Dienstag, 18. Juni 2024

Und vor uns das Meer, Jule Henning, Roman, Piper

 

Und vor uns das Meer, Jule Henning, Roman, Piper

 

Mette, Anfang 50, hat eine kinderlose, gescheiterte Ehe mit einem Egomanen hinter sich, ein erfolgreiches All-Age-Fantasy-Buch veröffentlicht und ihre Stelle als Lehrerin aufgegeben, um ihre über Achzigjährige Mutter in deren Villa in Berlin zu pflegen, weil sie nicht auf fremde Hilfe angewiesen sein will. Eigentlich ist ihr Leben eine ewige Tretmühle, bis sie einen Anruf von Ole, ihrem Jugendschwarm und Ex-Freund ihrer ehemals besten Freundin Josefa seit Kindertagen erhält. Josefa ist verstorben, nach 5 Jahren Funkstille, gibt es nun keine Möglichkeit der Versöhnung mehr, dennoch war es Josefas letzter Wille, dass ausgerechnet Ole und Mette ihre Asche auf Sylt verstreuen. Dafür hat sie ihre Lieblingswohnung auf Sylt für den ganzen August angemietet undd Ole und Mette haben genug Gelegenheit ihren Wunsch zu erfüllen. Mettes erster Impuls ist es, abzulehnen, denn was soll in der Zeit mit ihrer Mutter passieren und außerdem ist es verboten. Doch Ole, für den sie noch immer eine Schwäche hat, ist bereit. Der Weg zurück auf die Insel, mit Ole, der Asche von Josefa und der 16 jährigen Mia, der Tochter ihrer Schulfreundin Alexandra, die die Ferien bei ihrem selbstverliebten Vater auf Sylt verbringen soll, lässt traumatische Kindheitserinnerungen wieder hochkommen.

 

Hinter dem Pseudonym Jule Henning verbirgt sich die beliebte Autorin Susanne Fülscher.

 

Ein sehr sensibler und emotionaler Roman, der mich beim Lesen immer wieder inne halten und Nachdenken ließ. Besonders gefreut hat es mich tatsächlich, dass Mia keine Eintagsfliege war, die man mal gerade im Auto mitnahm, sich über ihr pubertäres Verhalten ärgerte und abhakte. Stattdessen haben sich die zwei Schicksalsgefährten ihrer angenommen. Verantwortung übernommen, die sie nicht hätten übernehmen müssen und im Prinzip sich gegenüber Mia so verhalten, wie sie es sich selbst von ihren eigenen Eltern gewünscht hätten und Mia noch immer von ihren Eltern wünscht. Daran reift aber nicht nur Mia, auch Mette und Ole tut das gut. Nicht zuletzt bringt es sogar vielleicht Mias Egomanen-Vater zum Nachdenken. Mias Probleme haben mich auch über meine eigenen Teenie-Töchter und deren Bedürfnisse nachdenken lassen, was ja eigentlich immer gut ist.

 

Mette hat ihr Leben eigentlich verpfuscht. Ihr schien die ganze Welt offen zu stehen und letztendlich verkriecht sie sich im Haus ihrer Mutter und lebt auf Sparflamme, ohne große Emotionen und Ereignisse, wie geparkt im eigenen Leben, als hätte sie Angst davor! Doch wovor hat sie eigentlich so große Angst und erwartet ihre Mutter wirklich, dass sie ihretwegen auf ein eigenes Leben verzichtet? Erstaunlicherweise ist es diese herrische Meeresbiologie a.D. die mit ihrer Entscheidung Urlaub bei einer alten Freundin in Süddeutschland zu machen, Mette geradezu dazu zwingt Josefas letzten Willen umzusetzen. Ole ist bereit, auch zum Einbruch auf den Friedhof... Sie hat keine Ausrede mehr endlich zu leben. Gemeinsam mit dem Schwarm ihrer Schulzeit, der einige Jahre älter ist und ihr damals unerreichbar vorkam, beginnt sie diese Mission, die sie immer mehr zusammenschweißt. Im Auto von Berlin nach Sylt beginnen sie in Gesprächen sich ihrer Vergangenheit und Zukunft zu stellen. Auf dem Autoreisezug nach Sylt überfällt Mette eine Panikattacke und so langsam beginnt sie sich selbst zu erinnern und an die Wurzeln all dessen zu gelangen, was sie Jahrelang ausbremste. Sie muss ihre Prioriäten neu ordnen, Ole und Mia geben ihr nur weitere Impulse hierzu, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit lässt sich nicht mehr aufhalten.

 

Sehr gut geht Susanne Fülscher der Frage nach, wieviel Einfluss geben wir unserer Vergangenheit über unsere Gegenwart und Zukunft. Können wir ihr entkommen, oder gibt es Erinnerungen, die zu schmerzlich sind, um sich ihnen zu stellen? Dabei geht es um eine Praxis, die bis in die 80er Jahre üblich war, von der ich zum Glück aber, ebenso wie die Autorin, verschont blieb und die erst in den letzten Jahren ans Licht kam.

 

Sehr intensiv und zu empfehlen!

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Autorin Jule Henning/ Susanne Fülscher für mein Rezensionsexemplar!

 

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