Sonntag, 20. Januar 2019

Hans Christian Andersens schönste Märchen Teil 1, gelesen von Peter Kaempfe, Birte Kretchmer und Anne Moll, audiolino Verlag



Hans Christian Andersens schönste Märchen Teil 1, gelesen von Peter Kaempfe, Birte Kretchmer und Anne Moll, audiolino Verlag

Der Däne Hans Christian Andersen sammelte Volksmärchen aus dem skandinavischen und deutschen Sprachraum, sowie dänische, deutsche und griechische Sagen und bearbeitete sie bis sie seinen literarischen Ansprüchen genügten. So schuf er die bedeutsamsten Kunstmärchen des Biedermeier, die auch heute noch zur Weltliteratur gehören. Der damals erschienene Band „ Märchen, für Kinder“ enthielt 156 Geschichten, die besonders in Deutschland beliebt waren.
Dieser Teil enthält die Märchen:
- Das hässliche Entlein
- Was die Distel erlebte
- Däumelinchen
Die Geschichte vom hässlichen kleinen Entlein ist auch heutzutage noch aktiv im Sprachgebrauch, das Sinnbild für verkannte Schönheit und Größe. Mir war aber überhaupt nicht mehr bewusst, wie lang die Erzählung in voller Länge ist und wie brutal. Gleichzeitig ist das Schicksal des gepeinigten Außenseiters aber aktueller denn je und von erstaunlicher Vielschichtigkeit. Es folgt die Geschichte von der Distel, die am Rande des Schlossparks wuchert, und über ihre Bedeutungslosigkeit traurig ist, bis sie von einer reichen schottischen Erbin gewürdigt wird. Nun hofft sie jeden Tag auf einen Umzug in den Schlosspark, welcher jedoch enttäuscht wird. Doch auch wenn ihr Standort bleibt, so werden doch ihre Nachkommen gewürdigt, was für den Stolz einer Mutter eine noch größere Freude ist, wobei sie ihre Unsterblichkeit in einem Märchen erlangt. Welch größere Anerkennung kann man sich wünschen? Dieses Märchen ist wohl für Kinder noch schwerer zugänglich. Gerade Stadtkinder haben sicherlich keine Vorstellung von einer Distel und noch weniger von der Schwierigkeit ein solches Gewächs auf Dauer von seinem Standort zu entfernen, auch wenn es in seiner Blüte aus der Ferne wunderschön zu bewundern ist. Auch wenn das Sujet nicht der kindlichen Vorstellung von Märchen entspricht, ist diese sprachliche Fassung jedoch unglaublich schön, ebenso wie ihr Aussagegehalt. Manchmal kommt alles ganz anders als, man es sich wünscht und ist dabei doch eigentlich noch viel schöner, als erhofft. So folgt man ihr gerne, auch wenn sie inhaltlich nicht ganz so spannend ist. Auch das dritte Märchen zeugt von großem Leid und Armut. Eine arme Frau wünscht sich sehnlichst ein Kind und weiß nicht, wie sie an eines kommen soll. Sie geht zu einer Kräuterhexe, die ihr ein Samenkorn verkauft. Aus der Blüte der Tulpe, die daraus wächst, pflückt sie ein winziges feines Mädchen, nur daumesgroß und daher Däumelichen getauft, das sie mit seiner Lieblichkeit betört. Doch auch die fiese Kröte, findet sie lieblich und stiehlt sie als Braut für seinen Sohn. Zum Glück kann sie noch vor der Eheschließung entkommen und muß nicht mit dem Krötensohn im Morast leben. Doch auch ihre nächste Station ist nicht so schön, wie bei seiner „Mutter“. Es folgt eine Odyssee, in der Däumelinchen einiges an Leid erfährt, ehe sie ihr Glück findet. Zum Einschlafen ist es bisweilen etwas gruselig, wie Däumelinchen so entführt wird und auch später unter der Erde ohne Sonnenlicht leben muss. Auch diese Zwangsehen, die Däumelinchen ständig bevorstehen, sind in unserem Kulturkreis zum Glück nicht mehr alltäglich. Das Ende der Geschichte erinnert jedoch mehr an die von Disney-Verfilmungen und ist daher für Kinder leichter zugänglich.

Peter Kaempfe, Birte Kretschmer und Anne Moll sind bewährte und beliebte Sprecher mit sehr angenehmen Stimmen. Ruhig tragen sie die märchenhafte Stimmung. Sie betonen gekonnt, ohne es zu übertreiben und die märchenhafte Stimmung zu stören. Es macht Spaß ihrem unaufgeregten Vortrag zu folgen und sich von der Schönheit von Andersens Sprache einfangen zu lassen.

Mir persönlich, aber auch meinen Töchtern liegen die Märchen des zweiten Teils dieser Reihe deutlich mehr als die des Auftaktbandes. Dennoch beeindruckt mich die wunderbare Vertonung der märchenhaften Erzählweise und deren Aktualität nach all den Jahren!

Ich bedanke mich ganz herzlich beim Audiolino Verlag für dieses sprachlich wunderbare Hörbuch

Samstag, 19. Januar 2019

Die Rose des Herzogs, Marita Spang, Knaur Verlag



Die Rose des Herzogs, Marita Spang, Knaur Verlag

Mai 1841: die Prinzessin Charlotte de Rohan-Rochefort liegt mit 73 Jahren im Sterben. Während sie ohne Angst das Ende nahen spürt, blickt sie auf ihr für damalige Verhältnisses langes und zweifellos bewegtes Leben zurück. Sie wuchs als zweites Kind einer verarmten aber alten und ehrwürdigen Adelsfamilie auf. Na ja, im Jahre 1786 war ihr unermesslich reicher und mächtiger Großonkel, der Kardinal Louis de Rohan-Rochefort wegen der Halsbandaffaire ziemlich in Ungnade gefallen, der geliebte kinderlose Onkel, der stets die wohlwollende und schützende Hand über ihre Familie hielt. Damals mit 18 war sie unsterblich in Vincent de Carignan, den Neffen und Adoptivsohn der besten Freundin und Obersthofmeisterin von Marie-Antoinette verliebt. Wegen der Halsbandaffaire wagten sie nicht ihre Liebe öffentlich zu machen und später forderte seine Tante erst die Unruhen der Revolution abzuwarten, ehe sie Heiraten dürften. Wie so viele Angehörige des Hochadels hatte sie nicht damit gerechnet, daß es sich bei der Erhebung des Volkes nicht um ein kurzes Strohfeuer handelte. Nach seinem frühen Tod während der Schreckensherrschaft schwor sich Charlotte nie wieder zu lieben, um nicht wieder so sehr leiden zu müssen. Ein Vorsatz, den der Bourbonen-Prinz Louis-Antoine Henri de Bourbon-Condé zu Nichte machte, doch fand auch diese Liebe keine Ruhe, dank der Revolution, ihren Folgen , dem folgenden Napoléon Régimes und vor allem der Sturheit den Familienoberhauptes und Großvaters Louis-Joseph de Bourbon, Prinz von Condé.

Dem Roman ist ein sehr ausführliches Personenverzeichnis vorangestellt. Ich finde Personenverzeichnisse toll und würde sie mir öfter wünschen und vor allem vor Beginn der Geschichte und nicht als Anhang, wo man es meist zu spät findet. Hier hat mich der schiere Umfang allerdings erschreckt und verlieh mir das Gefühl, ich müsse es erst einmal gründlich studieren. Dabei dürften einige der Personen allgemein bekannt sein, zumindest Louis XVI, Marie-Antoinette, und Napoleon und Joséphine Bonaparte. Das beruhigte mich etwas. Die Sorge war jedoch unbegründet, denn die Personen werden nach und nach behutsam eingeführt, so daß man mit ihnen bereits vertraut ist, wenn in dem nächsten Lebensabschnitt und Ortswechsel neue Personen hinzukommen. Denn auf der Flucht vor den vorrückenden Revolutionstruppen, musste Charlotte den Rohan-Rochefort oft fliehen. Sehr interessant fand ich den Einblick in den immensen Reichtum und die kirchliche und weltliche Macht der obersten Kirchenfürsten wie Charlottes geliebten Großonkel, die die Ursache für die noch heute strikte Trennung von Kirche und Staat seit der Revolution 1789 sind. Die Geschichte der in Vergessenen Prinzessin aus dem höchsten französischen Adel schildert sie recht emanzipiert, wie sie um ihren Kummer zu überwinden eine Mädchenschule gründet, damit die Krankenschwestern lesen können, was auf den Medikamentenflaschen steht, um unnötige Vergiftungen zu vermeiden. Das fand ich sehr weitsichtig und auch mutig für die damalige Zeit. Wer gerne historische Schmonzetten liest, wird hier nicht an der richtigen Adresse sein. Zwar war Charlotte zu tiefen und beständigen Gefühlen imstande, welche aber nicht von großem Glück beschieden waren, durch die Wirrungen der damaligen Zeit, die von Politik, Krieg, Machtkämpfen und Intrigen bestimmt waren. Diese werden sehr reflektiert geschildert, so daß ich immer wieder meine Lektüre unterbrach und dort vorkommende Personen nachzuschlagen. z.B. warum war mir der despotische Zar Paul I entfallen? Ich hatte doch immerhin „Désireé“ von Annemarie Selinko zweimal gelesen? Na ja, dieser Zar war nur kurz an der Macht, sein Leben wurde beendet, er kam wohl nicht nur der Autorin und mit brutal und despotisch vor. Die Schreckensherrschaft in den auf die Revolution folgenden Jahre haben wir mal im Französisch LK behandelt, doch wurde mir die Bedeutung auch für den Hochadel hier viel besser bewußt als in dem 19-seitigen Extrakt von Honoré de Balzac.

Sehr gut gefällt mir, wie die Autorin sich mit der Revolution, ihrer Erforderlichkeit und ihren brutalsten Auswüchsen, bis hin zum Staatsstreich Napoleons annimmt (die Selbstkrönung Napoleons ist jedoch nicht Teil dieser Erinnerungen). Eine sehr komplexe Zeit, in der Frauen wenig Bedeutung hatten, außer als politisch motivierte Vermählungsgabe zu dienen und deren Folgen wir auch heute noch erleben.
Die Liebesszenen finde ich sehr dezent und geschmackvoll und doch emotional, aber nie albern beschrieben, wobei diese nicht das vorherrschende Thema sind. Da Louis-Antoine als General der Emigranten-Armee meist fernab von Charlotte stationiert war, spielt sich ihre Beziehung auch oft in Briefen ab und heimlich, da ihnen die Erlaubnis zu heiraten versagt blieb. Denn auch wenn Louis-Antoine mit einigen Gedanken der Revolution sympathisierte, so blieb er doch in den Traditionen des Ancien Régime verhaftet.

Marita Spang schreibt flüssig, gut lesbar und doch mit einem Hauch von Authentizität. Ihre Sprache ist zwar moderner, als alles was damals in deutschen Landen gesprochen wurde, aber sie verzichtet bewusst auf Anglizismen und neumodische Wörter und bewahrt hier und da einen kaum noch gebräuchlichen Begriff vor dem Aussterben. Wohlplatziert lässt sie z.T. Überlieferte Originalzitate der wichtigsten historischen Persönlichkeiten einfließen. Sie ist die Autorin der erfolgreichen Blut und Seide, Hexenliebe und die Frauenburg. Für Hexenliebe erhielt sie 2015 den Homer als den besten historischen Roman in der Kategorie „Beziehung und Gesellschaft“. Auch unter dem Pseudonym Marie Lacrosse ist sie mittlerweile sehr erfolgreich.

Keine ganz leichte Kost, da durchaus von intellektuellem Anspruch, aber absolut lesenswert, gerade auch, wenn man die damalige Zeit verstehen möchte.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Autorin für das im Rahmen einer Leserunde zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.