“, Mina Teichert, Planet Verlag
Liv (13), von ihrem Vater Bambi genannt, wächst mit ihrem Vater im Forsthaus auf. Seit dem frühen Unfalltod ihrer Mutter vor 10 Jahren sind sie und Papabär ein Dreamteam. Neben der Liebe zum Wald und den Tieren, liebt sie ihre BFF Mona und das Ballett. Doch als sie eines Tages feststellen muss, dass Papabär heimlich eine Freundin hat und es ernst wird, bricht ihre Welt zusammen. Sara ist das genaue Gegenteil von ihrer natürlichen, scheuen Mutter. Sie ist Visagistin, stets topp gestylt und Influencerin – ständig schrill und mit Kamera unterwegs, statt den Moment zu genießen. Die bisher liebe, brave Liv geht auf die Barrikaden, um Sara loszuwerden. Als diese sich als hartnäckiger als erwartet erweist, schwänzt sie sogar das Training mit Mona. Zufällig lernt sie dabei den coolen Skater Rick kennen, dem es ganz ähnlich geht und sie an Punkten versteht, die Mona verschlossen bleiben. Hat Oma recht und Leben heißt Veränderung? Wird sie erwachsen und das Dreamteam muss sich ändern?
Ein idyllisches Forthaus, wie im Märchen! Kein Wunder, Liv liebt Märchen und hütet die alten Märchenbücher ihrer Mutter wie einen Schatz. Natürlich denkt sie sofort an all die schönen, aber eiskalten und bösen Stiefmütter in ihnen, die die junge, schöne, unschuldige Heldin von ihrem Vater entfernt und ihr nach dem Leben trachtet. Ganz klar, Sara ist die böse Königin und sie muss sie um jeden Preis loswerden, um endlich wieder glücklich leben zu können! Wie vertraut müsste dieser Gedanke Kindern von alleinerziehenden Elternteilen sein, die die neuen Partner oft als Bedrohung ihrer Existenz wahrnehmen? Anhand der Märchenparallelen, wird die Bedrohung für Liv immer unmittelbarer und greifbarer, auch wenn Mona meint, sie würde sich verrennen! Dennoch ist es sehr amüsant, wie Liv zu fast jedem katastrophalen Vorfall in ihrem Leben eine Entsprechung in einem Märchen findet. Wenn das kein Beweis ist, dass Sara sie los werden will und sie einfach nur schneller sein muss! Liv ist durchaus kreativ, aber Sara nicht blöd und durchschaut sie. Als echte böse Königin macht sie nach der Enttarnung das Leben für Bambi nur noch schlimmer! Ob da ein echter Prinz helfen kann? Mona sieht das ganze ja sehr kritisch und nimmt Livs Märchenallegorien gnadenlos emanzipiert auseinander. So hatte ich Märchen noch nie betrachtet, auch wenn ich zugeben muss, dass ich nie davon träumte mit Dornröschen zu tauschen! Das Märchen, das einst Livs Leben war, wird für sie zur persönlichen Hölle, ich habe so mit ihr mitgelitten, besonders als ihr dann noch das Schlimmste passierte, was einem jungen Mädchen passieren kann... und das dann auch noch ganz ohne Mutter. Immerhin die Waldtiere und Dackel Kurt lassen sie nicht im Stich, denn natürlich leben sie nicht einsam und verlassen im Wald. Im Forsthaus werden auch verletzte Wildtiere gepflegt, um sie nachher wieder auszuwildern. Auch hier steht Liv der Trennungsschmerz bevor, aber Leben heißt auch Abschied nehmen. Die Szenen mit den Tieren haben mir ganz besonders gut gefallen, nicht nur weil sie ebenso flügge werden wie Liv und Mona, sondern auch, weil sehr behutsam auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird und somit hoffentlich bei einigen Leserinnen Interesse geweckt wird.
Liv war mir gleich sympathisch und bei ihrem Schock gleich zu Beginn des Buches, war ich ganz bei ihr. Allerdings finde ich ihre beste Freundin Mona bisweilen etwas anstrengend, aber ich bin ja auch nicht seit dem Kindergarten an ihre überschäumende, in Stresssituationen dauerquasselnde Art gewöhnt. Ganz anders ist da Rick, der ebenso coole, wie feinfühlige Skater, der ihr Leben durchkreuzt... Eine Veränderung an der auch Mona zu knabbern hat. Okay, Oma hat zwar einen Backzwang, aber vielleicht haben Omas, genau wie Mütter (auch wenn Liv das ja eigentlich gar nicht wissen kann) auch immer recht?
Eine ebenso einfühlsame Geschichte über das Erwachsenwerden, die ich geliebt habe, auch wenn ich ganz langweilig mit beiden Eltern aufgewachsen bin. Ohne selbst betroffen zu sein, ist das eine absolut aktuelle Geschichte für junge Mädchen ab 10 Jahren, da immer mehr Paare auseinander gehen. Dieses Buch würde also auch Mona helfen, die Nöte ihrer BFF besser zu verstehen, da diese bisweilen etwas verständnislos reagiert und die Situation aus Livs Sicht verharmlost. Daneben gibt es klassische Probleme der beginnenden Pubertät, die Mina Teichert ebenso originell wie sensibel in die Handlung einbindet. Durch die von ihr gewählte Ich-Perspektive können sich die jungen Leserinnen noch besser mit Liv identifizieren, die sicherlich auch einige ihrer Ängste und Nöte anspricht. Aber keine Sorge, es ist kein schwermütiges Buch sondern herrlich frisch, abwechslungsreich und chaotisch-witzig. Die Vignetten mit den Märchenanspielungen zu Beginn eines jeden neuen Kapitels stellen direkt einen augenzwinkernden Bezug zwischen Bambis Ängsten und dem Chaos ihres Lebens her. Wie im Märchen endet auch Bambis Geschichte nicht so schlimm wie es anfängt und wer dennoch weint, vergießt allenfalls Freudentränen. Es mag noch kurz angemerkt werden: bei aller Liebe zu Märchen, wird Liv am Ende nicht heiraten! Dennoch ist es ein hoffnungsvoller Ausgang, der einen selig lächeln lässt.
Ein absolut empfehlenswertes Buch mit Humor und Herz über die inneren Nöte, das Chaos und die Glücksmomente, die das Leben mit 13 Jahren so ausmacht!
Vielen lieben Dank an den Thienemann Esslinger Verlag für das Blogtour-Leseexemplar!
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