Wenzel und die wilden Räuber, Cornelia Franz, Illustrationen Sabine
Wilharm, dtv junior
Die Waisenjungen Wenzel und Ulle leben mehr recht als schlecht im Kloster
und müssen hart arbeiten, während die Oberen es sich gut gehen lassen. Eines
nachts reicht es ihm und er reißt aus! Allerdings hat er ein schlechtes
Gewissen, den zarten, zaghaften Ulle alleine zurückzulassen. Doch diese Sorge
ist unbegründet, Ulle folgt ihm schon kurz darauf und will bei ihm bleiben. Sie
wollen fortan als Räuber leben! Als sie ein Mädchen vor dem Ertrinken im Fluss
retten, wächst ihre Räuberbande weiter an, denn schon bald gesellt sich auch
noch ihr Bruder Jakob mit Pony dazu. Mit Bandenspruch begeben sie sich auf ihren
ersten Raubzug und erbeuten nicht nur Geld, sondern auch eine Prinzessin als
Bandenverstärkung. Diese denkt nämlich nicht daran, den ihr zugedachten alten
reichen einfältigen Egbart zu heiraten! Dann doch lieber Räuberabenteuer
erleben. Als die Kinder merken, wie schlecht es den Bauern in den Dörfern um
ihre Räuberhöhle herum geht, beschließen sie mit ihnen zu teilen, von den
bösen, gierigen Mächtigen zu nehmen, nur so viel zu behalten, wie sie brauchen
und den Rest an Bedürftige zu geben. Dabei hoffen sie immer, Annes und Jakobs
Vater zu finden, der von dem bösen Graf Fuchs von Kaltenbach überfallen wurde.
Ein gefährlicher Gegner, vor dem man auf der Hut sein muss.
Eine schöne Geschichte für Kinder von 7-9 Jahren zum Vorlesen und für sehr
geübte auch schon zum Selbstlesen. Die farbigen Illustrationen von Sabine
Wilharm (der Schöpferin der Harry Potter Cover der deutschen Standard-Ausgabe)
sind fröhlich, sehr schön und vor allem sehr zahlreich. Leider sind sie
bisweilen früher abgedruckt, als der Teil der Geschichte, zu dem sie gehören,
der erst auf der darauffolgenden Seite kommt. Das hat uns etwas verwundert.
Die Idee mit den Überfällen hat mir nicht so gefallen, ich hätte den
Kindern ja gerne ein „Überleben im Wald-Buch“ geschenkt. Doch sind sie gutherzig
und machen sich Sorgen um andere. Sie behalten nur was sie brauchen und
verschenken ihre übrige Beute an Bedürftige. Dadurch werden aber auch ständig,
neue waghalsige Überfälle nötig. Als Kind fand ich den Robin Hood Gedanken
super und sehr gerecht. Meine Tochter (10) hatte damit auch keinerlei
moralische Probleme. Die einen sind in Not, die anderen haben sich gierig mehr
genommen, als ihnen zusteht, da wird ihnen wieder etwas abgenommen.... Sehr gut
finde ich, dass die Kinder mit List und Tücke vorgehen, statt mit Gewalt. Das
ist sehr witzig, besonders, wenn sie den einfältigen Verlobten von Prinzessin
Elsbeth immer und immer wieder überfallen und ihn immer noch schaffen
auszutricksen. Dabei sind die Kinder sehr vorsichtig und gegen wohl überlegt vor.
Das wird sehr schön und anschaulich geschildert. Für Kinder sehr gut
verständlich und nachvollziehbar. Jedes Bandenmitglied hat seine Stärken, die
zusammen sie fast unbesiegbar machen. Jeder wird auf seine Weise geschätzt.
Natürlich findet die Geschichte ein gerechtes und gut durchdachtes Happy End!
Doch der letzte Satz, als es allen gut geht und sie glücklich und zufrieden
sind, der mag spaßig gemeint sein, ist für mich aber ungerecht. Hätte ich
besser aufgepasst, hätte ich ihn nicht vorgelesen.
Meiner Tochter hat es als spannendes und lustiges Abenteuer gut gefallen.
Dass es so zahlreich und farbenfroh illustriert ist, ist sicherlich auch ein
Pluspunkt. Mir gefiel wie die extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich
damals dargestellt werden. Der Wert eines Laib Brotes, dessen Diebstahl mehr
als nur Mundraub ist, sondern Familien aus Hunger ins Unglück stürzen kann,
wird ganz deutlich. Aber keine Sorge, das ist ein Thema am Rande, denn es ist
eine starke Freundschaftsgeschichte, über Zusammenhalt, Gerechtigkeit und
Familie. Manchmal ist Familie nämlich auch die, die man sich dazu erwählt hat
und einige leben am Besten mit der Natur, als unter Menschen. Außerdem ist es
eine Liebeserklärung ans Lesen und Schreiben, einer Fähigkeit, die damals den
Mönchen und einigen Adeligen vorbehalten war, den Geist aber öffnet und
bereichert.
Ein schönes Buch, daß wir gerne gelesen haben.
Wir bedanken uns ganz herzlich beim dtv für unser Rezensionsexemplar.