Désirée, Annemarie Selinko, gekürzte Lesung mit Martina Gedeck, DAV, 1 MP3
10h 8 min
Bernardine, Eugénie, Désirée Clary wurde 1777 als 3. Kind eines
erfolgreichen Marseiller Seidenhändlers geboren. Mit 14 Jahren begleitet sie
ihre Schwägerin in die nachrevolutionäre Préfecture, um sich für die Freilassung
ihres Bruders einzusetzen. Sie geht verloren und wird von dem Sekretär Joseph
Bonaparte nach Hause begleitet. Zum Dank lädt sie ihn und seinen jüngeren
Bruder den jungen General Napoleone für den kommenden Tag zum Abendessen ein.
Ihre Mutter ist nur mäßig begeistert, ihre Töchter umso mehr. Diese verlieben
sich in die Brüder und verloben sich mit diesen. Doch mit 14 Jahren ist Eugénie
noch zu jung um zu heiraten, so daß Napoleone verspricht zu warten, bis sie 16
Jahre alt ist. Sein Ehrgeiz führt ihn nach Paris. Als seine Briefe immer
seltener werden, reißt die inzwischen erblühte Eugénie aus, um ihn in Paris zu
suchen. Um Einlass in einen feinen Salon zu erhalten, spricht sie einen
reiferen General an, der ihr bereitwillig hilft und mit ihr Zeuge der Verlobung
Napoleons mit Joséphine Beauharnais, der schönsten Frau ihrer Zeit, wird.
Eugénie, die sich fortan Désirée nennt, ist verzweifelt, Jean-Baptiste
Bernadotte entzückt von ihr und empört über Napoleon, der ihm stets
unsympathisch war. Während Napoleon stets eine Schwäche für seine reizende
ehemalige Verlobte und Schwägerin seines Bruders behält, wird Bernadotte sein
größter Rivale, unverzichtbar und unerbittlich. Er soll es sein, der seine
Träume von ewiger Größe und Kaiserehre zu Fall bringen wird.
Désirée gilt als einer der erfolgreichsten historischen Liebesromane. Dabei
basiert er auf dem wahren Leben der späteren schwedischen Königin Desideria und
ist so facettenreich, daß er Teenager ebenso bannt, wie ältere Semester. Denn
auch wenn er als Liebesroman gilt, seien wir ehrlich, die Frau eines der
mächtigsten und wichtigsten Kriegsherren und Regenten zu sein, ist nicht
wirklich romantisch, sondern vor allem in Kriegszeiten unglaublich einsam.
Krieg herrschte dank Napoleon und seinen Träumen und Plänen lange Jahre im
Anschluss an die Revolution. Beide Männer die sie liebten, wissen ihre Schönheit zu schätzen, nehmen sie jedoch
nie für ganz voll. Mit 10 Jahren beendete sie ihre Bildung und strebt danach
auch nicht unbedingt nach geistiger Größe. Doch so dumm und naiv, wie Napoleon
und Bernadotte sie gerne hinstellen ist sie auch nicht. Sie eignet sich viel
Lebensweisheit an, die sie oft zum Wohle der Völker einsetzt, soweit es ihren
Möglichkeiten entspricht. Ihr Interesse an Kriegstaktiken ist jedoch gering, da
sie den Krieg verabscheut, der nur Leid bringt und ihr den Mann weit weg führt.
Da sie trotz ihres mangelnden Interesses an Politik immer irgendwie am Puls der
Macht lebt, immerhin heiratete ihre Schwester Julie tatsächlich Joseph
Bonaparte, erlebt man mit ihr entscheidende Momente europäischer Geschichte.
Denn wie Talleyrand und Beethoven (ja auch er hat einen Gastauftritt, der die
Namensgebung der Eroica erklärt) ist Bernadotte ein Mann mit Weitblick, der
nicht nur das Wohl Frankreichs, sondern des ganzen Kontinentes im Blick hat. Er
hält Napoleon für die größte Bedrohung Europas und ist daher sein erbittertster
Gegner. Die Geschichte fasziniert mich noch immer. Nicht nur, wie ein normales
Mädchen, das sich überhaupt nicht für Politik interessiert, dennoch in die
Geschicke ihrer Zeit wiederholt eingreift, sondern auch die Strategien und
Intrigen, die damals die Belange der alten Welt beherrschen. Bernadotte
versucht seiner Frau stets das Große und Ganze zu erklären, auch wenn sie nicht
so sehr an seinen Ausführungen interessiert ist, wie ich!
Annemarie Selinkos Schreibstil ist so leicht und elegant, daß ich
tatsächlich Tränen in den Augen über Napoleons Verrat an der jungen Eugénie
hatte, auch wenn mir bereits mit 14 Jahren (beim ersten Lesen) klar war, dass
es eigentlich nur zu ihrem Besten war.
Martina Gedeck hat eine sehr ungewöhnliche, prägnante Stimme, die schön und
irgendwie auch verführerisch ist. Ihr haftet eine gewisse Sexiness und
Intelligenz an. Es ist eine Freude sie zu hören, auch wenn ich mich stets
fragte, ob es wirklich die richtige Stimme für Désirée ist. Diese ist gewiss
anziehend, aber weniger sexy und lockend, als liebenswert und
Beschützerinstinkte weckend. Eine naive, junge Stimme, hätte aber weder zu
Napoleon, noch Bernadotte gepasst und auch nicht zu der erstaunlichen
Entwicklung, die Eugénie, über Désirée bis hin zur Königin Desideria von
Schweden durchlebte. Insofern ist sie doch eine gute Wahl für dieses Hörbuch
und ein Ohrenschmeichler, den man sich gerne mehrfach anhört, um nochmal in die
Feinheiten des politischen Kalküls, auch von Fouché und Talleyrand hinzuhören.
Insofern ist es teilweise spannender als romantisch und auch eher tragisch, und
doch auch wieder nicht. Denn Désirée lernt ihr Schicksal anzunehmen und damit zu
leben.
Ein zeitloser Klassiker, der nichts von seinem Charme, seiner Spannung und
seinem Reiz verloren hat. Meine Empfehlung lautet ganz klar: Anhören! Es ist
nach wie vor eines meiner Lieblingsbücher.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim DAV für dieses Herzenshörbuch.