Freitag, 5. Februar 2021

Heimliche Fährten, der 6. Fall für Gamache, Louise Penny, gelesen von Hans-Werner Meyer, DAV, 2 MP 3, 16 h 69 min.

 

Heimliche Fährten, der 6. Fall für Gamache, Louise Penny, gelesen von Hans-Werner Meyer, DAV, 2 MP 3, 16 h 69 min.

 

Chief Inspector Gamache wird von der Vergangenheit eingeholt. Nach einem tragischen Polizeieinsatz sind er und seine rechte Hand Beauvoir beurlaubt. Der Körper heilt deutlich schneller als die Seele, doch ist er sich dessen bewusst, dass er ohne Hilfe es nicht schaffen wird. Also besuchen er, sein Schäferhund Mischling Henri und seine Frau Reine-Marie seinen alten Mentor Emile in Québec. Auch wenn die aufgeheizte Stimmung des Carnéval so gar nicht zu ihm passen will, tut ihm die andere Umgebung gut. Doch als er die Bibliothek der angelsächsischen Minderheit aufsuchen will, um seine Geschichtsstudien weiter zu betreiben, ist diese als Tatort abgesperrt. Ein fanatischer Separatist, wurde im Keller erschlagen aufgefunden und die aussterbende englisch-sprachige Gesellschaft rückt sofort in den Fokus der Verdächtigungen. Außerdem erhält er täglich seine Post nachgeschickt, darunter auch die täglichen Briefe von Gabri aus Three Pines, der von der Unschuld seines verurteilten Lebensgefährten Olivier überzeugt ist. Gamache bittet Jean-Guy Beauvoir in Three Pines als Erholungssuchender nachzuforschen, ob Olivier vielleicht doch unschuldig ist. Allerdings hat der modebewusste Beauvoir, die verschrobenen Dorfbewohner stets verachtet.

 

Uff, die Auflösung des 5. Falles hatte mir nie so recht behagt, denn mir spukte stets die gleiche Frage im Kopf herum wie Gabri. Da passte etwas einfach nicht so recht zusammen. Die Vorstellung allerdings, dass ausgerechnet der pingelige, arrogenate Beauvoir sich bei den kernigen, bodenständigen „Hinterwäldern“ einnisten soll, um den Dingen auf den Grund zu gehen, ist sehr witzig. Ja, die vermeintliche Lösung passt einfach nicht zum Charakter, doch Charakterstudie ist ja eigentlich das Spezialgebiet von Gamache. Der kann aber schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein. Ehrlich, ich mochte Jean-Guy Beauvoir nie so recht und ich verdächtige Hans-Werner Meyer, dass es ihm ebenso geht, so näselnd wie er ihn interpretiert. So kommt es natürlich zu amüsanten Begegnungen mit der liebenswert chaotischen Clara und der schroffen, scharfsinnigen Dichterin Ruth, die Beauvoir stets völlig verkennt. Die Interpretation von Ruth ist stets eines meiner Highlights, da er es schafft, ihre gleichzeitig absolut abweisende, vor den Kopf stoßende Widerspenstigkeit und misanthrope Warmherzigkeit, gepaart mit verborgenem Scharfsinn bei scheinbarer Alkoholvernebelung auf den Kopf zu treffen. Gerade die Widersprüchlichkeit ihres Charakters macht sie für ihre Freunde so unentbehrlich und für Gamache und die Zuhörer so faszinierend. So weiß ich es auch sehr zu schätzen, dass Hans-Werner Meyer als Interpret der Reihe treu bleibt, zu traurig wäre ich, wenn die liebgewonnen Personen plötzlich anders klingen würden. Jeder bekommt eine ihm eigens zugedachte Sprechweise und Stimme zugedacht, der er auch durchgängig treu bleibt.

 

Es ist wieder ein Krimi voller komplexer Charaktere, denn für Gamache liegt er Schlüssel zur Aufklärung eines jeden Verbrechens in der Persönlichkeit der Beteiligten verankert und nicht in den Indizien oder Beweisen. Man muss die Charaktere lesen, nicht die Spuren. Das ist seine Leidenschaft, neben Geschichte, Literatur und gutem Essen. Gamache ist ein Genießer und so ist dies ein klassischer Krimi, der sich die Zeit zur Entfaltung nimmt, statt hektisch aufs Tempo zu drücken und dabei die Zeit zum Mitdenken zu nehmen. Gamache hat Zeit, die braucht er auch, zum Heilen und zum Nachdenken. Diese ermittlerische Entschleunigung empfinde ich in Zeiten, in denen sich die Katastrophen zu überschlagen scheinen, als sehr angenehm. Dabei ist es nicht nur die Kultiviertheit des Ansatzes und der eingewebten Informationen, die ich genieße, sondern auch die der kleinen humorvollen Spitzen, die ich genieße. Ich musste tatsächlich ein paar mal Lachen, als ich mir Beauvoir, dick eingemummelt im Skidress inmitten unter den angeblich zurückgeblieben Hinterwäldern vorstellte.

 

Sehr gut gefällt mir, wie sich nach und nach, der fatale Polizeieinsatz in Gamaches Erinnerung entfaltet, der ihn und Beauvoir so stark im Innersten getroffen hat, dass sie nicht wieder diensttauglich sind und wohl einige besonders geschätzte Kollegen das Leben kostete.

 

Hier erfährt man übrigens einiges über die kanadische Geschichte, insbesondere über Québec Stadt und die separatistischen Strömungen im Land und auch die Verzweiflung der Canadian Natives in ihren Reservaten. Einige von Gamaches historischen Hypothesen finde ich sehr interessant, auch wenn sich wohl nie mehr ermitteln lässt, wie es wirklich war. Es war nicht unbedingt die Zeit, in der die großen Forscher, Entdecker und Kriegsherren ihren eigenen Podcast aufnahmen, bzw. ausführlich, erläuternd Tagebuch schrieben. Dafür genieße ich es umso mehr, hier in dieser Reihe immer wieder auf altbekannte Personen und ihre Schrullen zu treffen, die in jedem Band weitere Facetten hinzubekommen.

 

Dieses Mal wurde der Text nicht gekürzt, so dass auch sämtliche geistreichen Spitzen und Pointen erhalten bleiben. Dafür sind es diesmal zwei MP3 statt mehrerer CDs. Schade ist nur, dass das Packungsformat sich nun verändert hat, so dass die Sammlung im Regal nun extrem uneinheitlich aussieht, obwohl die Tonträger gleich groß sind.

 

Mehr als nur ein Krimi, beste kultivierte Unterhaltung mit Niveau.

 

Ich bedanke mich ganz herzlich beim DAV für mein Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.der-audio-verlag.de/hoerbuecher/heimliche-faehrten-der-sechste-fall-fuer-gamache-penny-louise-978-3-7424-1865-4/

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen