Nordstern (2) – Die Nacht der freien Pferde, Karin Müller, Schneider Buch
Nur noch dieser Schaftabtrieb und dann wollte Erla mit ihrer Stute Drifa und den Lämmern Boogie und Woogie zu ihrer Mutter und deren neuen Freund auf dessen Farm ziehen. Doch während des Abtriebs kommt es zu einem verfrühten Wintereinbruch und Erla und Drifa werden von einem Untier angefallen. Sie stürzen lebensgefährlich in eine Schlucht und werden so schwer verletzt, dass die Huldu Floki und Kadlin für sie Zeit und Raum beugen, um sie in Sicherheit zu bringen. Beide sind sehr schwer verletzt, doch Floki und Kadlin kümmern sich hingebungsvoll um sie. Dennoch kann Erla das unsichtbare Volk noch nicht als ihr neues zu Hause akzeptieren. Bei den Huldu vergeht die Zeit langsamer und ihr wird bewusst, dass sie sie Hochzeit ihrer Mutter und die Geburt ihres Geschwisterchens verpasst hat. Sie möchte noch zu einem Besuch zurück, stellt dann aber fest, dass sie nicht mehr in die Menschenwelt gehört und diese wohl auch keine Heilung für ihre Stute zu bieten hat. Drifas Zustand wird immer bedrohlicher und auch Erlas Rückenverletzungen heilen nur sehr langsam. Doch für ihre geliebte Stute sind ihr keine Schmerzen zu groß und keine Gefahr schreckt sie ab, denn das was sie unerwartet als einzige Rettungsmöglichkeit entdeckt, ist lebensgefährlich.
Zu Island gehören Fabelwesen, die Huldu, das geheime Volk, Trolle und unerklärliche Phänomene ebenso wie die raue, unbezähmbare Landschaft, Vulkane und Islandpferde. Die Insel umweht immer ein Hauch des Mystischen. Die Fortsetzung der Prequelreihe zu „Nordlicht“ ist gespickt mit allem, was Island ausmacht, plus einer wehmütigen Romanze und einer Familiengeschichte voller Missverständnisse. Erla sehnt sich nach ihrer Mutter und weiß doch gleichzeitig, dass diese für ihre übernatürliche Begabung kein Verständnis hat und sich sogar für diese schämt. Sie möchte sich unbedingt anpassen und dazu gehören. Nachdem sie ihrer Ansicht nach in Deutschland gescheitert ist, möchte sie in Island erfolgreich all das wiederaufbauen, was der Krieg ihr nahm. Erla, die alles andere als durchschnittlich ist und voll innerer Leidenschaft glüht, passt da nicht hinein. So trauert sie, um ihre verschwundene Tochter, in der Annahme, dass diese tödlich verunglückt ist. Dass das junge Mädchen von den Huldu gerettet und gepflegt wird, ist für sie unvorstellbar. Aber auch Erla ist getrieben, in ihrem Bestreben ihre kleine Stute gesund zu machen und stellt für dieses Ziel alles andere hinten an, sogar ihre Liebe zu Floki und die Sehnsucht nach ihrer Familie. Die unbekannte Welt der Huldu wirft für sie noch viele Fragen auf, doch sie spürt die unglaublichen Kräfte, die Floki und Kadlin in sich tragen. Auch sie scheint eine besondere Begabung zu haben und sucht in den ihr anvertrauten Runen nach Antworten. Erlas Verletzungen waren verheerend, doch für Drifa nimmt sie enorme Schmerzen auf sich, da sie spürt, dass die Zeit der kleinen Stute abläuft, wenn sie ihr nicht hilft. Doch sie ahnt auch, dass sich fremde, böse Kräfte zusammentun, ein vages Gefühl, dessen Herkunft sie nicht kennt, ihr aber Sorge bereitet.
Dieser zweite Band bereitet das große Finale vor, es ist geprägt davon die Welt der Huldu und ihre eigenen Gesetze gemeinsam mit Erla zu ergründen, diese Welt jenseits des für uns Sichtbaren und der Rationalität. Eine Welt die geprägt ist von nordischen Gottheiten und ihren Schicksalsfäden, aus denen man sich nicht befreien kann.
Island ist mehr als nur raue Schönheit, viel Schnee und wilde Pferde. Die Mystik und Magie gehören ebenso ganz untrennbar dazu. Wer einmal auf Island war, kennt sie, kleine Gaben und Steinhaufen, um die Huldu zu besänftigen, wenn die Menschen zu sehr in die Natur eingreifen. Auf dieses Unerklärliche muss man sich einlassen können, um diese Reihe für junge Pferdemädchen ab 12 Jahren richtig lieben zu können. Eine Reihe die von tiefem Verständnis für Islandpferde, die Wechselhaftigkeit der Natur und zarten, erwachenden Gefühlen geprägt ist. Island ist rau und daher geht die Natur nicht immer zimperlich mit seinen Bewohnern um. Das ist ein wichtiger Punkt, den man beim Alter der Leserinnen bedenken sollte. Die Geschichte ist magisch und spannend, voller Gefahren und Leidenschaft. Allerdings sind die Gefahren nicht einfach abstrakt, wie die schweren Rückenverletzungen zu Beginn zeigen, geht nicht immer alles gut aus. Es ist kein Märchen, bei dem gewiss ist, dass sie bis an ihr Lebensende glücklich sein werden, sondern die Lebensgeschichte einer Frau, der wir in „Nordlicht“ ebenso begegnen wie Jorunn, der begabten und gefürchteten weisen Frau und Heilerin im Volk der Huldu. Wir wissen also, dass Erla überleben wird, aber nicht alle, die sie liebt. Wie es mit ihr weitergeht, deutet sich bereits an, wir sind aber auf die Fortsetzung dieser bildreichen und emotionalen Geschichten gespannt.
Für Fans des Mystischen, der Islandmagie und windumtoster Freiheit auf dem Rücken eines Islandpferds ein Muss.
Vielen lieben Dank an Karin Müller für unser Rezensionsexemplar!
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