Die Wilden Schwäne, Hans Christian Andersen, Anton Lomaev, Wunderhaus Verlag
„Weit, weit von hier, dort, wo die Schwalben hinfliegen, wenn es Winter wird....“ so beginnt eines meiner liebsten Märchen von Hans Christian Andersen. Es erzählt die Geschichte von 11 Königssöhnen und ihrer deutlich jüngeren Schwester Elisa, die alle 12 von außerordentlicher äußeren Schönheit, auffallender Klugheit und absoluter innerer Reinheit sind. Doch ihre Mutter stirbt und der König heiratet wieder. Die Stiefmutter hasst sie und vertreibt erst die Söhne, die sie noch dazu verzaubert. Das Mädchen gibt sie auf einen einfachen Bauernhof in der Nähe. Elisa ahnt nicht, dass die neue Königin ihre Brüder verzaubert hat: mit Tagesanbruch verwandeln sie sich in Schwäne, wenn die Sonne untergeht, erhalten sie ihre Menschengestalt zurück. Befinden sie sich zu diesem Zeitpunkt in der Luft, stürzen sie ungebremst auf die Erde. Als der König nach Jahren seine Tochter wiedersehen will, ist die Stiefmutter erschüttert, wie schön sie geworden ist. Also macht sie sie hässlich, damit der Vater sie verstößt. Elisa flieht in den Wald und von dort ans Meer, wo sie auf ihre Brüder trifft und von deren Schicksal erfährt. Sie schwört sich, diese von dem bösen Zauber zu erlösen, doch die Prüfung ist hart.
Das Buch ist so liebevoll gestaltet, dass meine Jüngste (11), sich gleich das Buch schnappte und es las, statt zu essen bzw. Hausaufgaben zu machen. Die Illustrationen von Anton Lomaev sind künstlerisch sehr außergewöhnlich und mit hoher Strahlkraft, impressionistisch anmutend. Besonders die Gesichter der Königskinder strahlen nicht nur Schönheit, sondern auch Reinheit des Herzens und ein liebevolles Wesen aus. Neben den großflächigen farbigen Illustrationen, kann man bei näherem Hinsehen auch zarte graue, feinlinierte Zeichnungen entdecken, die den Text einrahmen und sehr ausdrucksstark sind. Die Übersetzung finde ich sprachlich wunderschön und poetisch. Schade finde ich nur, dass Andersen, als er beschrieb, wie die böse Stiefmutter Elisa verunstaltet, diese mit Nussschalen einreibt, damit ihre Haut ganz dunkel wird und die Blässe ihrer Adelshaut kaschiert wird. So kann Kindern leicht suggeriert werden, dass dunkele Haus nicht schön sei. Beim Vorlesen sollte man vielleicht variieren, dass sie ganz schmutzig aussieht. Dafür ziehe ich aber keinen Punkt ab, da es nun mal ein historischer Text ist und es bleibt jedem Vorleser überlassen, mit diesem entsprechend umzugehen. Es zeigt aber auch sehr gut, dass es auch damals tiefe gesellschaftliche Gräben gab und das ist vielleicht ein guter Ansatzpunkt, um darüber zu sprechen.
Auch das Ende bleibt das Originalende, dass nicht für Kinder modifiziert wurde. Ich hätte als Kind vor Wut über dessen Ungerechtigkeit und Endgültigkeit weinen können! Ausgerechnet der jüngste, liebevollste und rücksichtsvollste Bruder wird nicht vollständig erlöst, sondern behält für immer einen Flügel. Was soll er denn damit? Aber das Leben ist nicht fair, auch nicht in Andersens Märchen. Meine Tochter findet so einen Flügel allerdings eleganter als ich. Dieses Buch wird ab 4 Jahren empfohlen, das finde ich in dieser Urfassung, die wirklich wunderschön und sprachlich traumhaft ist, zumindest überdenkenswert. Meine Tochter liebt das Märchen dennoch, zeigt es doch die unverbrüchliche Liebe des reinen Herzens und der geschwisterlichen Loyalität, die über Ansehen und ernsthafte Gefahr siegt. Anders als ich, ist sie aber auch ein Fan von Andersen und skandinavischer Literatur.
Was mich wirklich von der Hochwertigkeit dieses Buches und der Liebe des Verlags für dieses Produktes überzeugt hat, ist dass kein Fehler im Buch ist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Verlage immer weniger Geld für Rechtschreib- und Grammatikkorrekturen ausgeben, aber hier ist das tadellos. Das ist gerade bei Bilder- und Märchenbüchern wichtig, da sie eben oft vorgelesen werden und wenn Fehler im Text sind, kommt der Vorleser ins Stolpern. Das merken aufmerksame Zuhörer sofort.
Hier wurde das traditionelle Märchen um Liebe, Treue und Loyalität unter Geschwistern sehr ausdrucksstark und gleichzeitig liebevoll umgesetzt.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim Wunderhaus Verlag für dieses zauberhafte Rezensionsexemplar.
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