Northanger Abbey, Jane Austen, gelesen von Fritzi Haberlandt,
Random House Audio, 6 CDs 6 h 29 min gekürzt
Catherine Morland ist jung und ziemlich durchschnittlich. Sie ist
als älteste Tochter eines kinderreichen Landpfarrers aufgewachsen, der weder
reich noch arm ist. In ihrer Gegend gibt es weder Landadel noch sonstige
Familien, mit denen sich ein gesellschaftlicher Umgang anbieten würde. Obwohl
sie mittlerweile im gesellschaftsfähigen Alter ist, würde ihr Leben unbedeutend
weiterlaufen, hätte sie nicht Mrs. Allen, die gutmütige und oberflächliche
Gattin des größten Landbesitzers ihrer Heimatgemeinde, ausersehen, sie nach
Bath zu begleiten. Catherine, die als Wildfang aufwuchs, ist mit den Gebräuchen
der besseren Gesellschaft nicht sonderlich vertraut und leicht zu beeindrucken.
Das zeigt sich auch in ihrer Vorliebe für die 1794 so modernen und beliebten
Schauerromane. In jeder freien Minute verschlingt sie Udolpho, statt sich mit
schicklichen oder lehrreichen Betrachtungen oder Lyrik zu beschäftigen. In Bath
kennt ihre Gönnerin anscheinend niemanden und so ist Catherine hocherfreut, als
der ebenfalls durchschnittlich ausschauende, aber sehr wohlerzogene Mr. Henry
Tilney sie zum Tanz auffordert. Fortan romantisiert sie von ihm, doch er
scheint Bath verlassen zu haben. Dafür trifft Mrs. Allen eine liebe
Schulfreundin wieder, deren älteste Tochter Isabella, unverzüglich die junge
Pfarrerstochter zu ihrer Busenfreundin ernennt. Wohl ahnt sie schon, daß deren
Bruder und der ihrige enge Studienfreunde sind.
Dieser Gesellschaftsroman nimmt wie kaum ein anderer von Jane
Austens Werken, die Gesellschaft, die Rolle junger Mädchen und den damaligen
literarischen Geschmack aufs Korn. Diese Heldin hat eine überschäumende
Fantasie und leider ist sie allzu leicht zu beeindruckend. Sie traut ihren
Mitmenschen fast nur das Beste zu, auch wenn ihr Verhalten eigentlich das
Gegenteil erkennen lässt. In ihrer Unbekümmertheit und Neugierde, war vor über
zwanzig Jahren, dies mein Lieblingsroman, einer meiner Lieblingsautorinnen.
Doch inzwischen, hat sich mein Geschmack etwas gewandelt. Jane Austens spitze
Feder, die sich selbst den Erwartungen an die Rolle von Frauen in ihrer Zeit
widersetzte, vermag mich noch immer zu amüsieren. Das große Unrecht, daß der
armen Catherine jedoch widerfährt, die anscheinend kaum einer um ihrer selbst
willen schätzt (ja, sie hat weder den Esprit von Emma, noch den scharfen
Verstand von Eliza Bennett oder das milde Gemüt und treffsichere
Urteilsvermögen einer Anne Elliot) stimmt mich etwas traurig. Auch wenn Mr.
Henry Tilney und seine Schwester Eleanor sich über diese Schmähung empört
zeigen, da sie nicht in Catherine Verhalten oder Wesen begründet sind, sondern
einfach auf falschen Erwartungen fußen. Natürlich wandelt sich letztendlich
alles zum Guten und die Heldin vertraut den wahren, statt den allzu
überschwänglichen und doch wankelmütigen Freunden. Catherine hat ein gutes
Herz, aber noch nicht wirklich gelernt, diesem recht zu vertrauen. Das macht
sie aber irgendwie umso liebenswürdiger.
Fritzi Haberlandt, die selbst ebenfalls keine klassische
Schönheit, aber alles andere als Durchschnitt ist, lässt mit ihrer ironisch,
freundlichen Lesung Catherine vor dem geistigen Auge des Zuhörers erwachsen.
Etwas sperrig, sehr naiv, aber stets bemüht und freundlich, führt Fritzi
Haberlandt beschwingt durch das gesellschaftliche Bath und seine Sitten und
Gebräuche, um dann in das schaurig schöne und doch eigentlich ziemlich
durchschnittliche Northanger Abbey zu entführen. Sie kitzelt mit ihrer Stimme
aus diesem Klassiker Catherines Jugendlichkeit und Jane Austens Schmunzeleien
über verbreitete Ansichten und Verhaltensweisen ihrer Zeit und ihres Standes
hervor und verknüpft sie zu einem vergnüglich-geistreichen Hörerlebnis. Auch
wenn es eine eigentlich konventionelle Aschenputtelgeschichte auf den ersten
Blick zu sein scheint, macht es die Sprachgewandtheit von Jane Austen und der
humorvoll, frische Schwung von Fritzi Haberlandt zu einer zeitlosen und doch
kritischen Romanze mit Niveau.
Der Roman wurde sehr feinfühlig gekürzt und auch wenn dieses
Hörbuch nur halb so lang dauert, wie die übrigen in ungekürzter Form:
Northanger Abbey ist auch als Buch deutlich kürzer als ihre übrigen Werke...
Der Geist und der Feinsinn, sowie die sprachliche Eleganz blieben erhalten,
auch wenn mich gerade zu Beginn die Übersetzung bisweilen ein wenig die Stirn
runzeln ließ. Einige Begrifflichkeiten wirkten auf mich angestaubter als die
über 200 Jahre alte Vorlage. Schade, denn im Übrigen lässt diese Umsetzung
nichts zu wünschen übrig. Aber, es ist die einzige Übersetzung des Werkes, die
ich kenne, da ich die Buchvorlage mehrmals im Original gelesen habe.
Dennoch
ist es ein äußerst empfehlenswertes Hörbuch und auch zum Einstieg in die Welt
des Landadels von Jane Austen geeignet.