Dienstag, 21. Januar 2020

Hirschhornharakiri, Oliver Kern, gelesen von Michael Schwarzmeier, Radomhouse Audio, 6 CDs, 420 Minuten



Hirschhornharakiri, Oliver Kern, gelesen von Michael Schwarzmeier, Radomhouse Audio, 6 CDs, 420 Minuten

Fellingers 3. Fall hat es in sich! Nach dem Fest zum 150. Geburtstag der freiwilligen Feuerwehr hat der Hygieneinspektor einen Filmriß und offensichtlich irgendwie Stress mit seiner Liebsten, der Hollmüllerin. Franziska. Wie konnte er nur so viel Trinken, dass er sich an nichts erinnern kann? Was wollte er unbedingt vergessen? Es steht sein alter Spezi der Polizeihauptinspektor Lechner vor der Tür und wirft ihn aus seinem komatösem Schlaf. Der Rosenberger Horst ist erstochen im Wald aufgefunden worden. Die Tatwaffe, ein halbes Geweih, steckte noch in seinem Leib und auf diesem befinden sich zahlreiche Fingerabdrücke vom Fellinger. Auch dessen Jacke mit Ausweisen lag in unmittelbarer Nähe des toten Jägers im Wald. Drum nimmt der Lechner den Fellinger auch gleich mit aufs Revier, zur Befragung. In Bruchstücken kommt die Erinnerung zurück. Immer mehr Konflikte des recht eigensinnigen Rosenbergers mit anderen Gästen fallen ihm ein. Den Motiven müssen sie nachgehen. Es sind erstaunlich viele andere, die in Betracht kommen, das macht es nicht leichter, den Mörder zu finden, ehe der Kriminaler aus der Großstadt eingetroffen ist und ihn wohl inhaftieren wird.

Der Einstieg beginnt schon sehr witzig, mit dem schlecht gelaunten Riesenkater, den der Hygienekontrolleur inzwischen bei sich aufgenommen hat, nachdem dieser ihm im letzten Fall das Leben gerettet hat. Dabei ist das Tier nicht freundlicher zu ihm, als der gleichnamige Brummschädel. Der Ort ist klein und jeder kennt jeden, weswegen sich schon schnell herumgesprochen hat, was denn geschehen sein soll. Nach und nach fällt dem Hauptverdächtigen ein, wen er denn alles am Tag zuvor im Dienst kontrolliert und wem er die Gaststätte geschlossen hat. Ja, da kommen auch einige in Frage, die auf ihn nicht gut zu sprechen sind, auch wenn er nur seine Arbeit gemacht hat. Er ist halt von Natur aus neugierig und geht den Dingen auf den Grund. Das Ermitteln steckt ihn im Blut und bei der Polizei haben sie ihn ja wegen seines Knieproblems nicht haben wollen, nur seine Fingerabdrücke, die haben sie behalten. Dabei ist er im Kopf deutlich fixer und flexibler als einige der örtlichen Hilfssheriffe! Weil dies auch dem Lechner klar ist, fährt dieser auch vorschriftswidrig mit dem Fellinger los (ohne Handschellen), um alternativen Tatabläufen, zu den augenscheinlichen, auf den Grund zu gehen. Zu Tage treten unerwartete Verwicklungen amouröser und mafiöser Natur. Aus Zeitdruck fordert der Hygieneinspektor auch die ein oder andere Schuld ein und geht neue Verpflichtungen recht eigentümlicher Natur ein. Hier tritt dann auch mein Lieblingsspezi auf den Plan, der Aschenbrenner Albi. Ich habe das Hörbuch beim Kochen gehört und als ich Lachen musste, sah mich meine Jüngste mit gerunzelter Stirn erstaunt an und meinte, warum lachst Du? Den Humor verstehe ich nicht. Ja, derart kauzige Faktoten gibt es in kleinen Gemeinden und in Niederbayern vielleicht ganz besonders. Es ist witzig, aber kein Humor für die ganze Familie, aber man kann es dennoch gut hören an Orten und in Situationen, in denen Kinder gerne mal dazu kommen, es ist nicht jugendgefährdend.

Der Spaßfaktor ergibt sich aus der bisweilen leicht pedantischen Art des Fellingers und auch den anderen recht verschrobenen Charakteren, die z.T. in jedem Fall erneut auftauchen, die sich darin weiter entwickeln und die man bald schon selbst zu kennen glaubt.

Diesmal entsteht die Spannung sowohl aus dem Element des Zeitdrucks. Schafft er es nicht nur den Fall zu lösen, sondern rechtzeitig? Anfangs kann er ja noch nicht mal vor die Tür um zu Schnüffeln, da er ja unter polizeilicher Beobachtung steht. Als auch aus der Frage, die immer im Hintergrund herumspukt, was ihm wohl so zugesetzt haben könnte, dass er entgegen seiner Natur, das Bedürfnis verspürte sich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen. Das wird als Bonbon zum Schluss geklärt, versprochen.

Die Wahl des Sprechers ist wieder 1a. Michael Schwarzmeier passt wie die Faust aufs Auge. Mal grantelt er, mal klingt er pedantisch, mal derb oder urig und immer irgendwie bayrisch, ohne dass man Probleme hätte ihn zu verstehen. Seine Stimme hat sogar das richtige Alter für diesen peniblen Möchtegern-Polizisten, der nicht mehr ganz jung, und auch nicht alt ist, mit 43 ein gestandenes Mannsbild in den besten Jahren... meinen Männer ja so. Er atmet mit jedem Satz bayrische Provinz aus und schafft eine urige Zuhöratmosphäre. Sehr gelungen, wie er auch immer wieder so kleine running gags locker gekonnt einbaut, dass man ihm am Ende einfach nur eine neue Jacke wünscht... Sehr trocken, spitzt er die Pointen zu.

Ein humoriger Krimi mit viel Lokalkolorit, bei dem es menschelt und es bei der Vielzahl der Verdächtigen richtig Spaß macht mitzurätseln. Ich bin gespannt, was ihm das nächste Jahr für ein Dilemma bringen wird.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Bloggerportal und randomhouse audio für dieses kurzweilige Krimivergnügen.

Montag, 20. Januar 2020

Ich will das nicht, Susanne Fülscher, Carlsen Clips



Ich will das nicht, Susanne Fülscher, Carlsen Clips

Die 15 jährige Zoe ist vor 4 Monaten mit ihrer Mutter von Augsburg nach Norddeutschland in die Heimat ihrer Mutter gezogen, nachdem ihr Vater sich neu verliebt hat. Ihre Mutter ist glücklich, wieder in der Nähe ihrer Eltern zu leben und bei ihren alten Schulfreundinnen. Doch genau das fehlt Zoe. Ihre beste Freundin seit der ersten Klasse, Emily vermisst sie ebenso wie ihre Leistungsturntruppe. Was soll sie hier, wo sie nur geärgert wird und sich einfach nur fehl am Platz fühlt? Doch das ändert sich, als ihre Sportlehrerin, die von ihrem turnerischen Können beeindruckt ist, ihr vorschlägt, sich doch mal die Zirkus-AG der Schule anzusehen. Skeptisch geht sie hin und ist sofort begeistert von der für sie neuen Akrobatik. Die Mädchen sind nett, besonders die gleichaltrige Fatou und auch Trainer Timo ist glücklich über den Neuzugang. Endlich fühlt sie sich zu einer Gruppe zugehörig, doch Timo gibt ihr Rätsel auf. Sind seine Berührungen Zufall, oder ist er zudringlich? Sie weiß nicht, wie sie reagieren soll und fürchtet die AG zu gefährden.

Zoe mit ihrer zurückhaltenden Art und ihrer Unsicherheit, seit dem Verlust ihrer gewohnten Umgebung ist einem sofort sympathisch. Um so mehr freut mach sich mit ihre, dass es ihr in der Akrobatik-Gruppe so gut gefällt. Anfangs scheint alles super, aber langsam schleichen sich Zweifel ein, besonders als Emily, ihre beste zu Freundin in den Ferien zu Besuch kommt und von ihren Beobachtungen berichtet. Sensibel und doch eindringlich kippt die Stimmung. Das junge Glücksgefühl kommt ins Wanken, aber noch könnte alles nur ein Missverständnis sein.

Die Grenzen zwischen Missbrauch und Zufällen sind oft fließend und gerade unsichere Menschen, was bei Teens meistens der Fall ist, tun sich schwer mit dem Deuten der Anzeichen. Niemand will so selbstverliebt erscheinen, dass jemand so beliebtes und bewundertes wie der sympathische, gutaussehende Trainer etwas von einem will. Doch dieses Buch bestärkt darin, lieber einmal skeptischer zu sein, als sich in Gefahr zu bringen und im Zweifel auch mal eine Unhöflichkeit in Kauf zu nehmen. Sehr schön kann man in Zoes Seelenleben blicken, fühlt ihr hin- und hergerissen sein. Man kann sie so gut verstehen!

Zoe hat Glück im Unglück, denn als sie sich traut, sich zu wehren, findet sie Unterstützung und ihr wird geglaubt. Das macht sie stark. Doch nicht jedem Opfer geht es so und so stellt Autorin Susanne Fülscher klar, dass es Sache der Opfer ist zu entscheiden, ob sie Anzeige erstatten wollen, oder nicht. Natürlich ist es wichtig, solche Typen zu stoppen und somit auch weitere Mädchen zu schützen, doch nicht jedes Opfer kann dies und hat dazu sie Kraft. Sie urteilt nicht und das ist wichtig. In solchen Situationen sind Verständnis, Glaube und Unterstützung gefragt. Es ist nicht der böse Unbekannte, der im Dunkeln lauert, die Opfer sind nicht Schuld, weil sie sich zu freizügig kleiden oder geben. Es sind die Täter, die die Schuld tragen, die Grenzen überschreiten. Ihnen stark entgegenzutreten ist wichtig, denn sie suchen sich die Schwachen aus und bringen ihre Opfer in Situationen, in denen sie sich schwach und verletzlich fühlen. Das kann jeder passieren, dessen sollte man sich stets bewusst sein, ohne deswegen überängstlich zu werden und das Leben an sich vorbei gehen zu lassen. Man spürt genau wie wichtig Susanne Fülscher dieses Thema ist, das sie bereits in ihrem Roman #fingerweg, in einer längeren Form angesprochen hat.

Das Besondere an diesem Buch ist neben dem Thema seine Kürze. Auf knapp etwas über 100 Seiten wird Zoes Geschichte erzähl. Kurz und doch nicht zu kurz, es gibt so viel Raum für Emotionen! Es ist ein unglaublich wichtiges Thema für Heranwachsende, da sie besonders verletzlich und verwundbar sind, aber leider auch oft echte Lesemuffel. Die Reihe Carlsen Clips widmet sich daher Themen für Teens im Hosentaschenformat, die man jederzeit mit sich rumschleppen kann und einfach durch den packen Stil und die altersgerechten Themen auch Nichtleser fesseln können. Nach 100 Seiten können sie feststellen, das Lesen gar nicht weh tut, sie aber nun etwas haben, was ihnen auf der Seele brennt und worüber sie vielleicht gerne mit ihren Freunden sprechen möchten. Ein tolles Konzept und ein tolles Format, gerade auch für Schüler die viel Zeit mit Warten an Bushaltestelle o.ä. Verbringen.

Ich liebe dieses Buch und bin so begeistert von dieser Reihe, dass ich meiner Großen auch welche zustecken werde. Mit 12,5 Jahren, ist sie aber noch etwas zu jung und sollte noch so ein bis anderthalb Jahre warten...

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Susanne Fülscher und dem Carlsen Verlag für unser Rezensionsexemplar.