Sonntag, 24. November 2019

Tief eingeschneit, der zweite Fall für Gamache, Louise Penny, gelesen von Hans-Werner Meyer, gekürzte Lesung, 7 CDs, 9 h 40 min.



Tief eingeschneit, der zweite Fall für Gamache, Louise Penny, gelesen von Hans-Werner Meyer, gekürzte Lesung, 7 CDs, 9 h 40 min.

Weihnachten naht, in Three Pines, ebenso wie in Montreal, Québec. Rund ein Jahr ist es her, seit die Unternehmerin Ceci den Poitiers in das alte Headley Haus auf dem Hügel zog, in dem sich damals so schreckliche Szenen abgespielt hatte. In all der Zeit hat die neue Bewohnerin keinen Weg in die Herzen ihrer warmherzigen, offenen, neuen Nachbarn gefunden. Sie wirkt kalt und abweisend. Ruth Sardo, die Dichterfürstin des Dorfes hat eine Lesung in der Provinzhauptstadt und all ihre Freunde fahren natürlich hin. Dabei ahnen sie nichts davon, dass sich fast vor ihren Augen ein tragischer Mord an einer Obdachlosen abspielt. Ein Fall, der sofort zu den Akten gelegt würde, wäre diese nicht zufällig Gamache in die Hände gefallen, der der Verstorbenen zumindest ihre Würde in Form ihres Namens zurückgeben möchte. Doch viel Zeit bleibt ihm hierfür nicht, denn er wird wieder nach Three Pines gerufen, als dort auch ein unnatürlicher Todesfall für Entsetzen sorgt. Ceci de Poitiers erliegt beim traditionellen Weihnachtscurling Turnier einem Stromschlag. Dank ihres abstoßenden Charakters vermag niemand zu trauern, doch wer hatte ein Motiv und die Gelegenheit?


Offiziell ist dies der zweite Fall für Gamache, aber das ist natürlich bei so einem erfahrenen Ermittler Unsinn! Es ist schlicht und ergreifend der zweite Fall, der ihn und sein Team in das ebenso beschauliche wie außergewöhnliche Three Pines verschlägt. Denn mindestens ebenso wie der Polizei-Chef der Sureté ist die recht eigenwillige Dorfgemeinschaft Hauptperson dieser Reihe. Die Charaktere sind liebenswert verschroben, ohne dabei wie Abziehbilder oder lächerlich zu wirken. Louise Penny schafft es, jedem ihrer Dorfbewohner ein Herz und unantastbare Würde zu schenken, selbst der toten Obdachlosen, wenn auch nicht der gierigen, selbstverliebten Ceci. Da es ein Charakterkrimi ist, entwickelt er sich behutsam und gründlich. Jedes Detail zählt, es geht nicht um Tempo, sondern um Persönlichkeit, die Spannung erzeugt. Auch wenn auf Klamauk durch Skurrilität verzichtet wird, ist diese Reihe nicht ohne Humor. Es sind die kleinen, feinen bissigen Pointen, die mich bisweilen zum Lachen brachten. Es sind die Schicksale, in ihren Feinheiten und ihrer Ausarbeitung, die mein Herz berührten. Ein klassischer Krimi, in einem Dorf, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, ebenso zeitlos ist auch dieser Fall mit seinen Figuren. Klar, in dieser Gegend gibt auch das Klima das Tempo vor. Bei für uns unvorstellbaren – 30 Grad Celsius verlangsamt sich das Leben automatisch. Doch auch die idyllisch scheinenden weißen Schneemassen, können nicht über die Grausamkeit der gewaltsamen Morde hinwegtäuschen, so grausam, wie auch diese weiße Pracht sein kann. Dennoch gehören Wind und Wetter in die abgelegenen Wälder von Québec und verleihen der Reihe weiteren unnachahmlichen Charme. Man muss gut und sehr genau hinhören, um die Hinweise nicht zu verpassen. Ich hatte so meine Vermutungen, aber irgendwie sprach immer etwas gegen meine Theorie... so dass ich bis zum Ende mitgerätselt habe, gemeinsam mit den vergnüglichen Dorfbewohnern, die wieder ihren Teil zur Aufklärung beitragen, dank ihrer Beobachtungsgabe und ein paar zufälligen Begebenheiten und seltsamen Angewohnheiten.

Diese winterlich-eisige Folge wird wieder von Hans-Werner Meyer (dem Chefermittler der ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“) gelesen. Seine Stimme passt sehr gut zu Armand Gamache, der in seinem Alter ist, besonnen und empathisch. Seiner wohlklingenden, ausdrucksstarken Stimme höre ich gerne zu. Lebendig spricht er die Charaktere, die er ausarbeitet, was ihm wirklich gut gelingt, bis auf Claras Ehemann Peter, der zum Glück keine besonders große Rolle spielt. Die schroff-schräge Dichterfürstin Ruth Sardo trifft er meines Erachtens aber auf den Punkt!
Auch sehr gefällt mir, dass ein Film-Klassiker auf VHS-Kassette eine Rolle spielt und klar wird, manchmal kann alte Technik sehr verräterisch sein.

Winterlich, nostalgisch, eigenwillig und manchmal gleichzeitig bissig-böse und liebevoll zugleich. Ich liebe diese Mixtur einfach und könnte auch noch länger zuhören. So hoffe ich einfach auf die Vertonung von Fall 3 ;)

Vielen lieben Dank an den DAV für dieses Hörexemplar einer meiner Lieblingskrimireihen aus Kanada.

Hier könnt Ihr schon mal hineinhören:

Samstag, 23. November 2019

Liliane Susewind (13) – Ein Seehund taucht ab, Tanya Stewner, Illu. Eva Schöffmann-Davidson, KJB



Liliane Susewind (13) – Ein Seehund taucht ab, Tanya Stewner, Illu. Eva Schöffmann-Davidson, KJB

Dies ist der 13. Liliane Susewind Band und wir kennen und lieben sie alle! Familie Susewind fährt klimaneutral an die Nordsee, mit der Bahn, mit Oma, Hund Bonsai, Lillis bestem Freund Jesahja und dessen Katze Frau von Schmidt. Die Pension hat Oma ausgesucht. Sie gefiel ihr direkt auf Anhieb, da der Besitzer Orlando solch ein schillernder Paradiesvogel ist und somit alles andere als langweilig. Leider sehen das die restlichen Bewohner des Küstenortes nicht ganz so positiv, sondern empfinden ihn als eine Schande für den Ort. Aber das ist nicht alles, wobei die Einheimischen ganz klare Vorstellungen haben, die Lilli so nicht nachvollziehen kann. Als sie mit Jesahja zum Strand gehen will, lernen sie nicht nur einen hinreißenden, etwas zerzausten Austernfischer (Vogel) kennen, der sich auf Anhieb unsterblich in Lilli verliebt, sie biegen auch falsch ab. Was sie dort erwartet erschreckt die Tierfreunde sehr. Das Seehundschutzgebiet ist total vermüllt, voller Touristen und ein Junge hat sogar seinen Ghettoblaster voll aufgedreht! Das tut Lilli in der Seele weh, vor allem, als sie eine Robbenmutter findet, die verzweifelt nach ihrem Jungen sucht.

Diesmal hat es Lilli mit einem ganzen Berg voll Problemen zu tun! Pensionswirt Orlando wird aufgrund seiner schillernden Art und seiner Vorliebe für Glitzerkleidung, Make-up und eine exzentrische Frisur, offen angefeindet. Aber auch sein junger Koch Sven hat das Missfallen der Dorfbewohner auf sich gezogen, weil er nicht, wie in seiner Familie üblich, als Fischer zur See fährt. Dabei ist das ja absoluter Unsinn, nicht nur weil er so toll kochen kann, sondern auch, weil die Nordsee dermaßen überfischt ist, dass sowohl die Existenz der Fischer, als auch der Robben bedroht ist. In diesem Ort scheint die Zeit still zu stehen, aber Lilli und Jesahja wollen unbedingt, den Lebensraum der Robben erhalten. Hier stoßen zwei völlig unterschiedliche Denkmodelle aufeinander und es ist fraglich, ob sie einen Konsens finden können. Sehr gut finde ich, dass daher das  Problem der Vermüllung in den Hintergrund tritt, so dass Kinder nicht von der Vielzahl der Probleme erschlagen werden. Sie werden einfach an das altbekannte Problem erinnert. Das reicht und ist gut so, finden wir. Dafür stehen natürlich wieder die tierischen Freunde von Lilli im Mittelpunkt. Auch diesmal ist es weniger der titelgebende Seehund der Liebling der Leser, sondern der schwer verliebte Lotterich, der stets im Müll nach dem absolut besten Geschenk für seine Lilli sucht. Es ist zum Teil zum Brüllen, was er alles für seine Angebetete anschleppt und ihr vor die Füße fallen lässt. Es macht aber auch auf traurige Weise offensichtlich, was die Leute alles so einfach in die Natur werfen. Neben dem Umweltschutz geht es vor allem um das Thema Toleranz. Dass ein Leben miteinander deutliche Vorteile gegenüber einem Leben gegeneinander hat. Das Leben muss bisweilen an neue Gegebenheiten angepasst werden, denn Stillstand bedeutet keinen Schutz, sondern bisweilen die größte Gefahr. 
 
Pensionswirt Orlando ist nach dem Helden von Virginia Woolf benannt, einem Wesen das zwischen Raum, Zeit und Geschlecht wandert. Auch bei Orlando ist es nicht unbedingt offensichtlich, was er nun ist, aber man muss ja nicht in eine Schublade passen, um ein gutes Herz zu haben und interessant zu sein. So kann er selbst in Glitzerkleidung besser anpacken, als so mancher kernig wirkende Seemann, der sich für voll den Kerl hält. Es ermutigt Kinder, Menschen so zu nehmen wie sie sind. Angeblich ist Orlando Transgender, aber auch das ist mir eine Schublade zu viel für ihn. Er ist halt einfach er selbst und ermutigt auch Lilli und die Leser zu dem zu stehen, was man ist. Es ist leichter mit den Anfeindungen zu leben, als sich ständig zu verstellen. Frei von fixen Ideen und offen für neue Einfälle findet sich auch am Ende eine gute Lösung für die Probleme aller Dorfbewohner, sofern alle mithelfen und dazu sind dann auch wirklich alle bereit.

Lilli kann mit Tieren sprechen und ihr Lachen bringt Blumen zum Blühen und Pflanzen zum wachsen. Sie ist einfach magisch. Klar, dass die Geschichten nicht unbedingt realistisch sind. Aber muss das denn sein? Sie sind spannend, witzig und fantastisch. Über das Geplänkel der Tiere können sich meine Töchter kaputt lachen und bei ihren Rettungsaktionen, bringt sich Lilli immer wieder selbst in Gefahr. Aber diese Gefahr ist offensichtlich, ebenso wie es offensichtlich ist, dass die Rettung, die Lilli zu teil wird, für normale Kinder nicht zu erwarten ist. Was aber bei Kinder ankommt ist, dass man nicht aufgeben darf, an seine Ziele glauben muss und für sie eintreten darf. Dabei greift sie bei allzu großer Ignoranz auch schon mal zu zivilem Ungehorsam, aber nur in großer Not, wenn andere Wege um Leben und Glück eines Tieres zu retten nicht greifen. So, kann ich damit leben, da sie auch niemandem schadet.

Die großen Illustrationen  und Vignetten von Eva Schöffmann-Davidov sind wieder hinreißend. Wir betrachten sie alle drei unglaublich gerne. Sie strahlen so viel Freundlichkeit und Harmonie aus, selbst, wenn Lilli angefeindet wird. Das stärkt die Gewissheit, dass am Ende alles gut wird und das wird es ja.

Diese Reihe richtet sich an Leser ab 8 Jahren und zeichnet sich durch ein unglaublich schönes, klares Schriftbild mit augenfreundlichem Zeilenabstand aus. Das hilft Kindern ungemein beim Lesen lieben lernen.

Auch nach 13 Bänden, lieben meine Töchter noch Lillis Welt, in der Umwelt- und Naturschutz zählt und jeder so sein darf, wie er möchte, solange er anderen nicht schadet.

Wir bedanken uns ganz herzlich, bei Tanya Stewner, ihrer Assistentin Jana und dem Fischer Verlag, für die lebendige Leserunde auf Lovely Books.