Sonntag, 6. August 2023

Anleger 511 Kai Bliesener, Klaus Maria Dechant, Jo Schüttwolf, Autorenlesung, Early Bird Books, 1 MP3

 

Anleger 511 Kai Bliesener, Klaus Maria Dechant, Jo Schüttwolf, Autorenlesung, Early Bird Books, 1 MP3

 

Drei Autoren, drei Thriller, drei Helden, ein Ziel (Anleger 511 in Eltville).

 

Ein spannendes Experiment, angelehnt an „Sing my song“: drei befreundete Autoren wählen einen Charakter aus einem der Werke des anderen und lässt ihn/sie als Hauptfigur einen Thriller erleben, der letztendlich am Anleger 511 in Eltville (Hessen) endet.

 

Schließfach 102 Klaus Maria Dechant Thriller 1: Die junge, aufstrebende Enthüllungsjournalistin Emma Berg aus Stuttgart bekommt anonym den Schlüssel zu Schließfach 102 zugeschickt, während sie eigentlich in einem ganz anderen Thema steckt. Statt an dem langen Wochenende mit ihrem Freund den BKA Beamten, romantisch zu chillen und über die Zukunft zu sinnieren, fährt sie nach Zürich auf der Suche nach dem Nummernschließfach: es ist eines dass für Staatsgeheimnisse vorbehalten ist. Der Umschlag, den sie dort findet, irritiert sie noch mehr: Unterlagen über gebrauchte Näh- und Schreibmaschinen Exporte in Krisengebiete. Können sich dahinter verbotene Waffen- und Panzerlieferungen stecken? Wer ist der Whistleblower, was soll das Ganze?

 

Dieser Thriller gefiel mir ausgesprochen gut und zog mich sofort in seinen Bann. Workaholic Emma finde ich mit all ihren Macken sympathisch. Der Fall ist ebenso aktuell, wie geheimnisvoll, wobei er seine Wurzeln in der Vergangenheit hat. Es geht über die ehemalige „Zonengrenze“, in deutsche Mittelgebirge und hinein in die Politik und die Kunst des Vertuschens, die bisweilen mörderisch sein kann. Der Autor hat eine angenehm volle, melodische Stimme und vermag es seiner Suche nach der Wahrheit den richtigen sprachlichen Schliff und erzählerische Spannung zu geben. Absolut gelungen!

Auszeit, Jo Schuttwolf, Thriller 2: Kommissarin Michaela Cordes ist nach dem letzten Desaster erst mal suspendiert und braucht eine Auszeit, um alles zu verarbeiten und die seelischen und körperlichen Wunden heilen zu lassen. Wie gut, dass ihre alte Schulfreundin in LA lebt. Allerdings wird das Touriprogramm für sie bald zu langweilig und sie schlägt den Weg in die Elendsviertel ein. Das ist gefährlicher als sie ahnt, denn schon bald landet sie in den Katakomben wird von einer mörderischen Gang verfolgt, begleitet von einem asiatischen Teenager, den sie nicht immer versteht. Was wollen die von ihnen, und wie kommen sie da nur wieder heil raus?

 

Neben dem Erzählstrang um die Kommissarin, die von ihrer Auszeit mental erschöpft ist, gibt es einen zweiten, ein ausführliches Interview mit einem Künstler, der einst als Aussteiger Deutschland verließ, nachdem er so ziemlich alles mitgenommen hat, was seine Zeit so bot: RAF, Flower Power und Selbstfindungstrips. Langsam aber sicher rücken die Erzählstränge zusammen und führen natürlich nach Eltville, auf eine unvorhersehbare Weise, mit Spannung und Schwarzpulver. Spannend erzählt von der melodiös erwachsenen Stimme von Jo Schüttwolf, der gut zu dem abgeklärten Aussteiger passt. Einige der angeschnittenen Themen finde ich aus einer sehr interessanten Perspektive erzählt.

 

Endstation Eltville, Kai Bliesener, Thriller 3: Andy, der sexsüchtige, dauerzugedröhnte Werbefutzi aus U-Turn (dort ist er allerdings eine Nebenfigur) erwacht nach seinem Absturz während eines schamanischen Rituals in einem andalusischen Krankenhaus. Die Ärztin, die sich um ihn kümmert fasziniert ihn, ehrlich, aber etwas nagt an ihm. Er erinnert sich, dass der Werbefilm, der auf seinem Drehbuch, seinem genialen Einfall, ganz in der Nähe gedreht wurde, eingeschlagen ist wie eine Bombe! Er wurde sogar prämiert, doch er mit keinem Wort erwähnt! Gegen jeden ärztlichen Rat, entlässt er sich selbst und fliegt zurück nach Düsseldorf, um die Agenturchefin zur Rede zu stellen, denn alle ignorieren seine Anrufe. Als er ihr schickes Haus erreicht, sieht er auch wieso. Es ist, als würde er aus einem Albtraum erwachen!

 

Mit dem selbstverliebten, sexsüchtigen Andy, der ständig zugedröhnt ist, hatte ich schon in U-Turn so meine liebe Not, denn ich finde ihn einfach nur unsympathisch. Punkt, keine Faszination, keine Interesse für eventuelle Tiefen, die ich ihm auch nicht zutraue. Die Erzählweise erinnert an ein Filmskript, das mehrere Genres vermischt, kurze Szeneneinstellungen die zwischen High Noon, Quentin Tarantino und David Lynch schwankt. Irgendwie kam es mir aber auch etwas wirr vor, eben so zugedröhnt wie Andy. Dass mir die Autorenstimme nicht so zusagte, weil sie mir zu flach, zu blechern klang, machte es nicht besser. Für mich ist es einfach die schwächste Geschichte zum Schluss, was ich etwas schade fand. Natürlich landet auch Andy in Eltville am Anleger 511, aber nach einem Überraschungseffekt zum Schluss, der mich leider nicht so ganz überraschte...

 

Ein reizvolles Experiment, das ich wirklich empfehlen kann, vor allem jenen, die mehr auf Tarantino und Lynch stehen als ich.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Jo Schuttwolf für mein Hörexemplar!

 

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