Mittwoch, 24. Oktober 2018

Mitgehangen, mitgefangen! Kai Pannen, Tulipan Verlags


Mitgehangen, mitgefangen! Kai Pannen, Tulipan Verlags

Dies ist inzwischen das 3. Abenteuer von Kreuzspinne Karl-Heinz und Stubenfliege Bisy. Im letzten Band, Mach die Biege, Fliege! Mußten die zwei wegen des Frühjahrsputz umziehen. Nun leben sie in der Buchenhecke im Garten, ganz gemütlich mit Sofa im Spinnennetz. Für Karl-Heinz ist es eigentlich perfekt, nur daß er sich schon manchmal nach einem saftigen Braten sehnt, aber durch seine Freundschaft zu Bisy ist er ja Vegetarier geworden. Bisy findet es aber langsam ganz schön öde, immer nur im Netz abzuhängen. Als Karl-Heinz eine Einladung zum Sonntagsbraten, ausgerechnet von seiner gefräßigen und dauernörgelnden Tante Kassandra erhält, freut sich Bisy über mögliche Abwechslung. Dabei traut er Tante Kassandra nicht über den Weg, immerhin sieht sie in ihm ja nichts anderes als einen Sonntagsbraten. Als sie endlich bei Tante Kassandra angekommen sind, ist von dieser keine Spur zu sehen! Ihr Netz ist verwüstet, 5 ihrer roten Pumps liegen kreuz und quer im Netz verteilt und der Sonntagsbraten zappelt im Kokon vor sich hin! Irgendwie klingt die Stimme des Bratens recht bekannt. Tante Kassandra würde doch nie ihr Fressen alleine zurücklassen und auch die Verwüstung spricht für einen Kampf. Ob sie wohl entführt wurde und wenn ja, von wem und wieso? Bisy ist begeistert, die Suche nach der unsympathischen Tante verspricht aufregend zu werden!

Offiziell handelt es sich um ein Vorlesebuch ab 4 Jahren. Da die Textpassagen allerdings recht lang sind und der Humor nicht auf Kindergartenniveau, würde ich die Altersempfehlung deutlich erhöhen. Meine 11-jährige Tochter hat es selbst gelesen und fand es sehr witzig, ebenso wie unser 8 jähriger Nachbar und meine 9 jährige Tochter. Unsere 2,5 Jährige Nachbarin, fand die Illustrationen süß und das sieht man unserem Exemplar auch an, aber bereits ihre 5,5 Jahre alte Schwester konnte nicht über lange Zeit gefesselt werden, was vielleicht auch an der kleinen liegen könnte. Sie hatte aber auch viele Fragen zu dieser ungewöhnlichen Freundschaft. Altersbedingt nimmt sie noch alles für bare Münze und versteht den Spaß der Ironie noch nicht. Sie hätte sicherlich bis zu Ende zu gehört, aber mehr Spaß hatten eindeutig die älteren Kinder. Neben dem Spaß der im Durchbrechen von Clichés liegt, ist die Geschichte auch ganz schön spannend und voller Wort und Bildwitz. So taucht bei Tante Kassandra eine Gottesanbeterin als Eisverkäuferin auf, der Bisy und Karl-Heinz natürlich sofort misstrauen. Na klar, bei den Eissorten: Küchenschabe, Honigbiene, Blattlaus mit Lindenaroma, Stubenfliege.... Doch was gibt es für Normaliker?
Diese ganzen Anspielungen auf Ernährungstrends und -schrullen, ist für ganz kleine Kinder noch nicht so lustig. Erst wenn man ein paar mal die Mutter über all die Lebensmittelunverträglichkeiten und Ernährungsprinzipien die zu beachten sind, hat stöhnen hören, versteht man diese Späße. Es ist wirklich lustig, aber oft eben für Ältere besser verständlich, aber so haben sowohl vorlesende Eltern richtig viel Spaß als auch ältere Kinder, die es selbst lesen, weil sie so verliebt in die Illustrationen sind.
Richtig toll für uns, war natürlich auch bei der ehemals eitlen Raupe Constanze das Schlüpfen mit zu erleben, um dann mit Bisy ein klein wenig schadenfroh zu grinsen. Aber Bisy und Karl-Heinz sind ja echt nette Kerle, deshalb werden sie auch nicht fies zu Constanze und das ist auch gut so, denn man sieht sich immer zweimal oder dreimal oder viermal im Leben..... so wie auch bei Constanze. Diese kann nun, nachdem sie geschlüpft ist, nicht mehr aus ihrer Haut, aber wenn man die anderen so sein lässt wie sie sind, kann man mit ihnen noch echte Überraschungen erleben, auch positive. Denn auf der Suche nach Tante Kassandra, die ja noch viel unangenehmer als Constanze ist, treffen die Freunde auf echt fiese Insekten, da können sie jede weitere Hilfe gebrauchen.

Wunderbar ist, daß diese zwei durch ihre Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft, selbst Hilfe bekommen, denn es wird richtig spannend. Uns man lernt auch viel über Spinnen-Entdecker und Spinnenkultur wie z.B. Leonardo da Spini seine Mona Spina und das Flugobjekt. Sehr lustig, wenn man schon mal von dem menschlichen Vorbild gehört hat. Klar kann man es mit 4 Jahren vorgelesen bekommen, aber richtig witzig ist es vor allem, wenn man schon etwas älter ist und noch mehr weiß. Die wunderbaren farbigen Illustrationen lieben aber schon die Kleinsten. Zum Anschauen ist es geeignet, sobald man sitzen kann (aber Vorsicht, die Seiten sind aus Papier ;))

Ein wirklich tolles Abenteuer voller Einfallsreichtum und Witz! Das wir ab 7 Jahren jedem ans Herz legen. Wir freuen uns auf noch mehr Abenteuer von Bisy und Karl-Heinz, vielleicht aus ihrem Urlaub. Klar, nach so viel Aufregungen haben sie sich den verdient.

Ein Feuerwerk an Ideen, Spass, Spannung und insektastischen Illustrationen!

Wir bedanken uns ganz herzlich beim Tulipan Verlag für dieses Leseexemplar und bei Kai Pannen für die persönliche Widmung mit Karl-Heinz.

Montag, 22. Oktober 2018

Die Schwestern von Mitford Manor: Unter Verdacht, gelesen von Juliane Köhler, Jessica Fellowes, Random House Audio, gekürzte Lesung, 2 MP3, 10 Std. 49 Min.



Die Schwestern von Mitford Manor: Unter Verdacht, gelesen von Juliane Köhler, Jessica Fellowes, Random House Audio, gekürzte Lesung, 2 MP3, 10 Std. 49 Min.

Louisa Cannon wächst in London zu Beginn des 20. Jahrhunderts in bescheidenen Verhältnissen auf. Als ihr Vater stirbt, bringt ihre Mutter sie als Wäscherin durch, doch ihr schmarotzender Onkel, macht sich nach der Beerdigung seines Bruders bei ihnen breit. Durch Glück besorgt eine alte Freundin, die vorteilhaft geheiratet hat eine Stellung als Kindermädchen bei der adeligen Familie Mitford 1920. Die älteste Tochter Nancy Mitford ist nur 2 Jahre jünger als Louisa und bedauerte es bislang stets, keine Schule besuchen zu dürfen, da ihr stets eine Vertraute fehlte. Diese findet sie nun in Louisa, die die temperamentvolle und überschäumende Nancy nicht immer zu bremsen weiß. Denn als Nancy in der Zeitung von dem Mord an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore (Patentochter der englischen Krankenschwesternlegende Florence Nightingale) am hellichten Tag in einem Abteil der Brighton Line liest, stellt sie fest, daß diese eine gute Freundin der Zwillingsschwester ihrer Nanny war und möchte sofort mit Louisa ermitteln. Auch Bahnpolizist Guy Sullivan geht dieser Mord, ebenso wenig aus dem Kopf, wie die junge Frau Louisa Cannon, die er kennenlernte, als sie aus dem fahrenden Zug der Brighton Line kurz vor Hastings sprang. So kreuzen sich ihre Wege immer wieder, und klären einen Mordfall, der in der Realität bis heute ungelöst ist.

Zu Beginn begegnet die junge Louisa ihrer Schulfreundin Jenny und die Kontraste könnten kaum krasser sein. Jenny hat es geschafft einen jungen, gut situierten Architekten zu heiraten und somit in gesellschaftlich scheinbar unerreichbare Höhen aufzusteigen, während Louisa ihrer Mutter hilft, für reiche Familien die Wäsche zu waschen. Ein unfassbarer gesellschaftlicher Aufstieg für Jenny, doch sie ist in ihrem Herzen noch immer Louisas beste Freundin geblieben und begegnet ihr noch genauso unbekümmert, wie zuvor. Ihr verdankt Louisa die Empfehlung als Kindermädchen, obwohl sie noch keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet hat. Doch die Not, in die ihr nichtsnutziger Onkel sie bringt ist so groß, daß sie bei ihrer Bewerbung bei Lady Redesdale ein wenig schummelt um ihre Aussichten zu erhöhen. Louisas Angst und Not wird eindringlich geschildert und auch wenn der Titel dieser Familiensaga sich um die 6 Töchter des Hauses Mitford dreht, widmet sich dieser erste Band um die älteste Tochter Nancy, die sich ihrem Kindermädchen Louisa anvertraut. Beide sind ausgesprochen neugierig und hartnäckig, wenn es darum geht, einem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Nancy langweilt sich aber auch unter den strikten Konventionen ihrer Zeit, denn auch in den goldenen Zwanzigern legen ihre Eltern durchaus großen Wert auf das Ansehen in der Gesellschaft. Sorgen, die ihre 6 Töchter nicht unbedingt teilen. So ist es bei Nancy wohl auch mehr Langeweile, als persönliche Betroffenheit, die sie dem Schicksal der Ermordeten Florence Shore auf den Grund gehen lässt. Bei Louisa hingegen ist es der Gedanke, daß dieses Verbrechen in dem Zug stattfand, in welchem sie saß und daß der Bahnpolizist, ihres Vertrauens sich an diesem Fall festgebissen hat.
Es werden reale Fakten anhand von Briefen und Vernehmungsprotokollen mit Fiktiven Elementen verknüpft. So verbindet sich ein Kriminalfall mit einem Gesellschaftsroman und einer Familiensaga. Auch wenn der einzige Sohn der Familie Tom, wohl der Augapfel der Eltern war, wurden die Töchter mit ihrem später extravaganten Lebensstil berühmt. Obwohl dieser Lebensstil bereits in der Hülle als Teil von Luisas Leben erwähnt wird, so ist er für die Klasse, der Nancy entstammt doch recht zurückhaltend. Sie ist noch nicht offiziell in die Gesellschaft eingeführt und ist daher während der London-Aufenthalte auch kein ständiger Gast auf rauschenden Adelsbällen. Aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im 1. Weltkrieg bevorzugt Lord Redesdale doch eher die  beschauliche Lebensweise eines Landadeligen.
Sehr gut hat mir gefallen, daß weder Nancy noch Louisa ohne Fehl und Tadel sind, sondern Ecken und Kanten haben. Man merkt Nancy durchaus an, daß sie zeitweise flatterhaft, dickköpfig und bisweilen verwöhnt ist. Trotz ihres scharfen Verstandes denkt sie meistens nicht an die Konsequenzen ihres Handels für Louisa. Doch auch Louisa hat von ihrem Onkel Steven einige Tricks gelernt, die den aufrechten Guy Sullivan dann doch schockieren. Wegen seiner starken Kurzsichtigkeit konnte er übrigens nicht in den Krieg ziehen und wird von seinen Brüdern daher nicht ganz für voll genommen. Schon allein damit hat er auf Anhieb meine Sympathien sichern können.
Dass aber Nancy so vertraut mit ihrem Kindermädchen verkehrt, die eigentlich keinerlei wahre Referenzen hat, fand ich da schon erstaunlicher. Es gefällt mir aber gut, da ich so als Hörerin einen viel persönlicheren Einblick in ihr Leben fand und emotional involvierter war. Anders als es der Klappentext vermuten lässt, geht es nicht nur um einen Mordfall und rauschende Bälle. Da die Geschichte in den Jahren 1920 - 1922 sind auch die Folgen für die heimkehrenden Soldaten, die Krankenschwestern und der Männermangel ein Thema. Dabei fällt mir immer wieder auf, daß in englischen Romanen die sogenannten Kriegszitterer (heute PTBS) viel stärker thematisiert werden, als in deutschen. Bei uns wurde es wohl eher totgeschwiegen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dies mag für einige teilweise langatmig sein, aber die Autorin orientierte sich auch an existierenden Briefwechseln und will eben auch einen Eindruck von Zeit, Gesellschaft und Werten liefern, was ihr für meinen Geschmack, sehr gut gelingt.

Jessica Fellowes ist die Nichte des Downton Abbey Autors und dem auch Belgravia bei Random House Audio vertont wurde. Sie hat auch die Begleitbücher zur Serie geschrieben und nun mit diesem Band eine 6 bändige Familiensaga über realexistierende recht exzentrische und konträre  Schwestern begonnen. Ich empfinde ihre Stil als persönlicher und emotionaler als den ihres Onkels, da sie ihren Blickwinkel mehr auf wenige Personen beschränkt. Dabei kann man der Geschichte sehr gut folgen, trotz der Verwicklung zahlreicher Personen und des großen Haushaltes. Auch wenn dies nicht ausschließlich ein Krimi ist, sie der Fall logisch stringent aufgelöst, was ich echt zu schätzen weiß.

Juliane Köhler ist mir bislang nur als Schauspielerin bekannt gewesen insbesondere aus Aimée und Jaguar und Nirgendwo in Afrika. Ich empfinde ihre sehr weibliche Stimme als ausgesprochen angenehm und jung.Dabei spricht sie die ungestüme Nancy sehr lebhaft und lebendig, während Louisa ruhiger und bedächtiger klingt. Trotz ihres eindeutig weiblichen Klanges, wirken ihre Männerinterpretationen jedoch nie schrecklich aufgesetzt, sondern nur einen Tacken dunkler im Timbre.

Die Klapppapphülle ist sehr schön mit Goldrahmen im zeitgemäßen Jugendstilmuster gestaltet. Für Interessierte enthält sie nicht nur Informationen zur Autorin und Sprecherin, sondern auch zu den Fakten, auf denen dieser erste Band beruht und ein Hinweis auf die Fiktion, mit der die Autorin den Tatsachen Leben und Frische einhaucht.

Ich hätte Juliane Köhler noch deutlich länger lauschen können und bin gespannt, ob sie auch die Folgebände lesen wird, oder ob die gegensätzlichen Schwestern von unterschiedlichen Stimmen eingesprochen werden.

Für Fans der Epoche und Familiensagas, sowie des Cosy-Crime-Genres sehr zu empfehlen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Random House Audio für den Hörgenuss.