Wanda, Annika Scheffel, Thienemann Verlag
Wanda ist ein Heimkind und weiß nichts über ihre Herkunft. Sie fühlt sich verloren und abgelehnt, als mal wieder ein neues Pflegeelternpaar, sie nach wenigen Tagen „umtauscht“. Zu allem Übel bekommt ihre große Stütze und Heimschwester Toni eine Chance auf eine Pflegefamilie und Wanda bleibt alleine zurück. Sie hält es nicht aus und läuft weg, ziemlich unüberlegt, gerade jetzt wo die ganze Stadt Kopf steht, weil eine Bärin ausgebrochen ist. Doch zu ihrem eigenen Erstaunen, findet sie Schutz im „Raum der Stille“ über dem Brandenburger Tor, der eigentlich wegen Sanierungsarbeiten abgesperrt ist. Irgendjemand scheint es gut mit ihr zu meinen und stellt ihr täglich neue Köstlichkeiten in den Eingangsbereich, denn an Verpflegung und Geld hatte sie nicht gedacht. Dafür findet sie schnell einen bunt zusammen gewürfelten Freundeskreis, Sami, mit dem sie Pferde stehlen könnte, die schüchterne und unauffällige Peri, die endlich wahr genommen werden will, die alte Dora mit ihren schrillen Hüten, die es im Heim nicht aushält, den Portier Jo, der sie stets im Blick behält, Fahrerin Janine, die stets zur rechten Zeit am rechten Ort ist und den kleinen Fuchs Juli, der ebenso verloren scheint wie Wanda selbst. Als für Hinweise, die zur Ergreifung der entlaufenen Bärin die Gewährung eines Wunsches versprochen wird, werden sie zum stärksten Team der Stadt, denn einige Wünsche müssen einfach wahr werden!
Annika Scheffel erzählt hier Wandas ganz privates Schicksal wie es letztlich aus dem Verborgenen heraustritt und eine Welle in Gang setzt. Sie verwendet hierzu meistens kurze Sätze, die wie Beobachtungen durch die Linse einer Kamera wirken. Sie erzählt im Präsens aus der Sicht der allwissenden Erzählerin, die mehr eine Beobachtende ist, der aber auch noch nicht so klar ist, was das Schicksal für Wanda bereit hält. Die recht übersichtlichen Kapitel fand ich sehr angenehm, als Gute-Nacht-Geschichte für mich.
Das Ende ist etwas offen, wahrscheinlich um der persönlichen Fantasie freien Raum zu lassen. Einerseits ist das schön, andererseits hätte ich doch noch so viele Fragen, gerade auch hinsichtlich Dora. Das bleibt mir ein wenig sehr offen, ihre Geschichte und ihr Schicksal, ebenso wie das des kleinen Fuchses Juli und auch von Toni. Das finde ich noch etwas unausgegoren. Dass das Leben der jungen Ausreißerin Wanda so relativ problemlos läuft, bereitet mir ein wenig Bauchschmerzen. Klar ist dies ein Kinderbuch, aber für meinen Geschmack glorifiziert es das Weglaufen zu sehr und warnt nicht ausreichend vor den Gefahren auf der Straße. Aber das ist auch nicht das Hauptaugenmerk der Autorin, denn das erläutert sie in ihrem persönlichen Nachwort, gemeinsam mit ihren geografischen/städtebaulichen Vorbildern: sie möchte Kinder dazu motivieren etwas zu wagen. Auch Kinder können etwas bewegen, vor allem gemeinsam. Niemand ist zu klein, zu jung, zu unwichtig, als dass er nicht versuchen könnte, gegen Ungerechtigkeiten vor zu gehen. Wanda musste in ihrem jungen Leben schon so einige Ungerechtigkeiten erleben und dass die Probepflegeeltern, bei denen Wanda sich so angestrengt hat, sie nicht behalten wollten, hat mir wirklich weg getan. All unsere Handlungen haben Konsequenzen, einige mehr, andere weniger. Daher ist es wirklich wichtig, genau zu überlegen warum man etwas tut und ob man nicht jemanden zu unrecht verletzen könnte...Außerdem ist es auch ein Kampf von David gegen Goliath. Es lohnt sich nicht aufzugeben, auch wenn die Situation ausweglos erscheint, ob ist es nur eine Frage des Know How, ob etwas klappt.
Für mich hatte das Buch zwischendrin einige Längen, bei denen ich mich fragte, wohin die Geschichte eigentlich will. Doch die letzte Botschaft an die jungen Leser hat mich wieder richtig versöhnt und mir sehr gut gefallen, trotz einiger kleinerer Schwächen. Es ist ein sehr ungewöhnliches Kinderbuch.
Ich bedanke mich ganz herzlich beim Thienemann Verlag für meine Bloggerbox.
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