Dienstag, 15. August 2017

Summer Switch, Stefanie Gerstenberger & Marta Martin, Arena Verlag



Summer Switch, Stefanie Gerstenberger & Marta Martin, Arena Verlag
Catherine (genannt Catta) hat bei einem Arztbesuch als Begleitung ihrer schwer krebskranken Mutter der Künstlerin Marlene, an einem Preisausschreiben teilgenommen und 2 Wochen Urlaub für 2 Personen in der Villa Paradiso auf der traumhaften Insel Elba gewonnen. Perfekt zur Erholung für ihre Mutter, um nach den grauenvollen Chemos wieder Kraft und Lebensfreude zu tanken. Allerdings sind sie nicht zu zweit. So ihrer herzlichen und chaotischen Künstler Familie gehören noch Stiefvater Otto ein Autor, ihr großer gutaussehender Bruder Jacques und ihre 5 jährigen Halbgeschwister die Zwillinge Emile und Eliese für die sich Catta stets verantwortlich fühlt. Aber Künstler sind kreativ, also sollen die Eltern in der Villa wohnen und die großen Geschwister mit den Kleinen im VW-Bus auf dem Camping-Platz. Aber es kommt natürlich alles ganz anders.
Die Villa Paradiso ist traumhaft, aber das Arbeitsklima ist schlecht. Die Eltern Roberto und Antje (aus Hamburg, daher spricht Fé Deutsch) stehen völlig unter Strom. Ihre 16 jährige Tochter Félicia, die in den Internatsferien zurück im Familienbetrieb ist, steht tagsüber an der Rezeption und abends in der Küche. Dazwischen darf sich die gertenschlanke Fé noch anhören, sie müsse auf ihre Figur aufpassen. Bei Fé ist es Liebe auf den ersten Blick, als der exotische Jacques mit seiner Mutter im Hotel eincheckt. Als kurz darauf Catta ihm um den Hals fällt und Fe die Zwillinge aus dem Pool wirft, ist die Feindschaft zwischen den gleichaltrigen Mädchen scheinbar in Stein gemeißelt, bis die zwei durch die Magie einer uralten Pinie den Körper tauschen….
Zwei wie Feuer und Wasser. Catta und Fé scheinen nichts gemeinsam zu haben, außer ihrer Zweisprachigkeit, beide sprechen fließend Deutsch und Italienisch. Dennoch neidet jede der beiden der anderen etwas, aber nur so lange, bis sie in der Haut der anderen stecken. Als sich dann auch noch Catta in Fé’s Cousin verliebt, so wie Fé in Jacques, wird es ganz schön kompliziert. Nicht nur, daß sie sich nicht verraten dürfen und so tun müßten, als wüßten sie Bescheid. Catta muß auf einmal an die Rezeption und in die Küche und Einzelkind Fé ist ständig von zwei Fünfjährigen umgeben, die auch noch total unordentlich sind!
Catta ist sportlich, quirlig, musikalisch, temperamentvoll und Fé beherrscht, ständig auf ihre Figur achtend, zurückhaltend und versucht stets die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen.
Schön ist, daß jedes Mädchen so präsentiert wird, das die Leserin mit ihr mitfühlen kann und beide mag, auch wenn sie noch so gegensätzlich sind. Mal hatte ich mehr Mitleid für Catta, die in ständiger Sorge um ihre Mutter lebte, nachdem doch schon ihr Vater bei einem Autounfall starb, oder Fé, die trotz zwei gesunder Eltern total einsam war, an der ständig kritisiert und rumgemeckert wird und die an den Rand der Magersucht getrieben wird. Gerade die sehr unterschiedlichen Figuren sind für Catta und Fé erst mal gewöhnungsbedürftig, was mich immer wieder schmunzeln ließ. Aber für mich war es auch ein klares Zeichen, liebe Leserinnen, lasst Euch bitte nicht durch ewiges Genöhle Eurer Mütter in die Magersucht treiben, auch Kurven haben Liebhaber. Gerade Catta’s Szenen in der Gemüseküche haben etwas durchaus Sinnliches. Dank der Hotelfachkenntnisse von Stefanie Gerstenberger habe ich noch einige Küchentipps nebenbei gelernt. Aber keine Sorge, es ist kein Kochbuch, aber irgendwie schon eine Liebeserklärung an gutes Essen und das savoir vivre auf Elba. Perfekt für diesen regnerischen April-Sommer in Deutschland. Leicht und beschwingt wie ein Lüftchen im Pinienwald und dennoch nicht flach. Catta’s und Fés Sorgen sind durchaus real und ernst zu nehmen. Um das besser nachfühlen zu können sind die Kapitel mal aus der einen, dann aus der anderen Sicht geschrieben. Damit man nicht durcheinanderkommt, ist unten auf der Seite stehst mit den „Kolumnentiteln“ der Name derer vermerkt, die gerade ihren Teil der Geschichte berichtet. Bei aller Leichtigkeit wir man dazu angeregt darüber nachzudenken, ob man wirklich jemand anderes sein möchte, oder ob es nicht doch besser ist, man selbst zu sein.
Im Anhang findet sich ein Glossar mit den wichtigsten italienischen Begriffen, für alle, die nicht wie Catta auf einer italienischen Schule waren.
Neben dem angenehm fließenden Stil hat mir auch sehr gut gefallen, daß alle Personen liebevoll ausgearbeitet wurden und nicht nur die vier Hauptpersonen.
Das Autorinnenduo ist ein Mutter-Tochter-Gespann, das wohl nicht nur ihre Liebe fürs Schreiben und die wunderschöne Insel Elba teilt. Geschrieben ist das Buch in einem Guss, man merkt nicht, daß unterschiedliche Personen am Werke waren. Ob sie wohl auch mal die Körper getauscht hatten?
Herrliche sommerliche Lektüre fürs Herz mit Niveau für Mädchen von 12 bis 15 Jahren, perfekt für diesen Regensommer, um sich in den warmen Süden zu träumen. Romantisch witzige 5 von 5 Sternen.

Sonntag, 13. August 2017

Sherlock Holmes und das Geheimnis des weissen Bandes, Hörspiel nach Anthony Horowitz, Bearbeitung und Regie Bastian Pastewka, WDR & Radio Bremen, Goya Lit



Sherlock Holmes und das Geheimnis des weissen Bandes, Hörspiel nach Anthony Horowitz, Bearbeitung und Regie Bastian Pastewka, WDR & Radio Bremen, Goya Lit
Dr. Watson liegt im Sterben und so bricht er nach dem Tod seines Freundes Holmes ein 25 Jahre altes Schweigen und berichtet von einem besonders abscheulichem Fall, der Sherlock besonders unter die Haut ging, weil er sich für den Tod eines Kindes verantwortlich fühlt. Dieser Fall führte Holmes und Dr. Watson sowohl in die Niederungen der Londoner Slums, als auch in höchste gesellschaftliche Kreise, als eines kalten Abends der wohlhabende Kunsthändler Edmund Carstairs in voller Abendgarderobe in der Baker Street 221b erscheint und folgendes Problem schildert: aufgrund eines Großauftrages eine beachtliche Sammlung des englischen Maler Constable an die amerikanische Westküste zu einem reichen Amerikaner Cornelius Stillman zu bringen, kam er in Kontakt mit einer irisch-amerikanischen Verbrecherbande. Als diese bei einem Eisenbahnüberfall die Kunstsammlung verbrannte, schwor Stillman Rache. Die Bande wurde bis auf einen der Anführer in einem Hinterhalt ausgelöscht. Dieser O’Donaghue ermordete daraufhin Stillman und scheint nun hinter ihm, Carstairs her zu sein. Sherlock macht sich so seine eigenen Gedanken, auch weil in dem Carstairs Haushalt so einige Merkwürdigkeiten in den letzten Monaten auftraten. Er scheint nicht weiter zukommen. Auffällig ist jedoch, daß er bei seinen Ermittlungen stets auf weiße Seidenbänder stößt, selbst an der Leiche eines ermordeten Straßenjungen.
Gerade bei CD 2 wurde mir siedendheiß bewußt, warum ich bislang lieber den Abenteuern des jungen Sherlock Holmes folgte, da der Erwachsene ja den Hang zu einer 7 % Kokainlösung intravenös hat. Aber meine Befürchtung Holmes in einen Drogenrausch folgen zu müssen, wurde nicht erfüllt. Zwar führten die Ermittlungen in eine der damals legalen Opiumhöhlen, in denen die Oberschicht bisweilen auf völlig aufgezehrte Vertreter der Unterschicht trifft, aber das Verbrechen, daß Holmes aufdeckt ist viel abscheulicher und die darin Verwickelten unantastbar, so daß es trotz Aufklärung nie enden wird. Die Mächtigen sind beteiligt und halten schützend ihre Hände über die Täter. Dies ist definitiv kein Jungendhörbuch, aber voller Gedankenspiele und besonders auf CD 2 wirklich spannend. Gerade die musikalische Hörspieluntermalung überzeugte mich, die Geschichte besser nicht mehr zum Einschlafen zu hören, sondern bei unliebsamen Haushaltstätigkeiten. Der musikalische Spannungs- und Atmosphärenaufbau hat bei mir wirklich seine Wirkung gezeigt.
Wie Holmes es gelingt sich mal wieder aus der größten Not zu befreien, fand ich zwar etwas konstruiert, aber die vollständige Auflösung des Rätsels habe ich so nicht kommen sehen. Es lohnt sich daher definitiv das Hörspiel mehrmals zu hören und sich in der Wiederholung an all den kleinen Hinweisen zu erfreuen, die man entdeckt, wenn man die Auflösung bereits kennt.
Eine wirklich gelungene Hommage an Sir Arthur Conan Doyle und seine Schöpfung Sherlock Holmes. Die nebeligen Londoner Straßen, die Slums, sehr gut ist die Atmosphäre der damaligen Zeit eingefangen worden. Die Anknüpfung an bekannte Geschichten mit der Erläuterung, wo denn dieser neue Fall herkommt und weshalt Holmes und Dr. Watson nach dessen Heirat noch mal ermitteln, ist wirklich gut gelungen und für Fans ein echtes Schmankerl. Der Autor Anthony Horowitz der für seine eigene Krimiserie Bestsellerstatus erlangte, hat sich wirklich gut in die Vorlagen hereingedacht und den Ton gut getroffen.
Mit Frank Röth wurde Sherlock Holmes meines Erachtens stimmlich hervorragend besetzt, wie auch die Wahl von Gerhard Garbers als Dr. Watson. Beide Stimmen setzen sich gut in Klangfarbe und Tonhöhe von einander ab, so daß eine Verwechslung ausgeschlossen ist.
Oft habe ich bei Hörspielen Probleme der Geschichte zu folgen, entweder weil die Lautstärke zu stark schwankt, oder ich Schwierigkeiten habe, die Stimmen den Personen korrekt zu zuordnen. Bei dieser Produktion wurde für jede Person ein eigener Sprecher gewählt und dabei wirklich renommierte Stimmen, bis in die kleinste Nebenrolle (der kleine Drache Kokosnuss = Philipp Schepmann als verkommener Adelspross, herrlich!), die es wirklich vereinfachen, die Personen akustisch zu unterscheiden. Man merkt, daß WDR und Radio Bremen keine Kosten und Mühen gescheut haben und daß mit Theresia Singer als technischer Leitung ein Profi am Start war.
Da es sich um eine 3-teilige Sendereihe handelt, beginnt jede CD auch tatsächlich mit einer Einführung und einem ganz kurzen Rückblick. Als ich CD 2 einlegte dachte ich, ich hätte vergessen den Tonträger zu wechseln, bis mir dämmerte, daß ich ja der Radioversion folge.
Auch wenn für die Hörspielbearbeitung Kürzungen vorgenommen werden mußten, ist Bastian Pastewka wirklich geschickt mit der Textvorlage umgegangen, so daß ich es nie bedauert habe, mich für das Hörspiel statt für das Hörbuch, daß ebenfalls bei Goya Lit erschien, entschieden zu haben.
Eine toll produzierte Hommage an das wohl berühmteste Ermittlerduo, dem ich gerne 5 von 5 Sternen gebe.