Donnerstag, 21. Dezember 2017

Lady Susan, Jane Austen, gelesen von Eva Mattes, Argon Verlag



Lady Susan, Jane Austen, gelesen von Eva Mattes, Argon Verlag
Zum 200. Todestag wollte ich nun endlich den letzten Roman von Jane Austen lesen, den ich noch nicht kannte. Bislang hatte ich Lady Susan immer gemieden, weil es a) ein Briefroman ist und b) unvollendet. Nun stand das Jahresende kurz bevor, das Buch noch nicht mal in meinem Regal, aber der Hörbuchkonsum gerade durch mehrere Krankheitswellen explodiert, daher griff ich zum Hörbuch!
Lady Susan ist eine für ihre Schönheit, ihre Anmut und ihren Charme gepriesene Schönheit, trotz ihrer reifen 35 Jahre sieht sie mindestens 10 Jahre jünger aus. Doch so schön und anmutig ist auch ist, so zweifelhaft ist auch ihr Ruf, sie ist nicht nur ein gesellschaftlich akzeptabler Flirt. Frisch verwitwet zieht die verarmte Lady mit ihrer 16 jährigen Tochter Frederica zu ihrer Freundin Alicia, die mit einem reichen, aber älteren und gesundheitlich sehr eingeschränkten Mann verheiratet ist. Dort verdreht sie sowohl dem Ehemann des Mündels ihres Gastgebers, als auch dem Verlobten von dessen Schwester den Kopf. Letzterer ist ein reicher junger Mann von Stand, mit besserem Seh- als Urteilsvermögen, der daraufhin Frederica einen Heiratsantrag macht, sehr zum Gefallen von Lady Susan und zum Missfallen der Erwählten. Ehe sie vor die Tür gesetzt werden kann, lädt sie sich bei ihrem Schwager ein, dessen Vermählung sie vor 6 Jahren zu verhindern versuchte und bringt ihre Tochter, die ihre Liebe zu Intrigen und Affairen nicht teilt, in ein Pensionat für höhere Töchter. Auf dem Sitz ihres Schwagers droht Langeweile, bis der jüngere, schneidige Bruder ihrer Schwägerin auftaucht, der schon von ihrem Ruf so einiges gehört hatte.
Lady Susan sticht aus dem Werk der Autorin wirklich heraus. Anders als ihre sonstigen Heldinnen ist sie nicht sympathisch und schon gar nicht naiv oder ungestüm. Ich bin froh, daß ich es nicht wie Northanger Abby mit Anfang 20 gelesen habe, sondern sehr viel später. Emma fand ich damals auch anfangs ziemlich unsympathisch, wie selbstgerecht sie mit dem Schicksal ihrer Freunde und Bekannten spielt! Aber als ich älter wurde, bekam ich Verständnis, sowohl für ihre Langeweile, als auch ihr wohlmeinenden Absichten. Diese kann man Lady Susan beim besten Willen nicht unterstellen. Auch sie taktiert und manipuliert, aber stets mit ihrem eigenen Wohl im Blick und völlig blind gegenüber den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Mitmenschen, allen voran ihrer Tochter, die sie verabscheut, da sie ihr nicht ähnelt, außer daß auch sie ausgesprochen hübsch ist, aber nach ihrem Vater kommt. Die Doppelzüngigkeit und Intrigen machen Spaß, aber mögen kann man Lady Susan nicht. Da hat es ihre Gegenspielerin, ihre Schwägerin beim Zuhörer deutlich leichter, ebenso wie Frederica, die in ein schlechtes Licht zu rücken, Lady Susan sich in ihrem Briefen, äußerst bemüht. Sprachlich finde ich Jane Austen wieder brillant, auch in der Übersetzung macht ihre äußerst differenzierende und treffende Ausdrucksweise Spaß. Gerade die Briefwechsel zwischen Lady Susan und Alicia Johnson bereiten in ihrer Boshaftigkeit viel Vergnügen, so nahm Jane Austen eigentlich schon die alternativen Tatsachen vorweg, als sie Alicia erkennen ließ: „Tatsachen sind einfach schreckliche Spielverderber!“. Allerdings hat Lady Susan in ihrer Schwägerin eine ebenbürtige Gegnerin gefunden, die aufgrund der Erfordernisse ebenfalls ums Taktieren und Ränkeschmieden nicht umhinkommt, wenn auch mit deutlich edleren Motiven.
Leider endet der Briefwechsel etwas abrupt, zum einen, weil ihrer Freundin Alicia der Kontakt zu Lady Susan untersagt wird und zum anderen, weil die übrigen Protagonisten an einem Ort vereint sind und somit keinen Anlass mehr haben, miteinander zu korrespondieren. Da hat sich Jane Austen wohl selbst in ein Dilemma gebracht, obwohl sie durchaus einen Plan für den Ausgang des Romans hatte. Dieses Ende des Romans wird dann auch, anders als der Haupteil, erzählt. Das Ende ist auch durchaus befriedigend, da jeder erhält, was er verdient.
Sehr gut gefällt mir die Aufmachung dieses Hörbuches, das als Klassiker ein Booklet enthält, daß auch Jane Austen Neulingen einen Überblick über deren Leben und Wirken vermittelt, als auch dieses für die Autorin sehr untypische Werk zeitlich und inhaltlich zu positionieren versucht. Allerdings hätte ich mir gewünscht, daß auf der Rückseite des Booklets, dessen Cover ein sehr herrschaftliches Anwesen zeigt, ein Personenverzeichnis abgedruckt wäre. Diese Rückseite ist frei und da es sich um einen Briefroman handelt, der somit zu Beginn keine Einführung in die Personen und ihre Beziehungen enthält, wäre ein solches Kurzverzeichnis sehr hilfreich. Nach mehrmaligem Hören konnte ich alle Briefe gut einordnen, aber sofern man nicht auf dem Sofa liegend das Hörbuch hört, sondern nebenbei noch Auto fährt oder etwas anderes macht, kann man beim ersten und zweiten Hören etwas durcheinander kommen, was einfach an der Natur des Genres liegt.
Eva Mattes überrascht mich stets beim Hören. So empfinde ich sie als Schauspielerin oft als recht kühl und bisweilen schroff, während ihre Stimme sowohl warme Stimmungen und Persönlichkeiten, als auch die hinterlistige Perfidie und Doppelzüngigkeit von Lady Susan sehr gut zur Geltung bringt. Sie wird Jane Austens Werk absolut gerecht.
Ich liebe Jane Austen und ihre Sprache bereitet mir immer wieder von neuem Vergnügen, egal, wie oft ich ihre Werke lese, höre oder sehe. Dennoch gibt es einen Punktabzug, da der Wechsel von Briefwechsel zu recht kurzer Zusammenfassung des Romanendes doch etwas abrupt ist und nicht von ihrer üblichen Eleganz. Auch wäre eine Vorstellung der Protagonisten auf Grund der Erzählform hilfreich gewesen, für diejenigen, die dieses Werk noch nicht kennen.
Eine Autorin, die auch 200 Jahre nach ihrem Tod ihren Reiz nicht verloren hat und zu recht unsterblich wurde, durch ihr Werk. Ich bin sehr froh, über diesen Neuzugang in meinem CD-Regal, da der Roman wirklich toll umgesetzt wurde. 4 von 5 Sternen.
Ganz herzlichen Dank an den Argon Verlag, der mir mit diesem Rezensionsexemplar einen Herzenswunsch erfüllt hat.

Dienstag, 19. Dezember 2017

Villa Wunderbar: Ein Waschbär zieht ein, Linnea Svensson, gelesen von Martin Baltscheit, Der Hörverlag



Villa Wunderbar: Ein Waschbär zieht ein, Linnea Svensson, gelesen von Martin Baltscheit, Der Hörverlag
In der alten Villa Wunderbar wohnen alle unter einem Dach: Matilda mit ihren Eltern und dem großen Bruder, ihr Freund Joschi mit seiner Mama und dem schrägen Erfinderpapa sowie Oma Hilde und Opa Günther. Im Erdgeschoss der Villa betreiben Matildas und Joschis Mama zusammen einen Waschsalon mit Café. Dort nistet sich eines Tages in einer der Waschmaschinentrommeln ein kleiner Waschbär ein. Er wird Henri getauft, nach Uroma Henriette – die kennt zwar keiner mehr, mit ihren Augenringen auf dem Foto im Flur sieht sie dem Waschbären aber verdächtig ähnlich. Und eins steht fest: In diesem Haus ist kein Tag wie der andere! Matilda und Joschi gehen zusammen in die gleiche erste Klasse und da ist es selbstverständlich, daß sie nach der Schule gemeinsam Hausaufgaben machen. Natürlich ist dann auch immer Henri dabei, der immer genau aufpasst, daß er auch ja genug gekrault wird. Aber heute ist es irgendwie anders, Henri ist gar nicht da und taucht auch erst mal gar nicht auf! Da fehlt er ihnen sogar beim Spielen, weil niemand mehr schummelt oder nicht verlieren kann! Gerade als sie ihn so richtig stark vermissen, sehen sie, wie er einen geheimnisvollen Karton vor sich herschiebt, den er offensichtlich verstecken will. Da ist die Neugierde der Kinder geweckt!
 Ganz klar, schon allein diese ausgeklügelte Verpackung ist der reinste Hingucker! Meine Jüngste hat es während sie krank im Bett lag, hoch und runter gehört und dabei immer wieder die Villa Wunderbar aufgebaut und mit kleinen Ü-Ei-Tierchen darin gespielt. Eine wirklich ganz hinreißende Idee, nicht nur für ganz Kleine, die auch wirklich ganz toll die Illustrationen von  Nikolai Renger wiedergibt. Natürlich sieht man so nicht alle Illustrationen des Buches, aber es vermittelt ein tolles Gefühl für diese ganz besondere Villa und seine Bewohner. Dabei erleben die Bewohner ganz unterschiedliche Abenteuer. Mal versucht sich der freche Waschbär als Ziehvater für Findelkinder, mal verdächtigt er eine Frau im Café eine gemeine Diebin zu sein, so daß er mit den Kindern die Ermittlungen aufnimmt, oder ein Flohmarkt im Café für Gäste und Freunde sorgt für mancherlei Überraschung. Sehr gut gefiel meiner Tochter die Schwäche von Henri beim Spielen zu verlieren, während sie über „Waschbär-ärgere-Dich-nicht!“ lachen kann, kann sie als Kind sehr gut verstehen, daß es Henri bisweilen sehr schwer fällt, sich an Regeln zu halten. Manchmal erscheinen diese ja auch langweilig und doof, bis man mal genauer darüber nachdenkt. Ein wirklich wichtiges Kinderthema. Aber natürlich wäre Henri kein Waschbär wenn er nicht leidenschaftlich gerne waschen würde, mit den eigenen Händen und nicht mit der alten Miele, die er sein Zuhause nennt. Hier passt einfach der Inhalt zur Verpackung. Ebenso liebevoll wie die Verpackung, sind auch die Geschichten erdacht und erzählt. Es ist einfach ein rundum gelungenes Paket, auch wenn die Geschichten nur gekürzt wiedergegeben werden. In der Villa Wunderbar ist die Welt noch in Ordnung, egal wie viele Verbrechen Henri auch vermuten mag.
Hinter Linnea Svensson verbirgt sich das Autorenduo Sandra Grimm und Ann-Katrin Heger, die viel Spaß beim Erfinden dieser warmherzigen Geschichten hatten und dort am liebsten auch wohnen würden.
Martin Baltscheit, geboren 1965 ist Illustrator, Sprecher und Autor von Kinderbüchern und sogar Kindertheaterstücken. Er liest die Geschichte sehr lebendig und in einem sehr kinderfreundlichen, warmen Tonfall, so daß dieses Hörbuch schon ab 4 Jahren empfohlen wird, auch wenn Matilda und Joschi ja schon in die erste Klasse gehen. Bei einigen Geschichten insbesondere als es um abstrakte Kunst und ihren Erfolg auf dem Markt ging, habe ich mich schon gewundert, wie so junge Kinder das denn wirklich verstehen können, aber ich denke, sie verstehen die Geschichte einfach auf einer völlig anderen Ebene, als meine Achtjährige oder ich. Die Geschichten wandeln sich einfach mit dem Erfahrungsschatz des Zuhörers, sind aber niemals grausam oder angsteinflößend, sondern humor- und fantasievoll. Da die Konzentrationsspanne in dem Alter bisweilen noch nicht so lange ist wie dieses Hörbuch von 1 h und 26 min, kann man die 10 Geschichten auch einfach einzeln hören, so lange die Konzentration eben mitspielt. Für ältere Kinder ist das natürlich kein Problem, durch die Trackliste mit Angabe der jeweiligen Geschichte ist jedoch ein Wiedereinstieg nach einer Pause, deutlich erleichtert.
Richtig schöne Geschichten voller Fantasie und Abwechslung für aufgeweckte Kinder ab 4 Jahren.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Der Hörverlag für dieses zauberhafte Hör- und Spielerlebnis.