Mittwoch, 9. Juni 2021

 

Ein Bild der Niedertracht – Karen Pirie (6) – Val McDermid, gelesen von Wolfgang Berger, Steinbach Sprechende Bücher, 2 MP 3 ungekürzte Lesung 818 Minuten

 

Langsam gewöhnt sich Karen an ein Leben ohne Phil, vergessen ist er nicht. Hummerfischer ziehen die Leiche eines Mannes aus dem Meer, nachdem seit Jahren wegen des rätselhaften Verschwindens seines Bruders, eines hochrangigen politischen Beamten gefahndet wird. Auch wenn dies ein aktueller Fall ist, landet er auf dem Schreibtisch der Cold Case Unit, da Karen und Jason erst vor zwei Jahren das spurlose Verschwinden des Beamten neu überprüften. Dabei hatten die zwei gerade erst den Fall einer Frau zum Ermitteln bekommen, die in einem Wohnmobil in der Garage ihrer kürzlich verstorbenen Schwester eine skelettierte Leiche fand. Wer ist die Frau und warum wurde sie solange in einer Garage versteckt, statt sie zu vergraben?

 

In diesem Fall geht auch um Homosexualität, was daran liegen dürfte, dass es die Autorin selbst betrifft. Nun habe ich in der letzten Zeit das Gefühl, dass so ungefähr 50 % aller Bücher die Diversität thematisiert wird, um den Zeitgeist zu treffen. Das ist hier nicht so. Es fühlt sich in diesem Fall nicht nur echt an, sondern hat auch tatsächlich einen zwingenden inneren Zusammenhang, während es im zweiten Fall, einfach nur ein Umstand ohne große Bedeutung ist, der aber eben zeigt, wie unterschiedlich man mit seiner Homosexualität umgehen kann. Gerade diese Umstände, in Verbindung mit dem Zeitelement und den schottischen Besonderheiten gefallen mir besonders gut. Denn Schottland ruft nicht nur nach Unabhängigkeit, das Strafrechtssystem ist ein anderes und auch die Politik ist nicht so konservativ, wie die in London. Das führt tatsächlich auch zu Eigenheiten im Lebensgefühl, man fühlt sich freier, kreativer, innovativer... ganz ähnlich den Bewohnern von Brighton der Hauptstadt der englischen Clubszene, Kunstszene, Drogenszene, Homosexualität.... ach ja, und Studentenstadt. Ein Ort der am Rande von Bedeutung ist, weil dort eine Kunstgalerie abbrannte. Allerdings ist Karen Pirie mit ihrem Assistenten nicht nur in Schottland unterwegs. Der Altfall führt sie nach Frankreich, allerdings nicht mit Assistent Jason, der zwar in seinen Fähigkeiten begrenzt ist, aber absolut loyal, engagiert und bereit und in der Lage, das Beste aus seinen Möglichkeiten herauszuholen. Da Französisch nicht dazu gehört, bekommt Karen dieses Mal Unterstützung von der jungen, eifrigen DS Daisy, die einen Studienabschluss in Französisch hat, für die allerdings einige Begriffe im Studium wohl auch nicht vorkamen. So stutzte ich über den „juge d'instruction“ den Untersuchungsrichter, der ja nicht so geläufig ist und sicherlich beim Hören für ??? im Ohr sorgen wird. Macht nichts, weiter hören, die Erklärung folgt, wenn auch nicht unmittelbar, aber noch vor dem europäischen Haftbefehl. Denn hier geht es um große Zusammenhänge, die Kunstwelt, Identitätsdiebstahl, Geldwäsche, Mord... kein Wunder, dass jemand, dem die akribische Karen Pierie auf den Fersen ist, versucht von der britischen Insel zu fliehen und auf dem Festland unterzutauchen. Sehr komplexe Zusammenhänge, intelligent arrangiert. Ihre Personen haben Ecken und Kanten, die sie mit ihren Grenzen und Stärken einfach menschlich machen, bis auf Karens gefürchtete Chefin aka der Hundekuchen. Eigentlich mag ich es nicht so, wenn Fälle weiblicher Ermittler von Männern gelesen werden. Doch Karen Pierie ist auch eine ungewöhnlich und recht herbe Person. Etwas spröde, hartnäckig, aber irgendwie auch gewinnend. Wolfgang Berger liest sympathisch und abwechslungsreich. Er betont gekonnt, aber natürlich, was ich bei einem Hörbuch dieser Länge sehr angenehm finde. Sehr angenehm empfinde ich nicht nur, dass er den Personen unaufdringliche Stimmcharaktere verleiht, er behält auch die Lautstärke bei, so dass sie gut ausbalanciert ist.

 

Dieser Fall wurde in der Pandemie geschrieben. Masken und Hygienemaßnahmen kommen nicht darin vor, da die Ermittlungen der Ausbreitung des Virus vorweg eilen. Doch ist die Arbeit ja noch nicht beendet, nur weil man den Schuldigen kennt, es folgen noch die Vorbereitung der Anklage und der Prozess. Hierfür müssen sich die Ermittler in den harten schottischen Lockdown begeben und sich gut überlegen, mit wem sie diesen verbringen möchten, oder ob sie nicht alleine sein wollen. Hier spürt man deutlich das Augenzwinkern der Autorin bei Jasons Wahl und man selbst kann sich noch einmal vor Augen führen, wie gut es uns in Deutschland gegangen ist, wo es lediglich nächtliche Ausgangsbeschränkungen gab.... Es ist der sechste Fall der Cold Case Unit, die man mit jedem Band besser kennenlernt. So knüpft dieser Band an den Vorgänger an, dürfte aber auch ohne Vorkenntnisse gut verständlich sein, da sie kurz zusammen gefasst werden. Hamish tritt selbstverständlicher in Karens Leben, die noch nicht so genau weiß, ob sie dazu schon bereit ist, gerade jetzt wo der Schuldige an Phils Tod nach nur 3 Jahren aus dem Gefängnis frei kommt. Es sind diese Kleinigkeiten, die diesen gekonnt geplotteten Krimi mit Leben erfüllen. Dabei wird Karen immer wieder von Zweifeln geplagt, doch ist sie bereit ihre eigene Position auch in Frage zu stellen. Da ziehe ich meinen Hut. Den deutschen Titel finde ich übrigens sehr gut gewählt...

 

Ein intelligenter, schlüssig sich entfaltender Krimi, der dieses Mal in ganz andere Bereiche Schottlands und des Verbrechens entführen, den ich wirklich gerne gehört habe und den ich gerne weiterempfehle.

 

Vielen lieben Dank an Steinbach Sprechende Bücher für mein Hörexemplar!

 

Hier findet Ihr eine Hörprobe:

https://www.sprechendebuecher.de/hoerbuecher/ein-bild-der-niedertracht-9783869745862/

 

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Dienstag, 8. Juni 2021

Sulwe, Lupita Nyongo, Illustration Vashti Harrison, Mentor Verlag

 

Sulwe, Lupita Nyongo, Illustration Vashti Harrison, Mentor Verlag

 

Sulwe ist ein kleines Mädchen mit mitternachtsfarbener Haut, das findet, dass sie ihrer Familie kein bisschen ähnlich sieht! Alle sind heller als sie: die Mutter hat die Farbe der Morgendämmerung, der Vater die der Abenddämmerung und Hawa ihre große Schwester erstrahlt wie das Mittagslicht! Ihre Helligkeit und Schönheit wird auch von den anderen Kindern in der Schule bewundert. Alle wollen mit ihre befreundet sein und mit ihr spielen, während Sulwe traurig und alleine in der Ecke steht und ausgelacht wird. Wie sehr wünscht auch sie sich Freundinnen. Sulwe fühlt sich völlig verzweifelt, weil sie an ihrer Hautfarbe ja nichts ändern kann. Ihre Mutter spürt ihre Verzweiflung und versichert ihr nicht nur, dass sie sie liebt, sondern auch, dass sie schön ist, wie sie ist. Doch Sulwes Herz kann diese Worte, die sie hört nicht glauben. Da erscheint nachts eine Sternschnuppe in ihrem Zimmer und nimmt sie mit auf eine Reise.

 

Dieses Buch ist unglaublich liebevoll aufgemacht. Mit seinem samtweichen, matten Einband und dem Poster zum Herausnehmen und über das Bett hängen, um täglich daran zu erinnern, dass es neben der Helligkeit auch die Dunkelheit, das silbrige Licht des Mondes bzw. jede Art von Kindern und Menschen braucht, um das Leben vollständig und schön zu machen! Außerdem gibt es als Bonus noch ein Malbuch zum Herunterladen im Internet. Die Illustrationen von Vashti Harrison sind wunderschön, voller Freundlichkeit und Wärme und Strahlkraft selbst im Schatten und der Dunkelheit. Denn nur das Licht setzt den Schatten richtig in Szene! Es ist unnötig zu ändern, was man nicht ändern kann, wichtig ist es zu erkennen, worin die Besonderheit dessen liegt, was so ist, wie es ist. Die Illustrationen sind warmherzig und voller Strahlkraft. Selbst im Dunkel der Nacht ist alles zu erkennen, ein silbernes Strahlen umgibt zum Teil die Konturen. Sulwe lernt die Liebe um sie herum zu spüren und ihre eigene Schönheit zu erkennen und lieben. Das lässt sie von innen heraus strahlen.

 

Die bildhafte Sprache ist für Kinder gut verständlich und emotionsgeladen. Die Sätze sind oft schön kurz und die Textmenge ist überschaubar, damit die Konzentration der jungen Zielgruppe ab 4 Jahren nicht überfordert wird. Dabei gelingt es der Autorin vorwurfsfrei eine positive Botschaft zu vermitteln, die nicht verdammt, sondern verborgene Stärken in den Mittelpunkt stellt. Tag und Nacht, Sonne und Mond, sind Kindern in aller Welt bekannt, so dass diese Geschichte universell ist.

 

Sehr schön finde ich, dass alle an diesem Buch Beteiligten dunkle Haut haben und erfolgreich sind! Diese starken Frauen sind Schauspielerin/Autorin, Illustratorin und die Übersetzerin ist sogar Professorin und empfohlen wird dieses Bilderbuch von der kenianischen Botschafterin in Deutschland! Mehr Frauenpower mit afrikanischen Wurzeln kann man sich kaum vorstellen! Wenn das nicht Mut macht und zeigt, dass Sulwe alles werden kann, wovon sie nur träumt?!

 

Eine herzerwärmende Geschichte über die Liebe zwischen Schwestern, darüber das Andersartigkeit gut ist und man lieben sollte, was einen ausmacht, statt es ändern zu wollen, obwohl dies unmöglich ist!

 

Vielen lieben Dank an den Mentor Verlag für mein wunderschönes Rezensionsexemplar.

 

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