Samstag, 6. Juli 2019

Juli & August, Krokodil über Bord! Alexander von Knorre, ungekürzt gelesen von Boris Aljinovic, DAV (der Audio Verlag) 2 CDs 2 h 1 min.



Juli & August, Krokodil über Bord! Alexander von Knorre, ungekürzt gelesen von Boris Aljinovic, DAV (der Audio Verlag) 2 CDs 2 h 1 min.

Gemütlich treibt der 8-jährige August auf seinem aufblasbaren Gummi-Krokodil auf dem Meer und träumt von einem Eis, als er der etwa gleichaltrigen Juli auf ihrem wundersamen Floß begegnet. Mutterseelenallein, dafür bestens ausgestattet mit Hängematte, Huhn, Dusche, Plumpsklo, Wasserspeicher, Pflanzen... Das beeindruckt August schwer und er heuert gleich als Schiffsjunge an, aber Juli nimmt nicht jeden, schon gar nicht einen Angsthasen. Drum gibt es erst ausgeklügelte Mutproben, die August mit Sinn, Verstand und Herz besteht! Nun darf er an Bord und sein Gummitier wird fest vertäut. Gemeinsam erleben sie Abenteuer, die selbst Pippi Langstrumpf staunen ließen! Da gibt es verirrte Urlauber, U-Boote, Juwelendiebstähle, wilde Stürme, alternativ genutzte ausrangierte Bohrinseln und geheimnisvolle im Meer schwimmende Frachtcontainer! Die zwei haben für jedes Problem eine Lösung, mal geplant, mal weniger! Sehr spaßig und fantasievoll, realistisch eher nicht. Alltag hat man aber ja auch schon zu Hause ;)

Es sind ganz erstaunliche Details die meine Tochter schwer beeindruckt haben, wie z.B. das Gesicht, das auf den Bug eines Kreuzfahrtschiffs gemalt ist. Mich hat dann eher der Name des Schiffes amüsiert, ein kleines Bonbon für mithörende Eltern ;) Dass diese Geschichte den Realitätsgrad von Pippi Langstrumpf hat, hat sie dabei nicht gestört. Da es offensichtlich nicht realistisch ist, konnten ihr die Stürme und sonstigen brenzligen Situationen beim Einschlafen auch keine Angst machen. Aber wenn Boris Aljinovic liest, ist sie sowieso immer beruhigt. Seine Stimme hat immer eine sehr beruhigende Wirkung auf sie. Abgesehen davon, dass sie sehr angenehm ist, ist sie auch sehr variabel. Egal ob Juli oder August, ein Juwelendieb oder verkannter Kunstmaler, er schafft es stets stimmlich einen eigenen Charakter für sie heraus zu arbeiten, egal welchen Geschlechts oder Alters, die Person gerade ist. Man hört ihm auch sehr genau die Absurdität der jeweiligen Situation an, so dass auch schon Kinder ab 6 Jahren den Spaß heraushören.
Charakter haben die zwei Kids. Juli ist eine taffe Kapitänin, die sich nicht das Ruder aus der Hand nehmen lässt und leider alles kann, außer Schwimmen. Das ist bisweilen etwas frustrierend für August, aber in Zeiten der Unpässlichkeiten von Juli, kann August so richtig zeigen was er kann und bekommt dafür sogar einen Orden verliehen!

Zwei zufällige Freunde wachsen durch ihre Erlebnisse zusammen und können sich stets auf einander und ihren Einfallsreichtum verlassen. Dabei gefällt mir sehr gut, daß trotz aller Abenteuer auch eingeräumt wird, daß es manchmal den größten Mut erfordert, nein zu sagen, weil man etwas nicht möchte, oder sich nicht traut, oder eine Mutprobe unsinnig ist. Das erfordert Größe und die ist meistens besser als Mut! Zwischenzeitlich wächst die Schar ihrer tierischen Freunde immer wieder an und sie behandeln die Tiere stets mit Respekt. So ganz nebenbei klingt dann auch die Klimaveränderung und deren Bedeutung für die Tiere der Arktis mit durch. Allerdings nicht bedrohlich, sondern spaßig, wobei auch klar wird, daß es auf Dauer keine Lösung ist, Eisbären in gastronomischen Kühlhäusern zu halten....

Was meiner Tochter außerdem sehr gut gefiel war die Länge der einzelnen CDs mit jeweils einer Stunde. Bei den CDs mit Überlänge verschläft sie oft 1/3 und muss dann wieder den Anschluß suchen. Hier hatte sie das Problem nicht. Aufgrund der Normallänge ist die Qualität auch besser und es gibt keine „Hüpfer“ in der Aufnahme.

Ein tolles und wildes Ferienabenteuer, mit hohem Spaßfaktor, dessen Fortsetzung folgt! Ab 6 Jahren.

Wir bedanken uns ganz herzlich beim DAV für dieses Hörvergnügen!

Freitag, 5. Juli 2019

Die Zarin und der Philosoph, Martina Sahler, List Verlag



Die Zarin und der Philosoph, Martina Sahler, List Verlag

Diese Geschichte beginnt weder mit der Geburt der Zarin, noch des Philosophen, sie schließt zeitlich auch nicht unmittelbar an den ersten Band „Die Stadt des Zaren“ an. Sie beginnt 1761 mit dem Entschluss eines alten Eremiten sein außerordentlich aufgewecktes fünf jähriges Findelkind aus der Waldhöhle in die Stadt St. Petersburg, in die Obhut der Zarin zu bringen. Er hat ihre Barmherzigkeit schon mal am eigenen Leib erlebt, nun soll die kleine Sonja in den Genuss ihrer Förderung kommen. Katharina erkennt die außergewöhnlich Begabung und den fragenden Geist des Mädchens und zieht sie ihrem leibliche Sohn Zarewitsch Paul vor. Sie sieht sich selbst als fortschrittliche Vorreiterin und will die Bildung von Mädchen und Frauen fördern. Preußenkönig Friedrich der Große betrachtet die durch einen Putsch an die Macht Gekommene mit Misstrauen. Daher schickt er den jungen Philosophen Stephan Mervier und seine junge Frau die Malerin Johanna an ihren Hof als Spion. Schließlich weiß jeder, daß Katharina sich gerne aufgeschlossen und fortschrittlich gibt, ist doch ihr Briefwechsel mit Voltaire legendär. Doch was steckt dahinter? Was plant sie wirklich? Anders als seiner Frau fällt Stephan der Neustart in St. Petersburg unter lauter Intellektuellen leicht. Er liebt es zu debattieren und hat bald einen geheimen Männerzirkel um sich versammelt, während er sich in Katharinas Gegenwart nie ganz frei fühlt. Johanna jedoch fühlt sich ausgeschlossen und überfordert damit ihren Ruf als Künstlerin wieder ganz von vorne aufbauen zu müssen. Eine Stadt mit ihren ganz eigenen Gesetzen und Anforderungen.

Ein Roman über die Macht der Worte und die Freiheit der Gedanken und die Faszination einer Stadt die jeder geografischen Widrigkeit zum Trotz aus dem Boden gestampft wurde, innerhalb kürzester Zeit. Wie bereits Stadtgründer Peter hat auch seine Nachfolgerin Katharina gerne westliche Intellektuelle um sich geschart. Sie genoss den europäischen Einfluss und zog daher stets das westlich orientierte St. Petersburg dem russisch abergläubigen Moskau vor. Die Größe des Reichs war kaum zu überblicken und zu regieren. Ihrem Volk traute sie es nicht zu, nur einer festen Hand mit einem aufgeschlossenen Geist wie ihrem. Die Gelehrten um sie sollten den Gedankenaustausch sicherstellen, doch letztendlich sich ihrer Erkenntnisse anschließen. Die Freiheit der Andersdenkenden besteht, so lange sie sich „bekehren“ lassen. Gedanklich kommt man in diesem Roman Katharina sehr nah, emotional nur bisweilen, in aufblitzenden Bruchstücken, die meine Highlights des Romans sind.
Neben der schüchternen und doch fortschrittlichen Malerin Johanna, sind meine Lieblingsfiguren daher der manipulative Buchhändler und Verleger Lorenz Hermann und Eremit Emilio. Sie sind klar in ihrer Art zu Denken und zu Fühlen, ohne simpel zu sein.

Als Leserin hat mich das unaufhaltsame Auseinanderdriften dieser einst glücklichen Ehe aufgrund der neuen Gegebenheiten von Land und Leuten etwas bedrückt. Ich hätte Johanna gerne eine glückliche Ehe gewünscht. Mit dem was sie dort, wo sie nie hinwollte, erwartete, hat sie nicht gerechnet. Doch auch Katharina kämpft mit ihren Zielen und Plänen. So durchkreuzen Kriege und Aufstände ihre sich selbstauferlegte Aufgabe, die russische Verwaltung zu strukturieren und reformieren, zum Wohle der Allgemeinheit und eines wachsenden Wohlstandes. Anders als Peter zog sie als Frau nicht in den Krieg, sondern ließ diese von Männern ihres Vertrauens für sich führen. Frauen in der Armee waren damals undenkbar, von den Plänen Katharinas für eine Veränderung der weiblichen Lebensverhältnisse hat sich durchaus schon einiges getan und zwar in einem, für sie damals wohl unvorstellbaren Ausmaß. Doch war sie damals nicht die einzige mächtige Frau in der alten Welt. So wird der Leser immer wieder daran erinnert, daß zu diesen Zeiten, als Frauen für die Familie da zu sein hatten und auch ein Studium eigentlich nicht in Betracht kam, Maria-Theresia von Österreich ebenfalls die Geschicke ihres Landes lenkte und sehr belesen war.

Während mir der philosophische Diskurs im Roman sehr gefiel, hätte ich gerne mehr Einblick in die angeprangerten höfischen Seilschaften, Intrigen und Verschwendung gewünscht. Immerhin ist dieser Zeitraum der Aufklärung zeitlich recht nah an der aufziehenden französischen Revolution, nur 14 Jahre nach Ende der hier beschriebenen Ereignisse. Diderot der sich zu seiner Gönnerin Katharina begibt, hat für mich einiges im geschichtlichen Kontext in Frankreich klarer gemacht, ebenso wie Johanna, die sich um die Aufnahme in die Kunstakademie bemüht. Solche elitäre Strukturen findet man bei uns heute nicht, in Frankreich schon.

Ein Roman, der meinen Geist bereichert hat, meine Seele aber nicht immer beflügelt hat.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Martina Sahler und dem List Verlag für diese Leserunde.