Sonntag, 7. August 2022

1979 – Jägerin und Gejagte, Val McDermid, gelesen von Alexandra Sagurna, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP3 771 Min. ungekürzt

 

1979 – Jägerin und Gejagte, Val McDermid, gelesen von Alexandra Sagurna, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP3 771 Min. ungekürzt

 

Der erste Fall für Allie Burns: Neujahr 1979 die Journalistin Allie Burns kehrt von den Feiertagen mit ihrer Familie mitten im Schneechaos mit dem Zug zurück nach Glasgow. Im Zug trifft sie ihren Kollegen Danny Sullivan, den nettesten ihrer Kollegen, der der sie nicht herablassend behandelt, weil sie jung und weiblich ist. Gemeinsam erleben sie eine Geburt im Zug und Allie soll die Story schreiben, auch wenn Danny der Held ist. Solche Storys sind Frauen vorbehalten! Fortan vertrauen sie einander. Auf Anraten der Redakteurin der Frauenthemen, beschäftigt sich Allie nun mit anderen Themen und versucht eigene Kontakte zu knüpfen. So belauscht sie bei einem Parteitreffen drei junge Männer, die ein Bombenattentat zu planen scheinen, um die Unabhängigkeit von Schottland zu erreichen. Ihr Vorbild ist die IRA und Allie ahnt die Sensationsstory. Als Frau steht ihr diese Welt aber selbst undercover nicht offen. Nachdem Danny sie an seiner eigenen Sensationsstory beteiligt hat, nimmt sie nun ihn ins Boot. Beide wissen, dass diese Story sie entweder zu Stars machen wird, oder sie ihr Leben kosten wird....

 

Allie und Danny sind ein ungewöhnliches Team. Allie ist die Meisterin der Worte, doch trotz Cambridge-Abschluss bleiben ihr die großen Storys verwehrt, weil sie eine Frau ist und die Platzhirsche ihr Revier verteidigen. Danny beeindruckt sie durch seine Menschlichkeit und Kollegialität. Er kann zwar nicht so virtuos mit Worten um gehen wie Allie, hat aber ein untrügliches Gespürt für wirklich brisante Storys. Als junger Mann kann er Zugang zu den jungen Verschwörern finden, der Allie versagt bleibt. Ihre Zusammenarbeit erweist sich als ausgesprochen fruchtbar, sie ergänzen sich perfekt und Allie ist froh in ihm endlich einen Freund, oder vielleicht mehr gefunden zu haben. Auch die glamouröse Rhona, Leiterin des Frauenressorts ist nicht nur eine wertvolle Ratschlaggeberin für sie als Frau in einer Männerdomäne, sondern auch menschlich ist ihre Beziehung mehr als vielversprechend. Sehr sympathische Helden, in einer Welt voller Mistkerle und verkrusteter gesellschaftlicher Strukturen.

 

Sprecherin Alexandra Sagurna war mir bisher gänzlich unbekannt. Mir gefiel ihre Stimme und ihre lebendige und einfühlsame Interpretation dieser Pionierin in einer Männerdomäne auf Anhieb. Sehr respektvoll übernimmt sie sämtliche Charaktere, selbst diejenigen, die meinen Rollenbilder erfüllen zu müssen.

 

Sehr gut gefallen mir die Themen der Recherche dieses Teams: Geldwäsche und Steuerhinter-ziehung und Terrorismus zur Erreichung der Unabhängigkeit. Mit dem Brexit, gegen den die schottische Bevölkerung mehrheitlich gestimmt hat, ist das Thema in Schottland wieder viel akuter. Ebenso nehmen die Akte der Gewalt an der inneririschen Grenze wieder zu, nachdem Boris Johnsons letzter Gesetzesentwurf, das Karfreitagsabkommen, das Frieden in Irland gewährleisten soll, untergräbt. Es hat mich absolut fasziniert, mit welchen Tricks es Westminster unmöglich machte, dass im Referendum 1979 die schottische Bevölkerung mit einem Streben nach mehr regionaler Unabhängigkeit Erfolg haben konnte. All diese aktuellen Themen haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit, in 1979.

 

1979 war Homosexualität verboten und Sex zwischen Männern wurde hart gestraft und gesellschaftlich geächtet. Autorin Val McDermid (67) ist selbst homosexuell und war damals 24 Jahre alt. Das Thema der Homosexualität kommt in ihren letzten Büchern immer wieder vor und so war ich erstaunt, als es hier lange Zeit nicht in Erscheinung trat, dann aber mit voller Wucht. Dabei ist es aber ein tragender Teil der Geschichte und wirkt nie aufgesetzt oder bemüht. Die erzwungene Heimlichtuerei, die Angst vor Verstoßung aus der eigenen Familie, die geht einem auch beim Hören unter die Haut. Die Betroffenen wurden in ein Doppelleben gezwungen, aus Angst vor Ausgrenzung und das obwohl es in allen Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen vorkommt.

 

Der Krimi beginnt als interessante Investigativstory mit intensivem Blick hinter die Zeitungskulissen. Es wird ein Baby geboren, auf der Suche nach Quote nackte Models am Strand fotografiert für den ersten Nudistenstrand Schottlands. Journalisten können die Welt erschüttern, oder mit Belanglosigkeiten unterhalten. Für Danny und Allie ist die Sehnsucht die Banalität zu verlassen unermesslich. Danny hat ein heißes Eisen, aber keine Ahnung wie er es anpacken, an mehr Infos kommen und es in Worte fassen soll. Während der Kollege aus der Wirtschaftsredaktion ihm zwar hilft, zu erkennen, dass die Story tatsächlich so brisant ist, wie er ahnt, ist es Allie, die die Recherche voran bringt. Allerdings stellt sie auch unliebsame Fragen und bringt Danny ins Grübeln. Denn die Aufdeckung des Skandals hätte für ihn auch ganz persönliche, unmittelbare Folgen. Ist er bereit dies zu riskieren, um der Wahrheit ans Licht zu verhelfen?

 

Investigativjournalisten sind der Wahrheit verpflichtet und riskieren für eine Story Leben, Ansehen und Familie. Wie weitreichend das ist, merkt man hier allzu deutlich, wenn die Geschichte an Fahrt aufnimmt und nach der Aufdeckung eines ersten Skandals eigentlich keine Zeit zum Feiern des Erfolgs bleibt, weil ein neuer Knaller aufgedeckt werden muss, um sich in der Redaktion zu behaupten. Schonungslos ehrlich Abrechnung mit dem Zeitungsgewerbe, der Versicherungsbranche, der Verlogenheit der Gesellschaft und der englischen Dominanz und Trickserei um die Vorherrschaft im Vereinigten Königreich.

 

Wieder ein sehr intelligenter Krimi von Val McDermid!

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Steinbach Sprechende Bücher für mein Hörexemplar!

 

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Sonntag, 31. Juli 2022

Ich überlebte – Ein Mädchen auf Schindlers Liste, Rena Finder, Joshua M. Greene, Jumbo Verlag, 2 CDs 137 Min.


Ich überlebte – Ein Mädchen auf Schindlers Liste, Rena Finder, Joshua M. Greene, Jumbo Verlag, 2 CDs 137 Min.

 

Krakau war in den 1930er Jahren eine blühende Metropole mit einer lebendigen jüdischen Gemeinschaft von 60.000 Mitgliedern. Dennoch bekommt die kleine Rena bereits bei ihrer Einschulung in einer staatlichen Schule zu spüren, dass einige Menschen aus irrationalen Gründen Juden ablehnen oder gar hassen. Mit der Machtübernahme Hitlers haben sie keine Scheu mehr, dies auch offen zu zeigen. Jüdischen Kindern wird schon recht bald der Schulbesuch verboten. Heimlich werden sie im Verborgenen von Privatlehrern unterrichtet, solange ihre Eltern noch arbeiten dürfen und die Lehrkräfte bezahlen können. Doch schon bald wird es nicht nur schwierig als Juden zu arbeiten, sie müssen ihre Häuser verlassen, ins Ghetto umsiedeln. Dort leben Familien auf engstem Raum in einem Zimmer unter unwürdigen Verhältnissen, doch das ist nichts, im Vergleich zu dem was sie nach der Schließung der Ghettos erwartet: Das Konzentrationslager Auschwitz! Rena und ihre Mutter haben das Glück es dort auf die Liste des Industriellen Oscar Schindler zu schaffen. Er und seine Frau Emilie versuchen es ihren 1.200 jüdischen Zwangsarbeitern zu ermöglichen diesen Wahnsinn zu überleben. 

 

Es gibt Ereignisse, die sind so grauenvoll und schrecklich, dass sie sich nie wiederholen dürfen. Zeitzeugen erzählen von dem erlebten Grauen, doch inzwischen ist der Holocaust so lange her, dass nur noch wenige Zeitzeugen leben. Eine der letzten ist Rena Finder, die noch ein kleines Mädchen in Krakau war, als Hitler in Deutschland die Macht übernahm und 15 Jahre alt, als sie durch das Ende des 2. Weltkrieges gewiss sein konnte, überlebt zu haben. Dank des persönlichen Einsatzes des Ehepaares Oscar und Emilie Schindler gehört sie zu den wenigen, die nicht rechtzeitig emigrieren konnten und dennoch überlebten. Anfang der 50er Jahre verließen auch sie, ihr Mann und ihre Freundin Europa und fingen in den USA ganz neu an. Durch eine engagierte Lehrerin begann sie Schulklassen zu erzählen, was sie erlebt hat. Es geht nicht um jedes grausige Detail, sondern darum, dass jeder Mensch ein Recht auf eine respektvolle, menschliche Behandlung hat. Jeder einzelne kann sich dafür einsetzen, auch heute noch. Gemeinsam ist es leichter und es hilft nicht nur gegen den Holocaust, sondern auch gegen Mobbing u.ä. Ihre Botschaft ist also nach wie vor hoch akutell. Es ist ein Dokument der Menschlichkeit und der Hoffnung und weniger des Schreckens. Ein Dokument das hoffentlich die letzten Holocaust-Überlebenden überdauern wird.

 

Damit die Zuhörenden sich ein besseres Bild von Rena machen können, die sie ja anders als die Schülerinnen und Schüler in den USA, nicht persönlich treffen, stellt sie Parallelen zu Anne Frank her. Diese war ungefähr so alt wie sie, lebte aber vor ihrer Deportation nach Auschwitz in den Niederlanden und sie hätten sich im Lager in Ausschwitz begegnet sein können. Beider Väter wurden verraten, was ihren Tod bedeutete. Doch Rena überlebte, dank eines Industriellen-Ehepaares, das sein gesamtes Vermögen, dass sie auch durch Zwangsarbeit erwirtschafteten, aufbrauchte, um Menschen zu helfen, die ihnen ursprünglich völlig fremd waren. Sie sind dadurch selbst in Not geraten und erfuhren dann wiederum Hilfe von der internationen jüdischen Gemeinschaft, die nicht vergaß, dass die Schindlers ihrem einstigen Leben den Rücken zukehrten, um ihnen zu helfen. Einfach so, weil sie spürten, wie dringend diese Zeiten Menschlichkeit brauchten.

 

Wir haben dieses Hörbuch als Familie auf der Fahrt in den Urlaub gehört. Die Jüngste ist 13 Jahre alt, ab 12 Jahren ist es zu empfehlen. Durch das Vorwort von Mirjam Zadoff, der Direktorin des NS-Dokumentationszentrums in München wird diese Lebensgeschichte verortet. Es hat uns sehr gut gefallen, dass es nicht um Schockeffekte, sondern ein persönliches Schicksal ging, wobei uns das von Jenny, Renas kleiner Cousine besonders nahe ging. Anders als bei Anne Frank geht es wirklich um den Überlebenskampf. Es kommen keine erotischen Sehnsüchte vor, was es wirklich familientauglich macht. Welcher Teenager möchte schon mit seinen Eltern zusammen Anne Franks romantisch-erotischen Träumen lauschen? Es ist kein Zeitdokument wie das Tagebuch der Anne Frank, sondern ein Zeitzeugenbericht. Wobei Rena Kinder sich bei ihrer Niederschrift der Hilfe des erfahrenen Autors und Journalisten Joshua M. Greene bediente, der das gleiche Anliegen hat wie sie: das Andenken an den Holocaust lebendig zu halten. Da ihre Kindheit nun schon eine Weile zurück liegt betont sie immer wieder, dass sich Erinnerungen im Laufe der Jahre verändern und es sich um eine subjektive Schilderung handelt. Es ist ihre persönliche Wahrheit.

 

Julia Nachtmann leiht Rena Finder nachdrücklich und eindrucksvoll ihre Stimme. Ohne Pathos aber mit viel Gefühl erzählt sie von der Rettung der Schindler Juden und erinnert immer wieder daran, dass auch Emilie, die Ehefrau von Oscar Schindler ihren ganz großen, bedeutenden Beitrag zu ihrem Überleben beitrug, durch Menschlichkeit und medizinische Versorgung. Abgerundet wird dieses eindrückliche Tondokument durch zwei jiddische Lieder, gesungen von Esther Bejarano (Jahrgang 1924), die das KZ-Ausschwitz-Birkenau überlebte, aber 2021 in Hamburg verstarb. Wir waren erstaunt, wie leicht es uns fiel, die jiddischen Texte zu verstehen. Die Texte sind im Original und auf Deutsch auf der Homepage des Verlags zu finden.

 

Dieses Hörbuch hat uns vier sehr nachhaltig beeindruckt und bewegt. Nun wollen wir „Schindlers Liste“ sehen. Absolut empfehlenswert!

 

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Jumbo Verlag für unser Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

 

https://www.jumboverlag.de/ich-ueberlebte-ein-madchen-auf-schindlers-liste/index.php?cNG=540d887c-f20c-11ea-948b-001c42406321&productId=3363&f=true&backToShop=true

 

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