Sonntag, 17. Februar 2019

Dönerröschen, Jaromir Konecny, digital publishers



Dönerröschen, Jaromir Konecny, digital publishers

Der 16 jährige Jonas zieht wegen des neuen Nachtwächterjobs seines Vaters Dok, mit ihm, Mutter Anne und dem schokosüchtigen Schoßhund Napoleon von Haching ins „Ghetto“ nach Neuperlach. Doch sind die Wohnungen günstig. Jonas hat Schulferien und als er am Bolzplatz ein Fußballspiel beobachtet, hat er den Eindruck, in einer anderen Welt gelandet zu sein, die allerdings auch tief in den Abgründen seines Gedächtnisses etwas zu erwecken scheint, irgendeine unbestimmte Erinnerung, die dort seit Jahren vergraben ist. Bis ihm einfällt was es ist, freundet er sich mit Schnauze, dem einzigen anderen Blonden dort an. Ein blonder Türke? Kann das sein? Nein, Schnauze hat sich nur so assimiliert, daß er schon selbst in den Neuperlacher Türkenslang verfallen ist. Vor lauter Staunen über die neue Welt in welcher er gelandet ist, tritt Jonas von einem Fettnapf in den nächsten und wird dabei ausgerechnet von einer hübschen Türkin ausgelacht. Diese tut fast so, als müsse er sie kennen, aber er hat keinen blassen Schimmer – findet sich aber gegen seinen Willen immer anziehender! Als ihn ein anderer Fußballkumpel nach Hause, auf die besten Burger der Stadt einlädt, brechen seine Vorurteile zusammen und der Clash der Kulturen spielt zum Liebesreigen!

Nein, nicht alle Männer sind Schweine! Ich kann ja diese Bad Boy turns Mr. Right-Bücher nicht leiden, aber zum Glück kann ich mich da bei Jaromir Konecny verlassen, daß er mir so einen Quatsch nicht präsentiert. Seine Helden sind ganz normale Jungs. Mit Hirn, Hang zum Fettnapf und ganz viel Herz. Liebe Mädchen lest mehr solche Bücher und merkt, nette, witzige Jungs sind der Hit und nicht irgendwelche verwegenen, ach so geheimnisvollen Brutalos, die sich nur für Dich in Schmusebären verwandeln. Quatsch, man ist, wer man ist, und das bei anderen zu entdecken ist spannend! Jonas taucht in einen für ihn völlig fremden Kosmos ein, obwohl, da war doch mal was, warum kann er sich nicht erinnern? Die gesammelten Peinlichkeiten seines Vaters würde aber sehr gerne vergessen, doch auch hier gilt. Ein anderer Blickwinkel kann manchmal Wunder wirken.

Übrigens, auch wenn Jonas mal nackt durchs Bild rennt, ob er ein Six-pack hat, wird nicht verraten, ist ja auch völlig unerheblich. Jeder Leser darf sich Jonas so vorstellen wie er mag, allerdings steht fest: er ist blond und blauäugig. Jaromir Konecny ist für mich der König der gefühlvollen Screwballkomödien. Seine männlichen Helden sind eigentlich die totalen Romantiker, aber ohne Kitsch, aber einer Menge Unsicherheiten. Auch wenn sie blank ziehen, oder anfangs im Neuperlacher-Jugendslang daherreden, kennt der Autor immer gut die Grenze der Leserbelastbarkeit. So empfinde ich die Nacktheitspannen in der Geschichte durchaus als sehr lustig und nie vulgär. Sprachlich ist der Einstieg von Jonas der auf die geballte Neuperlacher-Sprachschule trifft etwas prollig, aber auch hier gilt, ehe es anfing mich zu nerven, musste Schnauze Jonas versprechen normales Deutsch mit ihm zu sprechen und die Türken in ihrem Freundeskreis, sprechen ohnehin ganz normal. So liebt er es mit Vorurteilen zu spielen. Er übertreibt die Klischees, bauscht sie auf, um sie dann zu zerstören und neu wieder zusammen zusetzen. Das ist sowohl witzig, als auch entlarvend, denn bei der einen oder anderen Platitüde mag man sich fragen: „Na, wäre ich da wirklich besser?“. Der Autor als ehemaliger Flüchtling kennt sich sicher bestens mit Vorurteilen aus. Wer weiß, wie viele Bananen man ihm anfangs in Bayern wohl angeboten haben mag? Gabs doch im Osten nicht, oder? Dabei treffen die Klischees alle, auch den semmelblonden Schnauze, den deutschen Mittelschüler, der stets Geld in der Tasche hat. Ein 16 jähriger der nie pleite ist? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.... Immer wieder wird mit Erwartungen gespielt... Und nein, für dieses Buch mußten keine Tiere leiden, dem Autor ist bewußt, daß Hunde keinen Schokokuchen essen sollten und in diesen Mengen, wie sie im Buch vorkommen auch sicherlich nicht überleben würden. In dieser Geschichte entwickeln sich alle fort, von Jonas, über seinen Vater über den Hund bis zur gefürchteten anatolischen Oma. Es ist nie zu spät um sich zu verändern und weiterzuentwickeln!

Drum Mädels, gebt den Jungs, der Liebe, Euren peinlichen Eltern und dem Leben ein Chance und lacht, was das Zeug hält!

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Jaromir Konecny und den DigitalPublishers für die lebhafte Leserunde und diese herrliche Liebeskomödie!

Samstag, 16. Februar 2019

Deutsche Heldensagen I, Willi Fährmann, gelesen von Peter Kaempfe, audiolino Verlag



Deutsche Heldensagen I, Willi Fährmann, gelesen von Peter Kaempfe, audiolino Verlag

Dieser erste Teil enthält die Sagen von Siegfried dem Drachentöter, seiner rachsüchtigen Ehefrau Kriemhild, die den Mord an ihrem Ehemann nicht verwinden kann und eine Blutsfehde anzettelt und des tapferen, loyalen und zugleich weisen Dietrich von Bern, der stets erst nachdachte, ehe er handelte und der seinen Waffenbrüdern zuliebe sogar sein Königreich bis auf die Stadt Bern aufgab.

Meine 11 jährige Tochter ist ein großer Niebelungenfan, doch so genau war uns die Geschichte von Siegfried, dem Königssohn aus Xanten, der es vorzog in die Welt hinaus zu ziehen und Abenteuer zu erleben, statt sich auf die Nachfolge im Reich der Burgunder vorzubereiten nicht bewußt. Dass die Burgunder überhaupt irgendwas mit Siegfried zu schaffen hatten, war uns überhaupt neu. Das war umso erstaunlicher, als meine Tochter mal eine Klassenfahrt nach Xanten machte und seine Drachenhöhle quasi bei uns vor der Haustür liegt.

Die Sagen sind eigentlich recht verständlich erzählt, allerdings so komplex und gespickt mit Personen mit heutzutage völlig ungebräuchlichen Namen, das es echt schwierig ist, den Überblick zu behalten. Dabei ist das dringend erforderlich, da alle drei Sagen miteinander verknüpft sind und die Hauptfiguren immer wieder vorkommen. Aber die Waffenmeister, Berater und Brüder, Schwäger, Söhne, Neffen.... auch wenn man aus einer weitverzweigten Familie stammt wie ich, wären hier Stammbäume der Familien von Siegfried, Kriemhild, Etzel und Dietrich Booklet ausgesprochen hilfreich gewesen. Sie waren alle weit davon entfernt Einzelkinder zu sein, wobei Könige damals wohl hauptsächlich Söhne hatten und Töchter echte Raritäten, die die es aber gab, waren von atemberaubender Schönheit, Mut, Intriganz, Rachsucht und Loyalität (vielleicht waren Frauen ohne diese Eigenschaften für die Erzähler auch ohne Interesse, wer weiß). Die Söhne hatten aber leider oft Namen, die dem des Vaters ähnelten Dietrich, Dietmar, Diet.... In Seifenopern den Überblick zu behalten ist dagegen ein Kinderspiel. Denn ehrlich, bei der Intriganz, die die edlen Damen und Herren hier an den Tag legen, sind Fernsehdynastien Kasperltheater dagegen. Daher auch der Kommentar meiner Tochter: Ja, es interessant, aber so blutrünstig, daß ich es nicht zum Einschlafen hören kann. Das kann ich verstehen, das ging mir genauso, dabei höre ich bisweilen Thriller zum Einschlafen, die aber weit weniger komplex sind. Man muß ganz genau zu hören und das am Besten mehrfach. Mit jeder Wiederholung entdeckt man mehr und merkt sich mehr Zusammenhänge. Sehr beeindruckt hat mich Dietrich von Bern, den ich nun als den Ur-Schweizer-Diplomaten betrachte, stets um Neutralität bemüht.
Das Booklet bildet die Ritterrüstung des 13. Jahrhunderts ab und erklärt sie. Warum ist mir allerdings nicht ganz klar, da die hier wiedergegebenen Sagen alle grob um 500 n Chr. spielen. Da hätte ich mir auch einen genaueren zeitlichen Überblick gewünscht. Ganz stark tritt hier immer wieder König Etzel auf, ein Kerl von dem ich noch nie gehört habe und doch muß er wohl der mächtigste Mann seiner Zeit gewesen sein und über ein riesiges Reich geherrscht haben. Wie kann es sein, das wir so jemanden denn nicht kennen? Ganz einfach, im Booklet wird erklärt, daß es sich bei König Etzel wohl um den legendären Hunnenkönig Attila handeln dürfte. Zu diesem gibt es ebenso weitere Informationen im Booklet, wie zu Dietrich von Bern bei dessen Eintrag sogar Auszüge aus dem mittelhochdeutschen Niebelungenlied stehen. Für Kinder sicherlich sehr interessant, daß das heutzutage kaum verständlich ist, so sehr hat sich die Sprache im Laufe der Zeit verändert. Sprachlich gibt es trotz der Schilderungen der Morde und Schlachten Zugeständnisse an das Alter der potenziellen Zuhörer wenn es um Sex bzw. Vergewaltigung geht. Auch wenn auf dem Schlachtfeld die Köpfe rollen, ist hier die Schilderung sehr zurückhaltend. Im Übrigen klingt in der Wortwahl bisweilen der Charme vergangener Zeiten an, was für Kinder zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber zum Thema sehr passend.
Peter Kaempfe hat meiner Tochter als Sprecher nicht zugesagt. Ihre Freundin Rebecca (11) fand ihn aber gut. Ich persönlich finde ihn eine sehr passende Wahl zum Thema, da es sich um Sagen handelt und er durchaus eine warme, wohlklingende Märchenonkel mit klarer Aussprache und sehr passender Betonung hat. Bei Sagen erwarte ich keine stimmliche Schauspielerei. Leider empfinde ich die Tonaufnahme als sehr leise. Wenn ich von CD-Spieler auf Radio wechsle, brüllt es mir entgegen! Die Aufnahme selbst hat aber keine Lautstärkeschwankungen und ist gut verständlich.

Ein Hörbuch, daß man wirklich genau und am Besten mehrmals hören sollte. Aufgrund seines Anspruchs ist es nicht zum nebenbei Hören oder sich berieseln lassen geeignet. Ab 10 Jahren nur sehr bedingt, für Kinder, die sich für Schlachten interessieren. Es bedarf unbedingt der Bereitschaft zum mehrmaligen und genauen Hinhören, es lohnt sich aber.

Ein besonderes Hörbuch, für das ich mich ganz herzlich bei audiolino bedanke, wir sind nun wieder schlauer!