Freitag, 16. August 2019

Die Unausstehlichen & ich - Das Leben ist ein Rechenfehler, Vanessa Walder, gelesen von Maximiliane Häcke, der Hörverlag, 3 CDs 3 h 33 min, gekürzt, ab 9 Jahren



Die Unausstehlichen & ich - Das Leben ist ein Rechenfehler, Vanessa Walder, gelesen von Maximiliane Häcke, der Hörverlag, 3 CDs 3 h 33 min, gekürzt, ab 9 Jahren
Das Buch hat meinen beiden Töchtern so gut gefallen, daß sie gerne noch das Hörbuch hören wollten, damit sie ganz schnell wieder in die Geschichte hineinfinden, sobald Band 2 erscheint. Außerdem geht es um ein fluchendes Heimkind, dessen ständigen Kraftausdrücke in der Printversion mit Durchstreichungen „zensiert“ sind.
Enni (11) ist ein Heimkind, das schon in verschiedenen Heimen, WGs und auch Pflegefamilien war. Doch mit ihren Wutausbrüchen, bei denen es in ihren Ohren rauscht und sie nur noch rot sieht, bleibt sie nirgends lange. Bis sie in eine wirklich nette Pflegefamilie kommt, die sie wie eine Tochter behandelt. Ihr Pflegebruder Noah (12) ist einsame Spitze! Hier will sie nie wieder weg. Doch dann muß der Pflegevater beruflich in die Schweiz, da soll Enni dann doch nicht mit. Noah flippt aus und zieht Enni in seinen unüberlegten Plan mit hinein. Da ist Ärger vorprogrammiert und Enni landet in einem piekfeinen Privatinternat für Schüler mit besonderen Bedürfnissen. Eigentlich ist es dort gar nicht schlecht, selbst die Lehrer erkennen ihre mathematische Begabung. Doch Enni will abhauen und Noah finden. Leider gleicht Internat Saaks fast einer Festung und diese zu verlassen wird ihre kniffeligste Knobelaufgabe, bei der sie zwangsläufig Hilfe braucht....

Nach ihrer Ausbruchsaktion muß Enni zum Schulpsychologen, da erzählt sie dann die ganze, wahre ungeschönte Geschichte. Natürlich mit den in Saaks verpönten und strafbewehrten Flüchen und Schimpfwörtern. Aber was soll man schon sagen, wenn das Leben …. Eben! Der Psychologe lässt sie ungeschönt reden, aber in einem Kinder- und Jugendbuch? Da hilft nur die Zensur und an Stelle jedes unziemlichen Begriffes gibt es längere oder kürzere Zensurpiepse, je nachdem wie ausschweifend sie sich auslässt. Was beim Lesen lustig ist und seiner Schimpfkreativität freien Lauf lässt, kann beim Hören bisweilen ganz schön nerven, insbesondere wenn Enni auf 180 ist. Zum Einschlafen stört es ganz besonders, man gewöhnt sich langsam daran, aber es ist suboptimal.
Durch die Ich-Perspektive weiß der Hörer immer nur so viel, wie Enni bzw. so viel, wie sie von sich Preis gibt, denn über ihre Eltern spricht sie nicht und wehe wer sie bei dem Namen nennt, den ihr ihre Eltern gaben! Das dürfen nur diese. 

Enni hat viel mitgemacht bisher in ihrem Leben und sich diverse Überlebensstrategien angeeignet, über die die meisten Hörer aus behüteten Elternhaus nur staunen können (und die sie hoffentlich nicht anwenden wollen).

Richtig toll finde ich den Inklusionsgedanken in dieser Geschichte. Alle haben ihren Ballast mit sich herum zu tragen, aber niemand möchte deswegen bemitleidet werden, sondern als Mensch für voll genommen werden. So lernt man durch Enni, die fast schon alles gesehen hat, ihre Mitschüler mit ihrem Blick kennen, immer erst die Person mit ihren Besonderheiten, bis auf das Handicap, das erwähnt sie immer so nebenbei. Das finde ich sehr charmant, mal den Focus weg von der Behinderung zu nehmen und sei es „Diätis“ (dieser Begriff, ist doch ein Knaller, oder?). Jeder von ihnen trägt sein Päckchen mit sich herum, dennoch hatte ich jetzt nie den Eindruck, daß die Autorin es jeder Minderheit recht machen wollte, damit sich jeder angesprochen fühlt. Nein, die Personen werden ungeschönt dargestellt, mit ihren Stärken, aber auch Schwächen. Die einen werden dadurch sympathischer, aber nicht alle - wie im echten Leben. 

Enni ist so ungewöhnlich, daß die Geschichte zu überraschen mag. Es ist nicht von Anfang an klar, was mit Enni passiert, man weiß nur sie hat Ärger und echt was auf dem Kerbholz und muß nun mit einem Psychodoc sprechen, wer das aber ist, zeigt sich erst nach ein paar Kapiteln, weil diese Erkenntnis bereits etwas über das Ende verrät, aber es ist ja auch eine Fortsetzung mit den Unausstehlichen geplant, da wird Enni wohl kaum von diesen getrennt werden. Dennoch eine wirklich erfrischende Erzählweise.

Da ich beruflich den ganzen Tag mit Dingen zu tun habe die schief gehen und mein Mann Sonderpädagoge ist, war es mir wichtig, mit den Kindern Geschichten kennen zu lernen, in dem Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu Wort kommen und die Geschichte aus ihrer Sicht schildern dürfen, denn dann klingt es oft ganz anders. Es geht mir auch um das Vermitteln von Respekt! Auch diesen Kindern gegenüber, die aus welchen Gründen auch immer, nicht bei ihren Familien leben. Das ist Vanessa Walder, der Autorin von „Das wilde Mäh“ und noch über 80 weiteren Kinder- und Jugendbüchern, ausgezeichnet gelungen. Dabei geht es nicht um pädagogische Phrasen, sondern es wird eine spannende Internatsgeschichte auf Ausbrecherniveau mit besonderen Schülern. Dabei wird es am Ende noch mal besonders spannend und mit einem ganz erhebenden Solidarisierungsende – da bleibt kein Herz unbewegt und das Auge nicht unbedingt trocken.
Maximiliane Häcke ist eine perfekt gewählte Sprecherin. Sie klingt jung, etwas eckig und kantig. Da klingt das „Vorsicht, nicht anfassen!“ gleich schon in der Stimme mit. Sie beherrscht die Emotionenklaviatur von rotzig-rebellisch bis unsicher und verstört. Das ist auch dringend nötig, da einige der Mitschüler sich nicht ganz so tough präsentieren wie sie. Die Lautstärke ist sehr gut ausbalanciert. Schwankungen sind lediglich gefühlt, aber nicht real, d.h. der Lautstärkeregler kann durchgehend auf einer Position bleiben. Alles ist gut verständlich. Im Innenteil der Klapphülle findet man eine farbige Illustration von Barbara Korthues mit den Hauptdarstellern und Infos zur Specherin und Autorin.
Die Geschichte und die Sprecherin haben uns ausgezeichnet gefallen, das Zensur-Gepiepse leider nicht.  Beide Töchter (und die Mutter) warten schon ganz gespannt auf die Fortsetzung dieser außergewöhnlichen Geschichte für ältere Kinder ab 9/10 Jahren.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Hörverlag und dem Bloggerportal für dieses ungewöhnliche Rezensionsexemplar.

Donnerstag, 15. August 2019

Die magischen Sechs (2) – Madame Esmeraldas Geheimnis, Neil Patrick Harris & Alec Azam, Illustriert von Lissy Marlin und Kyle Hilton, Schneiderbuch Egmont Verlag



Die magischen Sechs (2) – Madame Esmeraldas Geheimnis, Neil Patrick Harris & Alec Azam, Illustriert von Lissy Marlin und Kyle Hilton, Schneiderbuch Egmont Verlag

Die magischen Sechs sind: Leila, Carter, Ridley, Theo und die Zwillinge Izzy und Olly. Jedes der Kinder hat eine Zaubershow-spezialität. So kann Theo mit seinem Geigenbogen Dinge schweben lassen, Carter beherrscht Kartentricks und lässt Dinge verschwinden. Zu Beginn erinnert sich Leila, die in diesem Band im Mittelpunkt steht, an ihre Zeit im Waisenhaus, bevor die beiden Mr. Vernons sie adoptiert haben. Immer wieder wurde sie von den anderen Kindern geärgert und in Schränke gesperrt. So übte sich Leila schon früh in der Kunst der Entfesselung und des Türenknackens. Als sie auf der Schwelle des Waisenhauses ausgesetzt wurde, trug sie nichts als die Kleider auf ihrem Leib und einen geheimnisvollen Schlüssel. Dieser ist noch heute ihr größter Schatz und ihr Geheimnis, daß sie selbst ihren Vätern und ihren Freunden gegenüber verheimlicht. Deswegen hat sie ein bißchen ein schlechtes Gewissen, aber ihre Väter schweigen ja auch über ihre Vergangenheit und ihren früheren magischen Zirkel, den Smaragd-Ring. Doch dann geschehen plötzlich merkwürdige Dinge. Der dressierte Affe, des inzwischen inhaftierten B.B. Bosso, dem Bösewicht aus Band 1, bricht immer wieder in den Zauberladen ein und versucht ein Buch zu entwenden, erfolglos. Dann taucht die seit Jahren vermisste Sandra, eine Jugendfreundin von Mr. Vernon und Carters Vater auf. Sie ist inzwischen als Madame Esmeralda eine berühmte Wahrsagerin. Leila freut sich, über sie etwas über die Vergangenheit ihres Vaters zu erfahren, aber Ridley, die an den Rollstuhl gefesselt ist, bleibt misstrauisch.

Der Anfang war für meine Töchter sehr interessant. Nachdem in Band 1 Carters früheste Erinnerungen erzählt wurden, erfährt man nun mehr über Leilas schwere Zeit im Waisenhaus. All diese Entbehrungen machten sie wohl bereit, um für ihre Zauberträume zu üben, üben und nochmal zu üben. Die Einbrüche des Affens und das Auftauchen von Madame Esmeralda fanden sie noch aufregend, aber dann brach die Spannung etwas ein und vor allem die Große verlor das Interesse. Im letzten Drittel kommt es jedoch zum großen gruseligen Showdown, daß die verborgenen Geheimnisse der Vergangenheit, auch des Smaragd-Rings offenbart und die Freunde in größte Gefahr bringt. Da konnte sie es dann nicht mehr abwarten weiterzulesen. Die Kleine war in ihrem Interesse deutlich konstanter. Immer wieder sind zwischen den Kapiteln Zaubertricks und Geheimcodes eingestreut, mit denen man Nachrichten entschlüsseln kann. Da hat sie sich mit Feuereifer darauf gestürzt. Neben einer Codescheibe, die sie schon kannte, aber dennoch spannend findet, gibt es noch einen Spielkartencode und das Morsealphabet, das immer mehr in Vergessenheit gerät, zu entdecken. Die Zaubertricks sind ganz schön kniffelig, da muß man wirklich sehr viel üben. Die Codes sind da schon einfacher, zu Beginn, aber das Morsealphabet auswendig zu beherrschen und sicher genug zu können, um es auch in Gefahrenlagen anwenden zu können, erfordert auch sehr viel Training und Auswendiglernen! Es ist halt noch kein Meister vom Himmel gefallen, ohne Fleiß keinen Preis....Diese Credos werden Kindern hier ganz klar verdeutlicht. Die Künste der Kinder sind wirklich beeindruckend, ihnen aber nicht zugeflogen. Sie sind keine Mutanten, sondern einfach geschickt und fleißig! Außerdem sind sie clever und halten jederzeit zusammen, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht oder ob sie wie Ridley im Rollstuhl sitzen. Ridley gefällt mir persönlich besonders gut. Sie ist stets misstrauisch, auf der Hut und hat für jede Eventualität das passende Gimmick in ihren Rollstuhl eingebaut. Das kann einen echt schmunzeln lassen! Der auch als Schauspieler (How I met your mother) sehr erfolgreiche Autor hat es sich wohl zur Aufgabe gemacht, fast jede Minderheit in den vereinigten Staaten in diese Reihe zu integrieren, das empfinde ich bisweilen als politisch überkorrekt, auch wenn ich die einzelnen Charaktere mag.

Ebenso wie die Zaubertricks ist auch die Geschichte ausdrucksstark in schwarz-weiß illustriert. Es sind keine niedlichen Illustrationen, sondern moderne, etwas schematisierte Graphiken, die doch das Wesentliche erfassen, kurzum ausdrucksstark.

Eine ungewöhnliche Reihe, die stets zu Toleranz und Fleiß aufruft. Auch wenn sie zwischendurch etwas nachließ aus Sicht der Großen, war sie am Ende so spannend, daß sie schon auf Band 3 neugierig sind. Dieser erscheint am 5.12.19 unter dem Titel „Wendel Wispers unheimliche Puppe“ und rückt diesmal den farbigen Geiger Theo in den Mittelpunkt.

Wir bedanken und ganz herzlich bei Schneiderbuch Egmont und der Bloggerbetreuung durch Buchcontact für dieses Rezensionsexemplar.