Donnerstag, 23. Januar 2020

Interview mit Andrea Nagele



Liebe Andrea, vielen lieben Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst, mir ein paar neugierige Fragen zu beantworten.
 1. Maddalena Degrassi ist Genießerin und liebt gutes Essen und Wein. Was ist Dein Lieblingsgericht?
Ich koche und esse gern. Daher habe ich einige Lieblingsgerichte. Ich orientiere mich an der italienischen Küche, bin aber auch inspiriert von der asiatischen. Wenn ich etwas Indisches bestelle, ist es immer Palak Paneer- extra scharf.

2. Du bist Paartherapeutin. Viele der Personen in Deinen Romanen leben in disfunktionalen Beziehungen. Lässt Dich Deine Arbeit nicht bisweilen an der Liebe zweifeln?

An der Liebe zweifeln lässt mich meine Arbeit nicht. Denn wenn ich in der Ordination bin, arbeite ich mit unterschiedlichen Menschen deren Probleme auf. Wenn ich die Praxis verlasse, bin ich aber einfach nur privat. Und in meinem Leben gibt es zum Glück Liebe.

3. Magst Du Liebesromane? Je mehr Ehen ich scheide, desto schwerer tue ich mich mit Liebesromanen, mit reiferen Protagonisten ;)

Es kommt darauf an. Auch in Thrillern oder in Krimis, oder in historischen Romanen werden Liebesgeschichten erzählt. Und ja, mich faszinieren Liebesgeschichten, egal ob ich sie lese oder sie mir ansehe.

4. In Grado im Sturm verwendest Du persönliche Eindrücke, die Du während eines Tornados 2008 in Grado gesammelt hat. Gibt es auch ein derartiges Schlüsselerlebnis in dem bald erscheinenden Folgeband „Grado im Mondschein“?

Außer dass ich die Wasserschlösser in Strassoldo bezaubernd finde, und Grado plus Umgebung als meine zweite Heimat erlebe, zum Glück nicht. 

5. Es gibt den Ausdruck „die Stille vor dem Sturm“, den Du in „Grado im Sturm“ geradezu greifbar machst. Bleiben Dir manchmal Begriffe oder Bilder im Kopf und reifen in Dir zu einem Roman heran? Wenn ja, geistert Dir gerade etwas im Kopf herum?

Ich habe gerade das Lektorat zu meinem im Herbst bei Emons erscheinenden Top-Titel aus dem Vierten Stock beendet und werde jetzt am nächsten Grado Roman arbeiten. Also zuerst mal am Plot und dann beginnt die Recherche. Erst danach sitze ich vor meinem PC. Ideen dazu habe ich schon seit dem Fertigschreiben von ‚Grado im Mondschein‘.

6. Auf der Frankfurter Buchmesse 2019 hast Du erzählt, dass Du Dich gerne von realen Personen und Erlebnissen inspirieren lässt, was war Dein nachhaltigster Moment der letzten Buchmesse?

In Frankfurt war es sicher die familiäre Stimmung im Verlag und das gemeinsame Auftreten mit Bernhard Hofer und Michi Kastel. Auf der Buch Wien war es die gelungene Überraschung von Ulrike und Hejo Emons mir eine Signierstunde vorzubereiten. Wir drei hatten sehr viel Spaß. 

7. Welches Genre liest Du persönlich sehr gerne? 

Psychothriller aus GB, USA, Australien und Deutschland, aber auch zeitgenössische Literatur.

8.  lebst mal in Klagenfurt, mal in Grado, gibt es für Dich noch einen Ort, an dem Du Dir vorstellen könntest zu leben?

Ja, in St. Ives Cornwall. Dahin fahren wir oft und wandern auf den Hügeln und Klippen über dem Meer, oder beobachten die Ebbe und Flut im Hafen. Manchmal liegen die Boote lange Zeit auf Sand und wir können weit hinaus ins Meer spazieren.

9. Deine Bücher erscheinen auf Deutsch und Italienisch, schreibst Du in beiden Sprachen, oder werden sie übersetzt?
Mein Verlag in Rom hat professionelle Übersetzer, und ich habe das Glück eine dieser renommierten Übersetzerinnen zugeordnet bekommen zu haben. Präsentieren, in Italien, dh. auf dem Podium bei Lesungen Interviewfragen beantworten, oder im Radio oder FS mache ich immer selbst. Im Mai bin ich in Turin auf der Buchmesse Saline die libri mit ‚Grado nella nebbia‘ zur Erstpräsentation. 
Vielen Dank für Deine Geduld Dani!

Mittwoch, 22. Januar 2020

Grado im Sturm, ein Adria Krimi, Andrea Nagele, Emons Verlag



Grado im Sturm, ein Adria Krimi, Andrea Nagele, Emons Verlag

Es liegt eine unerträgliche Hitze über Grado. Es weht kein Lüftchen.Als dann doch ein Gewitter heran bricht, fällt der Strom aus. Der 14 jährige Emmanuele ist währenddessen gerade in einem kleinen Supermarkt und belauscht ein Gespräch, dass ihm trotz der Hitze das Blut in den Adern gefrieren lässt. Hat er da wirklich eine Morddrohung mitangehört? Eilig rennt er zur Polizei, um von dem Belauschten zu berichten, doch er wird als Dieb bezichtigt, seine Aussage und Daten nicht aufgenommen und er fortgeschickt. Am nächsten Mittag ist wird der Junge von seiner Mutter als vermisst gemeldet und die Dienststelle hat ein echtes Problem. Während Maddalena mit Nachdruck nach dem Vermissten sucht, versucht ein passionierter Meteorologe eine Sturmwarnung zu verbreiten. Doch sein Chef meint, er würde die Bevölkerung nur unnötig in Schrecken vor einem Jahrhundertsturm versetzen, der nur in seiner Fantasie aufzöge und nimmt die Warnung aus dem Netz. Eine deutsche Familie baut ihr Zelt nahe der Lagune auf. Eine Krankenschwester geht endlich ihrem persönlichen Albtraum nach und stellt sich der Vergangenheit, ohne zu ahnen, was sie damit lostritt. Der Wellnessurlaub von zwei alten Schulfreunden, läuft alles andere als entspannt...

Dies ist der 4. Band um die attraktive Commissaria Maddalena Delgrassi aus Grado, mit dem sehr eigenwilligen Chef, der mittlerweile mit ihrer Mutter verbandelt ist. Für mich war es der Einstieg, der problemlos gelang, auch wenn mir bei der Lektüre bewusst wurde, dass es einige Komplikationen aus ihrem Privatleben gibt, die ich nicht kenne, die soweit erforderlich angerissen werden, aber nicht so weit ausgeführt werden, dass man keine Lust mehr auf die Vorgängerbände bekommt.


Jedes Kapitel wird aus einer anderen Sicht geschildert, von Paaren oder Familien, die scheinbar nichts verbindet, außer, dass sie derzeit eine persönliche Krise durchleben. Man spürt dadurch wie sich der Sturm in ihrem Innern zusammenbraut, während sich das Wetter dem Siedepunkt nähert, von den meisten unbeachtet. Zu sehr sind sie in ihren eigenen Sorgen und Gedanken verhaftet. Das ist eine ungewöhnliche Erzählweise, auch weil sich der Mord erst anzukündigen scheint, aber keine Leiche auftaucht, deren Herkunft geklärt werden müsste. Ein Krimi ohne Tat, nur mit vibrierender Vorahnung in der Luft?

Mit dem Sturm scheint sich der Zorn Gottes zu entladen und es kommen ungeahnte Leichen ans Licht, während sich andererseits persönliche Krisen Bahn brechen. Ein Gewitter kann reinigend sein, dieser Tornado richtet Verwüstung an.

Am Ende fügt sich alles für den Leser zusammen. Die Ermittler haben einen Plan und eine Ahnung, die Feinheiten werden sich noch zusammenfügen, dessen ist man sich gewiss, das Wie wird der Vorstellungskraft des Lesers überlassen, weil dies eigentlich nur noch langweilige Routine ist. Das Spannende, die persönlichen Verwicklungen und Triebfedern sind offenbart. Das Unwetter bringt nicht nur alte Sünden zu Tage, sondern offenbart auch die Abgründe der menschlichen Seele, die nicht immer nur schlecht sind. So werden einige zu Helden, denen man es nie zugetraut hätte, während andere, sich zeitlebens nach dieser Nacht vor sich selbst fürchten werden, da sie wissen, wozu sie in der Lage sind.

Die Autorin hat nicht nur ihren Zweitwohnsitz in Grado und spricht fließend Italienisch, sie ist auch  Paartherapeutin und kennt sich daher mit disfunktionalen Beziehungen und menschlichen Miseren bestens aus.

Dieser Krimi bezieht seine Spannung aus der Atmosphäre des aufziehenden Unwetters, dass mit den persönlichen Krisen der zahlreichen Protagonisten korreliert. Ähnlich einer griechischen Tragödie spitzt es sich zu, doch endet es nicht für alle schlecht. Einige werden gelöst und erlöst aus diesem Sturm hervorgehen und andere werden innerlich zerstört sein.

Die Commissaria hat ihre eigenen Grenzen kennengelernt, ihre Prioritäten erfahren und wird nun auch mit den übrigen Unannehmlichkeiten des Lebens klar kommen. Diese vermögen ihr aber nicht den Genuss am Leben zu nehmen und daher gibt es zum Abschluss noch ein Rezept für mehr Adria Feeling: Spaghettoni aus Gragnano mit Lagunen-Sardinen und wildem Fenchel.

Ein psychisch sehr eindrucksvoller und außergewöhnlicher Krimi.

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Emons Verlag für mein Rezensionsexemplar.