Blogtour zu „Eddas Aufbruch“ von Beate Rösler
Nach der Zeit des absoluten, blinden Gehorsams der Nazi-Zeit, die zum desaströsen 2. Weltkrieg führte, stellte die darauffolgende Generation alles in Frage, was für ihre Eltern selbstverständlich war.
So fällt erst mal auf, dass Edda zwar schon 19 Jahre alt ist, als sie ihr Abitur macht, aber von ihren Eltern dennoch wie ein Kind behandelt wird. Klar, sie hätte heiraten und eine Familie gründen können, aber eigenständig entscheiden als Au Pair ins Ausland zu gehen, ohne die Zustimmung ihrer Eltern, das ging nicht. Damals wurde man erst mit 21 statt mit 18 volljährig, das gefiel der Jugend nicht. Darum wurde in den folgenden Jahren auch für das Wahlrecht und die Volljährigkeit ab 18 gekämpft, um sich nicht mehr so machtlos zu fühlen, wie Edda.
Eddas Klassenkameradin Karin Storch, die in ihrer Abirede die Lehrer zur „Erziehung zum Ungehorsam“ aufrief, hat nicht nur Edda tief beeindruckt, sondern wurde für ihre mutige Abirede im Juni 1967 sogar mit der Theodor Heuss Medaille ausgezeichnet. Später wurde sie ZDF-Korrespondentin. Nicht nur Eddas Eltern waren völlig empört über diesen Aufruf, die Mitschülerinnen aber schwer beeindruckt! Dieser Teil ist keine Fiktion.
Dass Edda nach Berlin fuhr und dort unverheiratet bei ihrem Freund Kai in der WG übernachtete (und unverheiratet!) Sex hatte, das ging gar nicht! Nicht nur moralisch, es war auch gesetzlich verboten! Der Kuppelei Paragraph §180 StGB alte Fassung verbot seit 1872 die Förderung oder Duldung außerehelichen Geschlechtsverkehrs (Unzucht). Damit war es bereits verboten, unverheiratete Paare in einem Zimmer übernachten zu lassen. Ihnen ein Hotelzimmer zu vermieten, oder gar eine Wohnung ohne Heiratsnachweis, war undenkbar und wurde (schlimmstenfalls) mit Haft bestraft. Bei mildernden Umständen konnte die Haft auf einen Tag reduziert werden. Erst 1973 wurde das Sexualstrafrecht reformiert und nur noch Geschlechtsverkehr mit unter 16 jährigen bzw. gegen Entgelt unter 18 Jahren strafbar.
Die Studentenrevolten haben gemeinsam mit der Erhältlichkeit der Pille die Sexualität enttabuisiert. Die Studentenführer sei es die Kommune 1 oder andere Vorreiter, die die freie Liebe predigten, waren radikaler als Edda, die sich für einige Regeln in Kais Studenten WG nicht so begeistern konnte. Da Scham und Prüderie als völlig spießbürgerlich erachtet wurden, wurde auf Türen selbst für Bad und WC verzichtet. Danke, da verzichte ich dann gerne...
Selbst die neuen und alten demokratischen Parteien kamen bei Teilen der Jugend nicht gut an. So bildete sich in der Studentenszene die APO – die Außerparlamentarische Opposition. Auch wenn eine Opposition ohne Parlament in sich widersinnig ist, wollten diese Studenten signalisieren, dass sie ihren kritischen Geist nicht in festgefahrene politische Strukturen einengen lassen wollten. Mit ihren Jeans, ihren langen Haaren und ihren Outfits, die dem Selbstverständnis ihrer Eltern so ganz offen widersprachen (die mit Anzug und Kostüm zur Uni gingen und sich untereinander siezten!), waren sie nicht zu übersehen. Sie wollten die Schuld ihrer Eltern nicht auf ihren Schultern tragen und Deutschland von den reaktionären Strukturen befreien. Zu viele Nazis saßen noch trotz Verurteilung in wichtigen, einflussreichen Positionen, ohne ihre Strafen ableisten zu müssen. Nach dem Krieg herrschte auch Mangel an gut ausgebildeten Männern, egal welcher Gesinnung. Das wollte einige Junge nicht hinnehmen und notfalls mit Gewalt ändern. So entstand damals die RAF, deren Name durch die Festnahme von Daniela Klette vor Kurzem wieder durch die Medien ging. Doch nicht jeder hat wie Marcel diese Gruppe, die für 33 Morde verantwortlich war, bewundert. Trotz ihrer Achtung für Ulrike Meinhofs journalistische Arbeit und ihr Engagement für bessere Bedingungen in Erziehungsheimen, kann Edda sich mit der Radikalität und der Widersprüchlichkeit der RAF und Andreas Baaders im Besonderen nicht anfreunden.
Ich hoffe, dieser Überblick über einige der gesellschaftlich relevanten Themen des Buches haben Euch nun neugierig gemacht und ermuntern Euch, stets die Welt kritisch zu hinterfragen!
Viel Spaß mit der Blogtour!
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